Öffentlichkeit mit Gripen-Experten getäuscht
Das Fernsehen SRF wird diesen «Aviatik-Experten» künftig nicht mehr zu den Kampfflugzeugen auftreten lassen, gab die Chefredaktion gegenüber Infosperber bekannt.
Die NZZ brachte es heute Mittwoch ans Licht: Der angeblich neutrale Max Ungricht durfte in Fernsehsendungen wie «10vor10» oder «Rundschau» sowie in Zeitungen wie dem «Tages-Anzeiger», dem «Bund» oder dem «Sonntags-Blick» jahrelang und bis heute regelmässig als «Experte», «Aviatik-Spezialist» oder «Chefredaktor der Fachzeitschrift ‹Cockpit’» zugunsten des Kampfflugzeugs Gripen reden. Alle diese Medien klärten die Öffentlichkeit nicht darüber auf, dass Max Ungricht nach eigenen Angaben seit 2010 Beratungshonorare der israelischen Rüstungsfirma «Rafael Ltd» kassiert. Dieses Rüstungsunternehmen liefert eine Ausrüstung für den schwedischen Gripen und verdient somit an jedem verkauften Gripen mit (laut NZZ handelt es sich bei der Ausrüstung um einen «Aufklärungs-Pot»).
Tages-Anzeiger will aufklären, das Fernsehen SRF nicht
Über die jahrelange Täuschung des Publikums mit einem angeblich neutralen Experten will der Tages-Anzeiger in der Ausgabe vom Donnerstag seine Leserinnen und Leser aufklären. «Wir werden die entsprechende Transparenz unverzüglich in der morgigen Ausgabe veranlassen», erklärte Chefredaktor Res Strehle gegenüber Infosperber.
Anders die Chefredaktion des Fernsehens SRF. Es werde «keine Erklärung auf dem Sender» geben, sagte der stellvertretende Chefredaktor Tristan Brenn. Doch «ab sofort» werde SRF «auf Max Ungricht als Experten verzichten».
Präzedenzfälle
SRF ist ein gebranntes Kind. Extrem war ein Tagesschau-Interview mit «Nuklearexperte ETH Zürich» Horst-Michael Prasser, bei dem die Tagesschau verschwieg, dass der Lehrstuhl des als Atom-Lobbyisten bekannten Professors an der ETH von der Lobby-Organisation Swissnuclear finanziert ist. Auch wenn Parlamentarier auftreten macht SRF selten transparent in welchen finanziellen Diensten die Miliz-Volksvertreter stehen.
Trotzdem meint Tristan Brenn, bei SRF gelte «das Prinzip der Offenlegung von Interessen». Die Redaktionen müssten allfällige Interessenbindungen abklären, die zum behandelten Thema bestehen. Allerdings fordere die Chefredaktion nicht, dass Experten ihre bestehenden oder nicht bestehenden Interessenbindungen per E-Mail bestätigen müssen.
Seit Jahren im PR-Beratungsgeschäft tätig
«Erst seit heute» dank des NZZ-Artikels habe SRF Kenntnis davon, dass Ungricht für «Rafael» Berater sei, erklärt die SRF-Chefredaktion.
Eine kleine Google-Suche mit den Stichworten «Max Ungricht» und «Consultant» ergibt schnell, dass Ungricht seit 2004 eine eigene Beratungsfirma führt mit dem eingetragenen Zweck «Erstellen von Medien-/Pressetexten im Luftfahrtbereich; Allgemeine Consulting-Dienstleistungen». Auch vereinzelne Blog-Einträge bringen Ungricht in Zusammenhang mit «Rafael Ltd», «Saab» oder dem «Gripen».
Trotzdem haben Redaktionen von SRF und einiger Print-Medien mögliche Interessenkonflikte offensichtlich nicht genügend abgeklärt und vom «Experten» selber keine Bestätigung verlangt, dass solche Interessenbindungen nicht existieren – eigentlich das Normalste der Welt. Immerhin geht es beim Kauf eines Kampfflugzeugs um einen brisanten politischen und wirtschaftlichen Entscheid.
