NZZ, CH-Media, SRF ignorieren News der Tamedia-Redaktion
Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln würden mögliche Krebs- und Fortpflanzungsrisiken nicht gründlich genug abgeklärt, erklärte Jürg Zarn dem «Tages-Anzeiger». Zarn leitet den Fachbereich Pflanzenschutz-Toxikologie beim Bundesamt für Landwirtschaft. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten nicht nur beim Bund, sondern auch bei der Weltgesundheitsorganisation mit der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln.
Seine Kritik ist happig. Tierversuche würden systematisch und legal so angelegt, dass man nicht genügend nachweisen könne, ob ein Pestizid die Gesundheit längerfristig ernsthaft gefährde. Auch Hanno Würbel, Professor für Tierschutz an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern, hält die Art der Tierversuche für «höchst fragwürdig». Sie führe «mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einer unter Umständen massiven Unterschätzung toxischer Effekte». Er war an der Studie von Zarn nicht beteiligt, welche die Fachzeitschrift «Regulatory Toxicology and Pharmacology» veröffentlichte.
Der «Tages-Anzeiger» zitierte auch Lothar Aicher vom Swiss Centre for Applied Human Toxicology: «Die Kritikpunkte sind berechtigt.»
Die Schweiz verlässt sich bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf die Risikobewertungen der EU. Die EU erlaubt es den Pestizid-Herstellern, die Rohdaten ihrer Tierversuche auf PDF-Dateien einzureichen: «Es geht um 4000 bs 5000 Seiten mit Zahlenkolonnen, die für uns nicht auswertbar sind», sagt Jürg Zarn.
Im Namen von Pestizidherstellern meinte die Lobby-Organisation «Scienceindustries» gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Unsere Erfahrung ist, dass die europäischen Behörden diese statistischen Verfahren sehr kritisch prüfen.»
Es geht um die langfristigen Folgen, wenn bestimmte Pestizide verbreitet verwendet werden. «Seit Jahren steigt beispielsweise insbesondere die Brust- und Darmkrebsrate bei Jungen an — als mögliche Ursache werden Chemikalien in der Umwelt diskutiert», schreibt TA-Wissenschaftsredaktor Felix Straumann. Er erwähnt auch die schlechte Spermienqualität bei jungen Männern.
Ausserhalb von Tamedia kein Thema
Während fast alle Tamedia-Zeitungen die brisanten Aussagen im «Tages-Anzeiger» übernahmen und ihre Leserschaft informierten, waren sie weder für die Depeschenagentur noch für die NZZ noch für die CH-Media-Zeitungen oder SRF eine Meldung wert (gemäss Schweizerische Mediendatenbank).
Wäre die Nachricht über einen ausländischen Nachrichtenticker gelaufen, hätten wahrscheinlich fast alle Medien darüber berichtet. Doch hindert sie offensichtlich ein falsch verstandener Konkurrenzkampf, andere Medien im eigenen Teich zu zitieren.
Umgekehrt sind es die Tamedia-Zeitungen, die nur selten die Primeurs ihrer Konkurrenz aufnehmen. Auch die Zeitschriften «Beobachter», «K-Tipp», «Saldo» oder auch etliche Magazine im Fernsehen bringen mit eigenen Recherchen immer wieder brisante Tatsachen ans Licht. Doch über diese berichten andere Medien nur selten.
Was an Pressekonferenzen oder in Medienmitteilungen erzählt wird, verbreiten alle regelmässig und häufig. Doch Schweizer Konkurrenzmedien werden als Quelle häufig ignoriert oder boykottiert. Das ist unprofessionell. Journalistinnen und Journalisten könnten die Arbeit der anderen anerkennen, statt in einem kleinlichen Futterneid der Leserschaft wichtige News vorzuenthalten. Die Allermeisten lesen ihr Leibblatt, aber selten dessen Konkurrrenzzeitungen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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