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Grosses Spektakel um die US-Präsidentschaftswahlen. © Kristen Price / FreeImages

Live-Medien verschwenden bloss unsere Zeit

Rainer Stadler /  Während der US-Wahlen verschickten die Redaktionen pausenlos News. Was für ein sinnloser Aktivismus.

Die Nachrichten-Apparate liefen seit dem Wahltag in den USA wieder heiss. Natürlich auch hierzulande. Pausenlos wurden wir darüber unterrichtet, welcher Präsidentschaftskandidat in welchem Bundesstaat gerade die Nase vorn hatte. Aufwendig gestaltete Grafiken machten den neusten Pegelstand augenfällig. Journalisten und Experten schlugen sich die Nacht um die Ohren, um die Daten und Trends zu bewerten und zu kommentieren.

Zahlenwirrwarr

Manchmal mit einem paradoxen Effekt. Auf den Websites der Medienorgane fand man Informationen, die ein paar Zentimeter weiter unten in einem anderen Artikel wieder relativiert wurden, weil letzterer ein paar Stunden früher publiziert worden war. Die Jäger nach der aktuellsten Aktualität bissen sich in den eigenen Schwanz. Der dauernde Nachrichtenfluss erlaubt kaum noch eine saubere Ordnung des Geschehens. Neugierige, die auf dem Laufenden bleiben wollten, lasen überdies widersprüchliche Zahlen. Denn die Redaktionen stützten sich hierzulande auf unterschiedliche US-Organe und präsentierten entsprechend andere Zwischenresultate. Die Kundschaft war mit einem ziemlichen Wirrwarr konfrontiert. Klar schien nur eines: Es würde dauern, bis die Berichterstatter einen Sieger ausrufen durften.

Zweifellos erwarten wir von tagesaktuellen Medien, dass sie uns möglichst schnell über den neusten Stand der Dinge unterrichten. Solange die Behörden jedoch noch am Auszählen sind und keine harten Datentrends auszumachen sind, erinnern die News-Apparate an Käfer, die auf dem Rücken liegen und deren Beine hilflos strampeln.

Es ist ein wiederkehrendes Ritual bei Wahlen und Abstimmungen. Das Wichtige ist in deren Vorfeld längst seziert und durchgekaut worden. Die Berichterstatter haben nichts Neues zu sagen, müssen jedoch die Sendezeit füllen oder laufend neues Material herbeischaffen, das Klicks erzeugt.

Live-News zur Unterhaltung

Ressourcenschonende Zeitgenossen werden mit gutem Grund die Ticker ausschalten oder höchstens die auf den Bildschirm gelangenden Push-Meldungen mit einem Auge streifen. Für die grosse Mehrheit der Menschheit spielt es ohnehin keine Rolle, ob sie den Ausruf eines Siegers eine halbe Stunde früher oder später erfährt.

Die Phase davor mag für Liebhaber des Nervenkitzels attraktiv sein. Diese Lust unterscheidet sich jedoch nicht von jener des Zuschauers eines Pferderennens oder eines Elfmeterschiessens. Live-Information erinnert entsprechend mehr ans Unterhaltungsgeschäft als an die Versorgung mit Notwendigem.

Man kann das marktwirtschaftlich betrachten und feststellen: Solange die heiss gestrickten News genutzt werden, bedienen die Lieferanten eine Nachfrage. In publizistischer Hinsicht gleicht die Live-Berichterstattung jedoch einer etwas speziellen Art, dem Publikum dabei zu helfen, die Zeit totzuschlagen.

Unprofessionelle Gefühlsausbrüche

Nachrichten haben den Anspruch, Informationen politisch möglichst neutral zu vermitteln. In den Live-Berichten über die Präsidentenwahl schimmerte jedoch öfters die Hoffnung der Redaktionen durch, der demokratische Kandidat möge das Rennen gewinnen. Richtig manifest wurde dies am Freitag, nachdem der Sieger ausgerufen worden war. Ein Seufzer der Erleichterung war in den Medienarenen unüberhörbar. Ein CNN-Moderator weinte vor Glück. Ein Korrespondent der «Zeit» notierte auf Facebook: «Egal, was war, egal, was kommt, heute einfach nur feiern!!!». Und ein «Spiegel»-Korrespondent schrieb: «Es ist nicht alles gut, aber: Fuck yeah, sie haben das Arschloch abgewählt!»

