Kommentar
SRF Rundschau /10vor10: Informationsvielfalt ja – aber nicht so
Red. Der Autor studiert Geschichte und Politik an der Universität Bern. Er stellte fest, dass die Politsendung «Rundschau» um 20.05 Uhr und «10vor10» am 21. August ziemlich konträr informierten. Eine Meinungsvielfalt ist zu respektieren, aber dass das Schweizer Fernsehen ein Ereignis am gleichen Abend derart unterschiedlich aufbereitet, ist ungewöhnlich – zumal beide Berichte auf ihre Weise tendenziös waren.
«Kein guter Tag für Ignacio Cassis, die Rundschau enthüllt», eröffnet der Bericht im 10vor10. Der Aussenminister habe seinem eritreischen Amtskollegen «einen Termin verweigert». Die Hintergründe bleiben für die Zuschauer schleierhaft. Sie erfahren lediglich, dass sich Eritreas Aussenminister Osman Saleh in der Schweiz befand und Cassis treffen wollte. Weil Cassis zu dieser Zeit in den Ferien war, habe das EDA dieses Begehren abgelehnt.
Anstatt die knapp bemessene Sendezeit für notwendige Hintergrundinfos zu nutzen, kommentiert der Bericht geistlos, dass diese Ferien anscheinend wichtiger gewesen seien als ein Treffen mit dem Aussenminister, «obwohl Flüchtlinge die Schweizer Innenpolitik beschäftigen». Anschliessend zählt der Bericht die vielen «Baustellen» auf, für die Cassis verantwortlich sei.
Kritisch erwähnt werden dabei zu Recht Cassis’ wohlwollende Äusserungen über eine Glencore-Mine in Sambia, welche die dortige Bevölkerung vergiftet. In rascher Abfolge werden weitere «Baustellen» – also aussenpolitische Probleme – genannt. Die dazu nötigen Erklärungen und Begründungen bleiben auf der Strecke. So erkennt der Bericht eine der «Baustellen» darin, dass die Pilatus-Flugzeugwerke in Saudi-Arabien keine Dienstleistungen mehr anbieten dürften. «Hintergrund ist der Krieg im Jemen, der Rückzug irritiert.» Eigentlich sollte irritieren, dass die Pilatus-Werke das vorher durften, denn Saudi-Arabien begeht im Jemen bekanntermassen Kriegsverbrechen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Alles in allem ein schlechter Bericht, der zwanghaft versucht, Cassis’ Amtsführung zu bemängeln, was in Anbetracht seiner Aussenpolitik an sich nicht schwerfallen müsste. Die Kritik an seiner Haltung gegenüber dem eritreischen Aussenminister ist hingegen an den Haaren herbeigezogen. Das müsste insbesondere denjenigen Zuschauern aufgefallen sein, die 90 Minuten zuvor auf dem gleichen Sender den Beitrag der Rundschau zum selben Thema gesehen hatten.
Hier erfährt das Publikum, dass Cassis schon lange erfolglos auf ein Treffen mit seinem Amtskollegen drängt. Unerwartet besucht dieser im Juli die Schweiz, um an einem Anlass des Eritreischen Vereins in Burgdorf teilzunehmen. Das EDA wird lediglich eine Woche im Voraus informiert. Viel zu kurzfristig für ein Staatstreffen, so der Tenor von links bis rechts. Nicht Cassis sondern die eritreische Aussenpolitik steht nun im Fokus der Kritik. Das Narrativ: Das unverschämte Verhalten des diktatorischen Regimes Eritreas gegenüber der viel zu gutmütigen Schweiz.
Während 10vor10 die Schuld am nicht zustande gekommenen Treffen mit dem Aussenminister bei Cassis suggeriert, wird der Tessiner im Beitrag der Rundschau beinahe als Opfer einer dreisten eritreischen Aussenpolitik stilisiert. «Bundesrat Cassis wartet weiter auf einen Termin», schliesst der Beitrag.
Die Beiträge von Rundschau und 10vor10 zeigen vor allem eins: Ein Ereignis lässt sich beliebig interpretieren und erzählen. Vom öffentlich-rechtlichen Sender SRF kann jedoch ein gewisses Mass an Objektivität erwartet werden. Hätten sich das Politmagazin und die Nachrichtensendung – beide Sendegefässe gelten als Aushängeschilder im Infobereich des SRF – an der Objektivität orientiert, lägen die Aussagen ihrer Berichte nicht derart weit auseinander.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Fischers Kritik mag teilweise begründet sein, seltsam an seiner Schilderung ist indessen, dass er das anschliessende Gespräch mit Toni Locher, Honorarkonsul Eritreas und ziemlich regimenah, mit keinem Wort erwähnt – obwohl der neue Moderator durchaus kritisch nachhakt. Diesbezüglich war der Rundschau-Beitrag informativ, der Eindruck über Eritrea zwiespältig, nicht zuletzt durch das Gespräch mit Locher.
Ich bin bestimmt kein Freund von FDP-BR Cassis, zu unbedacht tritt er als Schweizer Aussenminister + Nachfolger seines kompetenten Vorgängers, alt-BR Burkhalter, auf. Aber:
– Jener Bericht in 10vor10 am 21.08. war einmalig einseitig + wie sich jetzt herausstellt auch an den Haaren herbeigezogen, dass ich als Leben-langer + politisch wacher Beobachter beinahe auf die Idee gekommen wäre, ich hätte etwas Grundlegendes verpasst.
– Umstände-halber sah ich den Rundschau-Bericht leider nicht. So hielt ich mich verunsichert bei meinen Kommentierungen in Facebook zurück + wartete auf mehr Durchblick.
Danke, Janos Fischer, für Ihre Klärung. TV SRF enttäuscht mich immer wieder (im Gegensatz zu Radio SRF), wie einseitig + in der Aussen-Wirkung manipulierend TV SRF in seiner politischen Berichterstattung auftritt.
@Henri Leuzinger, besten Dank für Ihre Bemerkung. Ja, das Interview mit dem Honorarkonsul Locher fand ich auch gelungen. Daran gibt es nichts auszusetzen.
Eritreas Aussenminister Osman Saleh in der Schweiz, war es tatsächlich ein «Blitzbesuch», oder wollte der Mann einfach keine Gespräche? Versagt hat tatsächlich auch der BR, wenn Cassis unerreichbar in den Ferien ist warum ist KKS nicht eingesprungen, sie ist für Flüchtlinge zuständig. Respektlos die eritreische Community, da applaudiern politische Flüchtlinge dem Vertreter der «verhassten Regierung» und lassen es sich auf Kosten Steuerzahler in der Schweiz gutgehen!
Hat sich der eritreische Aussenminister bewusst so kurzfristig angemeldet weil er Cassis gar nicht treffen mochte? Er besuchte ein Fest des Eritreischen Vereins in Burgdorf. Dessen Vorbereitung dauerte wohl etliche Wochen und nicht nur eine.