«Sie sollen Trump in Führung zeigen»
Auch in der Schweiz gab es sie in vielen Medien: Sportberichterstattung über die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen. Demnach gleicht die Wahl einem Rennen, das es zu gewinnen gilt. Umfrageergebnisse dienen dabei als Rennetappen. So kann mal im einen Staat Kamala Harris in Führung gehen, dann Donald Trump wieder aufholen. Andernorts können Vorsprünge ausgebaut werden.
Die Umfragewerte alleine reichten hierzulande regelmässig für News-Artikel. 20 Minuten titelte vor einer Woche: «Drei Wochen vor den Wahlen: Trump holt in Swing-States auf». SRF Online lieferte laufend aktualisierte Umfragewerte. Watson baute gar einen umfangreichen Artikel fast ausschliesslich auf Umfrageresultaten und lockte im Lead: «Der Republikaner ist im Aufwind, doch einiges spricht für Harris.»
Bereits 2022: Umfrageinstitute mit unklarer Methodik
Doch die Umfragen taugen wenig. Dass in den gespaltenen USA grosse methodologische Probleme existieren, wurde mit Donald Trumps Wahlsieg von 2016 offensichtlich. Anlässlich der Midterms von 2022 trat aber ein weiteres Problem offen zutage: Dass sich explizit pro-republikanische Umfrageinstitute nicht an die Branchenstandards hielten.
Dies beschrieb damals Nate Cohn, Datenjournalist bei der New York Times. «In einigen Staaten wurden alle jüngsten Umfragen von Republikaner-freundlichen Firmen durchgeführt», konstatierte er.
Für Durchschnittsberechnungen abgewertet
Abhängig davon, welches Unternehmen die jüngsten Umfragen durchführte, würden die Kandidatinnen und Kandidaten der Demokraten oder Republikaner viel besser oder schlechter abschneiden. Und dies von Bundesstaat zu Bundesstaat. So würde die Führung im Rennen um die Kontrolle übers Parlament wöchentlich wechseln.
Auch kurz vor den diesjährigen Wahlen fluten wieder Pro-Trump-Umfragen die US-Medienlandschaft. Dies schrieb Cohn letzte Woche. Gleichzeitig beteuerte er aber auch, dass diese keinen Einfluss auf die Durchschnittswerte hätten. Die Zahlen der fehlbaren Unternehmen würden nämlich abgewertet und entsprechend gewichtet. Zudem zeigten sie in vielen Fällen gar nicht deutlich bessere Werte für Trump. Dies sagen auch andere Berechner der Durchschnittswerte wie der Blog «538».
Trump muss einfach in Führung liegen
Dies reiche nicht, sagten kürzlich Simon Rosenberg und Tom Bonier, ein Stratege und ein Datenanalyst, die beide mit den Demokraten verbandelt sind. Sie hatten bereits vor den Midterms 2022 gewarnt, dass die Umfragewerte nicht stimmten – und lagen richtig. Heute sagen beide: Es spielt keine Rolle, wie klein die Unterschiede sind. Es gehe nur darum, Trump in Führung zu zeigen. Die Pro-Trump-Umfragen sehen beide als Propagandamittel, um Medienberichte zu generieren, die Trumps vermeintliche Führung überbewerten. Im Trump-Lager kann dies anspornen, im Harris-Lager lähmen.
Die Umfragewerte können aber auch andere Konsequenzen haben. Vor den Midterms entschieden zum Beispiel die Demokraten auch basierend auf Umfragedaten, welche Kandidatinnen und Kandidaten hohe Siegeschancen hatten und verteilten Wahlkampfgelder entsprechend.
Der langjährige Vorsitzende der Republikanischen Partei, Michael Steele sagte dem US-Magazin «The New Republic »: «Ich weiss, dass einige dieser Umfragen manipuliert sind.» Gemäss Steele würden die Antworten der Teilnehmenden dafür entsprechend gewichtet. Steele ist der Ansicht, die Umfragen müssten eine Trump-Führung vorgeben, damit im Fall einer Wahlniederlage behauptet werden könne, Harris’s Sieg sei gestohlen.
«Gemäss Strategie soll es den Staaten unmöglich gemacht werden, Wahlresultate zu zertifizieren. Und diese gezinkten Umfragen sind ein tolles Werkzeug dafür, denn so kann man den Menschen verkaufen, dass die Wahl gestohlen wurde.»
Umfragen ignorieren
«Wie weit daneben diese Daten wirklich sind, bleibt abzuwarten», schreiben die New-Republic-Autoren Greg Sargent und Michael Tomasky in ihrem Fazit. «Aber ob Führungskräfte, Journalistinnen und Newskonsumenten zulassen, dass sie ihre Wahrnehmung beeinflussen, liegt sehr wohl in unserer Hand.»
Dies gilt auch für die Schweizer Berichterstattung über die US-Wahlen. Die Umfragen würden einzig zeigen, dass die Wahl knapp wird, relativierte die «SRF Tagesschau» letztes Wochenende in einem Beitrag zum Thema. Ins selbe Horn blies wenige Wochen zuvor das «Echo der Zeit». Immerhin Watson forderte mit dem US-Politanalysten Ezra Klein: «Vergesst die Umfragen!»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ob Putin, Trump, Bolsanaro, Orban…alle «arbeiten» mit den gleichen Tricks.
… und unsere Medien arbeiten dann mit den Resultaten der Tricks weiter, um zu diffamieren, «Meinungen» und «Kommentare» zu verfassen, «Brandmauern» zu errichten, etc. – schlussendlich auch, um Klicks zu generieren und den «Content» zu monetarisieren. Ist das besser? Und arbeitet die Harris-Kampagne nicht auch mit dreckigsten Mitteln? Sind SRF&Co nicht auch glasklar Anti-Trump?
Wir leben in einer Zeit von politisierten Medien und medialisierter Politik. Politik zieht die Schlingen immer enger und würgen unsere Freiheiten ab. Medien berichten immer zugespitzter und fordern gar noch härtere Gangarten gegen das vermeintlich böse Gegenüber. So wiegeln sich diese beiden Player gegenseitig auf. Alles wird enger, gehässiger, brutaler – die Spaltung und Fragmentierung in der Gesellschaft immer krasser. Darum wäre es zu überlegen, nicht nur die Umfragen, sondern die schreienden Medien und die übergriffige Politik so weitgehend zu ignorieren, wie nur irgendwie möglich.
Schein-«Wahlkampf» als Ablenkung von der Tatsache, dass, wie Jimmy Carter 2015 sagte, die USA keine Demokratie sind. Die USAussenpolitik ist seit x-Jahrzehnten dieselbe, egal wer «Nachrichtensprecher» (US-Präsident) ist. Show als Ablenkung. Beispiel: Hulk Hogan wirbt für Trump. Zitat 20min: Allerdings stösst Trump auch in der Wrestling-Szene auf Kritik: Der frühere Wrestler und heutige Schauspieler Batista (Dave Bautista, 55) verspottete ihn kürzlich in der Late-Night-Show «Jimmy Kimmel Live». Bautista sagte unter anderem: «Viele Männer scheinen zu glauben, dass Donald Trump ein harter Kerl ist. Er ist es nicht. Er ist ein schwaches, dickes Kleinkind, das mehr Make-up trägt als Dolly Parton.»
Irreführungen senden, aber Entscheidendes verschweigen. Für mich dasselbe Synapsen-verkleistern-Prinzip wie die US-Störsender gegen Kuba (überschütten mit Falschem).