Slowaken

Geschürte Fremdenfeindlichkeit in Schweizer Medien – hier in der Aargauer Zeitung © AZ

Sind Schweizer Journalisten wirklich alle links?

Christian Müller /  Ganz entgegen der Behauptung der SVP-Politiker: Immer öfter huldigen Journalisten und Redaktoren der SVP-Fremdenfeindlichkeit.

Man hört es, wann immer und wo immer man unter die Leute geht: Die Journalisten und Journalistinnen in der Schweiz seien allesamt links und grün und/oder «Gutmenschen» – eine Charakterisierung, die es definitiv geschafft hat, die damit Bezeichneten als einfältig, dumm, blöd und eben «links» zu diskreditieren. Selbst Bundespräsident Ueli Maurer beklagte diese Woche am Jahreskongress der Schweizer Zeitungsverleger die mangelnde Meinungsvielfalt der Medien. Welche Einheitsmeinung er da anvisierte, war allen Anwesenden klar.

Die Realität ist eine andere. Gerade weil die SVP-Politik der systematischen Fremdenfeindlichkeit jeden vierten Schweizer Stimmbürger in ihre Partei-Arme treibt, huldigen auch immer mehr Journalisten und Journalistinnen der Xenophobie. In schwierigen Zeiten könnten sich die Schweizer Medien, so könnte man meinen, nicht mehr leisten, auf die fremdenfeindlichen SVP-Anhänger als zahlende Leser und Leserinnen zu verzichten. Die widerlichen Bücklinge an deren Adresse sind allgegenwärtig.

Ein Beispiel nur: Am gleichen Tag, da Ueli Maurer den Verlegern in Interlaken die Leviten zu verlesen sich gemüssigt fühlte, waren in fast allen Schweizer Medien bebilderte Berichte über den Grossbrand in Schlieren vom Vortag. Verständlich: Der Brand hatte den Zugverkehr zwischen Bern und Zürich und zwischen Basel und Zürich während Stunden gänzlich verhindert und während weiteren Stunden spürbar beeinträchtigt. Und was war da in vielen Medien das wichtigste: Die Polizei verhaftete drei Slowaken. Selbst für die Headline reichte diese Meldung – ohne jeden Hinweis im Text, warum diese verhaftet worden waren. Die sublime Vorverurteilung – «schon wieder diese kriminellen Ausländer!» – ist offensichtlich.

Einen Tag später dann kam die Präzisierung: Zwei der Verhafteten wurden gleich wieder freigelassen, einer wird wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst verzeigt. Alle drei waren Arbeiter in einer der dortigen Auto-Werkstätten.

Zu beklagen gibt es also etwas Anderes: die widerliche Anbiederung beim fremdenfeindlichen Publikum. In dem Punkt ist Remedur gefordert.


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3 Meinungen

  • am 16.09.2013 um 23:02 Uhr
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    Christian Müllers Beitrag zeigt zwei Probleme auf: erstens das Hamsterrad der Schweizerischen Volkspartei, d. h. permanente Neuauflagen politischer Parolen – Schwerpunkt Fremdenfeindlichkeit. Zweitens kann ich die Beobachtung teilen, dass manche Medien – gewiss nicht alle – auf die eine oder andere Art auf den Zug der Fremdenfeindlichkeit aufspringen.

    Beim ersten Problem handelt es sich um eine politische Machtdemonstration der SVP, bei der die Fremdenfeindlichkeit nur Mittel zum Zweck ist. Dieser Zweck heisst Macht. Beim zweiten Problem ist es etwas schwieriger, weil nicht auszumachen ist, ob es sich bereits um eine rechtspopulistische Unterwanderung handelt oder um die schnelle Bereitschaft, alle Schuld nur beim Fremden zu suchen.

    Die SVP wird sich kaum ändern, obwohl sie sich auf dem Holzweg befindet und mit populistischen Argumenten im Hamsterrad herumrennt. Das ist nicht kreativ, sondern reiner Energieverschleiss. Und die Medien? Die machen mir echt Sorgen, weil sie kaum noch in der Lage sind, den Menschen die Welt zu erklären. Zudem befindet sich die Medienunabhängigkeit in der Schwebe, die Medienkonzentration ist gross und es gibt viele Fragen bezüglich Qualitätsjournalismus.

    Gibt es DEN Qualitätsjournalismus überhaupt noch, obwohl er bei jeder Gelegenheit beschworen wird? Kann ich mich überhaupt noch darauf verlassen, was uns die Medien mitteilen? Eine Forderung nach Remedur? Aber ja, doch durch wen?

  • am 17.09.2013 um 21:53 Uhr
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    Einige Medienschaffende fühlen sich offenbar besonders «unabhängig", wenn sie Vorurteile bedienen, unabhängig von jeder sachlichen Analyse. Wie sonst lässt sich Überraschendes, Aufmerksamkeit Erregendes berichten? Der Kampf um Aufmerksamkeit, die Konkurrenz zur Kollegin in der eigenen Redaktion macht so manchen Artikel zur billigen journalistischen Eintagsfliege.

  • am 8.10.2013 um 12:01 Uhr
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    Der Artikel von Christian Müller ist ein Paradebeispiel für die in Schweizer Medien vorherrschende Einheitsverdrehung,wobei es sich dabei in der Regel um einen starken Linksdrall handelt. Im Zusammenhang mit offenen Grenzen für Personen erfährt dieser Linksdrall indessen auch leise, aber mächtige Unterstützung von rechter Seite, von der so genannten „Wirtschaft“, also hier konkret von Arbeitgebern, Unternehmern – oder klassenkämpferisch ausgedrückt – vom Kapital. Die ersten beschwören Offenheit aufgrund von Ideologien; die zweiten fordern den ungehinderten Zugang zum Heer der billigen Arbeitskräfte aufgrund des Gewinnmotivs. Eine unheilige Allianz kämpft somit seit Jahren mehr oder weniger unbewusst für die Senkung der Lebensqualität in der Schweiz.
    Erstens sind die Schweizer im Allgemeinen und im Vergleich zu anderen Völkern nicht fremdenfeindlich – oder xenophob, sondern offen und tolerant; nur gemessen an einem Ideal, an einem erleuchteten Menschen à la Buddha oder Jesus, der keine Grenze, keine Ausgrenzung mehr kennt, funktionieren auch die Schweizer noch mit natürlichen Abwehrreflexen gegen übermässigen Zufluss von aussen. Und zweitens kann keine Rede davon sein, dass die Mehrzahl der Medien nach zwanzig Jahren Jubelreden und Lügen über die Segnungen von offenen Grenzen nun um hundertachtzig Grand gedreht hätten und fremdenfeindlich geworden seien. Man kann lediglich mit einiger, später Erleichterung sagen, dass nun da und dort im Medienwald auch mal wieder ein kritischer Unterton zu hören ist. Ich wünsche mir noch deutlich mehr davon!

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