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Attentat in Kairo hielt die Schweizer Tagesschau nicht für erwähnenswert., © ard

SRF-Tagesschau: Attentat in Kairo ist «viel unpolitischer»

Urs P. Gasche /  Detailliert berichtete die Tagesschau über die Attentate in Texas und Ohio. Kein Wort dagegen über ein ähnliches Attentat in Kairo.

Die Auswahl und Gewichtung von Auslandinformationen in der Hauptausgabe der Schweizer Tagesschau hinterlässt nicht immer den Eindruck, dass es auf die Relevanz von Ereignissen ankommt. Das ist besonders augenfällig, wenn man die SRF-Tagesschau mit der unmittelbar folgenden und sogar kürzeren Tagesschau der ARD vergleicht.
Ein kürzliches Beispiel:

  • Am Samstag 3. August tötete ein Attentäter in Texas 20 Menschen, ein anderer in Ohio 9 Menschen.
  • In der Nacht zum 5. August tötete ein Attentäter in Kairo 20 Menschen.
  • Am 7. August tötete ein Attentäter in Kabul 14 Menschen und verletzte über hundert.

Über die Attentate in Texas und Ohio berichtete die SRF-Tagesschau am 4. August während je über zwei Minuten, in der Tagesschau vom 5. August während weiteren über vier Minuten.
Dagegen informierte die SRF-Tagesschau über die Attentate in Kairo und in Kabul in den Tagen vom 4. bis 7. August überhaupt nicht.
Anders die ARD-Tagesschau: Sie informierte am 5. August über den «Terroranschlag mit Autobombe» in Kairo mit 20 Todesopfern und am 7. August über den Anschlag in Kabul. Die Regierung mache die Muslimbruderschaft verantwortlich.

Die Begründung der SRF-Tagesschau

Über die SRF-Pressestelle rechtfertigte Tagesschau-Nachrichtenchef Gregor Meier* die einseitige Information wie folgt:
«Die politische Bedeutung der Anschläge in den USA ist – auch auf Grund der Historie solcher Angriffe in den USA – ungleich grösser.»

Auch im Ägypten des Despoten al-Fattah Sisi gibt es eine lange Historie solcher Attentate, sogar eine noch längere.
Gregor Meier weiter: «Die Situation war auch insofern von deutlich erhöhter Bedeutung, weil der US-Präsident persönlich für das Anstacheln und Hate-Crimes verantwortlich gemacht wurde
Das ist auch in Ägypten der Fall. Präsident al-Fattah as-Sisi wird persönlich für ein Gewaltregime verantwortlich gemacht, das jenes des früheren Herrschers Mubarak in den Schatten stellt und Attentate geradezu provoziert.
SRF-Nachrichtenchef Gregor Meier weiter: «Hinzu kommt, dass der Vorfall in Kairo noch bis am Nachmittag des 5. August als mutmasslicher Verkehrsunfall mit Explosionsfolge taxiert wurde und die ägyptischen Behörden erst dann von einer Autobombe sprachen
In Kairo sprachen bereits die ersten Informationen von einer grossen Explosion in einem Auto. Abgesehen davon hat die SRF-Tagesschau auch am folgenden 5. August über das Attentat in Kairo nicht informiert.
Das Attentat in Kairo wäre eine Gelegenheit gewesen, über die durchwegs politischen Hintergründe in Ägypten endlich wieder einmal zu informieren. Doch der politische Kontext in Ägypten mit seinen fast hundert Millionen Einwohnern hält die Leitung der Tagesschau für «ungleich kleiner» als der Kontext in den USA.