Tagi: «Wir gehen nur Hinweisen nach»
Erstaunlicherweise erklärt die Chefredaktion des Tages-Anzeigers, dass die Zeitung «grundsätzlich nicht davon ausgeht, dass ein Experte in der Regel in einem Interessenkonflikt steht». Die Tagi-Redaktion würde deshalb dieser Frage «nur nachgehen, wenn wir Hinweise darauf haben». Die Erfahrung zeigt, dass es äusserst schwierig, aber umso wichtiger ist, unabhängige Experten zu finden.
In einem jüngsten Tagi- und Bund-Artikel vom 12. September sei Max Ungricht zu einer Frage zur Luftwaffe allgemein befragt worden, so dass sich ein Hinweis auf seine Rafael-Beratertätigkeit ohnehin erübrigt hätte. Die Chefredaktion erwähnt allerdings nicht, dass der Tages-Anzeiger Ungricht schon in den Jahren 2011 und 2012 als «Chefredaktor von ‹Cockpit’» zum Gripen zitierte.
Laut NZZ hat Max Ungricht in den Medien mehrmals explizit gegen das französische Kampfflugzeug «Rafale» Stellung genommen, mit dem sich die Schweiz «in die totale Abhängigkeit von Frankreich» begeben würde.
Ungricht verschwieg, dass «Rafale» eines der Flugzeuge ist, welche keine Ausrüstung der israelischen «Rafael Ltd» bezieht, für die er Beraterhonorare bezog.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Wen Rafael näher interessiert, der wird im Buch «Israel and the Bomb» von Avner Cohen fündig. Den strategischen Umgang mit der Wahrheit lernt man in dieser Branche schnell – oder nie. Über die Rafale von Dassault zu schnöden ist aber unfein. Dassault hat seinerzeit zur Israelischen Bombe immerhin die Jericho-Raketen beigesteuert (und vorher die Mirage IV).
…die «die totale Abhängigkeit von Frankreich» hat auch Firmengeschichte. De Gaulle hat in den frühen 60er Jahren der Israelischen Atomrüstung den Stecker ausgezogen. Etwas zu spät aber offensichtlich noch in der Firmenerinnerung.
Werner T. Meyer
Ich habe vor kurzem gesagt, dass ich den Gripen das beste Flugzeug finde, weil es 1. das billigste ist und 2. in einer Volksabstimmung ohnehin durchfallen wird.
Wir sind gebrannte Kinder. Anfang der 60er Jahre war der Kanton Luzern wegen seiner neuen Kantonsschule am Abgrund des Staatsbankrottes. Diese Schule kostete immerhin etwa so viel wie zwei der Mirages (Dassault), von denen der Bund eben etwa 50 Stück gekauft hatte.
Damals dachten die meisten Kantonsschüler, dass der «neutrale Draken» wohl schöner, und möglicherweise sogar etwas billiger gewesen wäre. Damals wollte noch niemand aus der Armee oder der CH-Luftwaffe aussteigen.
50 Jahre später frägt sich aber mehr als einer, wozu dass ganze Gelärm auf dem Flugplatz Payerne und anderswo gut sein soll. Ich hatte vor Jahren Gelegenheit, das ganze aus der Nähe anzuschauen und konnte eine gewisse Anerkennung nicht verbergen. Insbesondere die Trainingszusammenarbeit mit den Franzosen hatte mich damals überzeugt: den ganzen Übungslärm nach Frankreich zu exportieren, schien mir eine bedenkenswerte Option. Hollande hat diese Option für mich definitiv ausgeschlossen. Wird jetzt die Israeli-Connection auch noch meine Vision vom neutralen Schweden zerstören ?
Was wäre, wenn auch im Mittleren Osten der Friede ausbrechen würde ? Die Börsen würden das sicher nicht goutieren.