Tagesschau vom 7. August

Neben dem Anschlag in Kabul waren für die ARD-Tagesschau vom 7. August auch folgende Auslandinformationen relevant, über welche die SRF-Tagesschau nicht informierte:
• Neuste Auswertung von Satellitenaufnahmen des Instituts für Weltraumforschung: Der Urwald in Brasilien wird seit dem Amtsantritt von Präsident Bolsanero in zunehmendem Tempo abgeholzt zugunsten der Fleisch- und Sojaproduktion;
• In Argentinien flammen Proteste auf gegen hohe Arbeitslosigkeit, Inflation und Armut;
• verschärfter Konflikt zwischen Pakistan und Indien um die Region Kaschmir;
• israelische Nationalbibliothek präsentiert bisher unveröffentlichte Kafkadokumente, die in Zürich lagerten.
Die SRF-Tagesschau berichtete über folgende Ereignisse im Ausland, über welche die ARD nicht informierte:
• Italienischer Senat sagt Ja zur Eisenbahnverbindung zwischen Turin und Lyon;
• Kein Dolce Vita mehr auf der Spanischen Treppe in Rom für Touristen;
• Nordkorea erbeutet Milliarden bei Hacker-Raubzügen.
________________________________
*Zuerst wurde die SRF-Stellungnahme der Tagesschau-Chefin Regula Messerli zugeordnet, weil Infosperber eine Stellungnahme von der Tagesschau-Leitung verlangte. Die SRF-Medienstelle teilte unterdessen mit, dass die Antworten von SRF-Nachrichtenchef Gregor Meier stammen.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 8.08.2019 um 12:32 Uhr
    Permalink

    Die Meldungen aus den USA sind eben für SRF interessanter, weil man da mantra-ähnlich gegen Trump berichten kann. Der ganze Beitrag war ein verzweifelter Versuch, den DemokratenAuftrieb zu verleihen. Obwohl man ja vom Amokläufer in Ohio wusste, dass er linksextreme Ideen unterstützte und mit der Antifa sympathisierte und in der Schule eine „Kill“-Liste führte, vorwiegend standen Mädchen drauf, die ihn abgewiesen haben. Der Polizei lag diese Liste schon seit Jahren vor. Der Amokläufer wurde deswegen der Schule verwiesen.

  • am 8.08.2019 um 14:39 Uhr
    Permalink

    Kurz gesagt: die Aufmerksamkeit wird nur auf das gelenkt, was mehr Sensation verspricht…

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 8.08.2019 um 15:25 Uhr
    Permalink

    Ich habe eben über «Garden.Radio» El-Paso gehört. Da gibt es 8 Radio-Stationen, doch niemand spricht von Politik. Immerhin hat eine Station vom Impeachement von R.Nixon 1972 berichtet. Ist doch tröstlich, was hier und dort relevant sein kann.

    In Long-Beach hat eine Radio-Station von der kulturzerstörerischen Aktion des Kommunismus gesprochen. McCarthy ist immer noch präsent und aktiv.

    Gibt es da noch Hoffnung für die Menschheit ? Anders gesagt «plus con tu meurs».

  • am 9.08.2019 um 13:20 Uhr
    Permalink

    … DER Grund das ich den TV vor über 20 Jahren entsorgt habe. Einige Jahre später folgten die Radios den Weg des ewigen. Dies nach schon fast verzweifelter Hoffnung das ein paar Beschwerdemails bei der SRG, TA Media, noch etwas ändern könnten… hat es absolut nicht. Leider. Heute bleibt zur Info noch eine abonnierte Wochenzeitschrift von einem Kleinstverlag in reiner Analogtechnik aus Papier, sowie eine grössere Schweizer Tageszeitung im digitalen Format. Diese aber ist dank der Transatlantischen Verheerung an regelrechter Neoliberaler Desinformation, transatlantischer Kriegstreiberei, neoliberaler Konzern- und Kapitalhörigkeits quasi unlesbar. Es geht hier blos darum nicht ganz den Faden der herrschenden zu verlieren. Dazu noch viele private Blogs und andere alternative Quellen im Internet die mehr als den Beitrag leisten den man prinzipell von den etablierten Medien erwarten muss. Wären die nicht, man würde mangels alternativer Informationen, Meinungen längst zum biederen Kriegbefürworter gegen völlig unschuldige und neoliberalen Homo Öconomicus verkommen, dem angeblich keine Alternative zur totalen Plünderung des Planeten bleibt… es bleibt wirklich nur, sich konsequent von diesen Medien abwenden.

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