Derlei Äusserungen stärken beim kritischen Publikum nicht den Eindruck, es werde von einer Berufsgruppe informiert, die über den politischen Grabenkämpfen stehe. Einschätzungen und Kommentare gehören zum Geschäft der politischen Journalisten. Das sollten diese allerdings mit Fakten und Argumenten tun. Gefühlsausbrüche beschädigen ihr Image, beleidigende Worte umso mehr. Der BBC-Generaldirektor hat jüngst seinem Personal verordnet, von persönlichen Meinungen nicht zuletzt auf sozialen Netzwerken abzusehen. Angestellte von privaten Medien können sich zwar freier bewegen. Jauchzer und Flüche zählen indessen nicht zum Repertoire von professionellen Informationsvermittlern.

Fokus auf US-Wahl lässt Rest der Welt vergessen

ras. Wenn in den USA ein Präsident gewählt wird, scheint der Rest der Welt stillzustehen. Das Ereignis prägt seit Tagen alle Schlagzeilen und Artikel. Andere wichtige Themen sind in den Medienangeboten höchstens am Rande zu finden. Nicht zuletzt erhält der militärische Konflikt um Berg-Karabach kaum noch Beachtung. Auch die heikle Lage in Äthiopien oder die Situation in Honkong, in der Ukraine, im Iran und in Saudi-Arabien sind für die Redaktionen nicht mehr die Rede wert. Solche Total-Ereignisse sind für Machthaber eine gute Gelegenheit, unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit unangenehme Tatsachen durchzusetzen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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7 Meinungen

  • am 9.11.2020 um 12:11 Uhr
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    Jedes Schreiben ist subjektiv. Eine Auswahl der Realität. Ein Stück Wahrheit. Hoffentlich. Wichtig dabei ist, zu wissen, in welchem Umfeld der Text produziert wird und was er bewirken soll. Und der Leser muss sich auskennen in der Landschaft der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft, damit er eben das Gelesene einordnen kann. Dann wird der Jauchzer zur Abwahl Trumps zur Pointe der Sendung, ohne dass der Journalist an Glaubwürdigkeit verliert. Zu den Medien gehören gebildete Konsumenten. Politisch versierte Leserinnen, die Mächte auseinander zu definieren imstande sind. Also Lehrer in den Oberstufen der Volksschule, der Gymnasien, der Berufsschulen werdet erst selber bewusste Politikverbraucher und gebt weiter an eure Schülerinnen den sinnvollen Gebrauch der Medien, das Verstehen des Geschwätzes der Politikerinnen und das richtige Hören beim Säuseln der Welt des Konsums.

  • am 9.11.2020 um 13:08 Uhr
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    Wie recht Sie haben, es war und ist wirklich annoying. Ich glaube tatsächlich es fehlt an gutem Journalismus weil das Publikum eben gerade diese seichte Berieselung sucht? Medien messen Einschaltquoten und Leserzahlen und sind sicher so geschäftstüchtig, dass sie sich danach richten. Offenbar sucht nur eine Minderheit gute Recherchen. Es ist wie Aktionen im Supermarkt, alle diskutieren über diesen Unsinn und trotzdem greifen die meisten zu.

  • am 9.11.2020 um 14:38 Uhr
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    Ich mag es nicht mehr hören: die US-Wahlen und Corona. Das man Sondersendungen schiebt, bei der Wahl des US-Präsidenten ist übertrieben. Und auch mein Eindruck war bei der Berichterstattung war: alles, nur nicht Trump. Von einer unternommenen Berichterstattung war man meilenweit entfernt. Die USA ist zwar ein wichtiges Land, wie China und Russland auch. Dennoch fand ich die Berichterstattung übertrieben.

  • am 9.11.2020 um 14:39 Uhr
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    Ja, die Journalisten haben sich die letzten 4 Jahre nie zurückgehalten, wenn es darum ging, Trump zu verhöhnen und schlecht dastehen zu lassen. Die gleichen Journalisten haben aber wohl geschlafen, als der Software generierte Wahlbetrug durch Scoreboard bei CNN so schön zu sehen war. Zwar ging es da «nur» um einen Senator, aber wie schön zu sehen, dass der republikanische Senator plötzlich weniger Stimmen, der demokratische aber entsprechend mehr Stimmen auf dem Konto hatte, der Nachrichtenticker aber noch nicht updated war und so die Fälschung direkt sichtbar wurde. Wie üblich, kein Kommentar in den Mainstream Medien.

  • am 10.11.2020 um 13:41 Uhr
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    Wenn man bedenkt, dass es dabei um nicht mehr als Hans wie Heiri, respektive Donald wie Joe, ging, nur eben dass der Erste ein Rabauke ist und der Zweite die selbe Politik im Papaton begleiten wird.
    Wie ging noch diese Karrikatur, auf die kürzlich am Radion hingewiesen wurde? Zwei Araber sitzen während der Stimmauszählung vor dem Fernseher und fragen sich wer von den beiden Kontrahenten sie wohl in Zukunft bombardieren wird.

  • am 11.11.2020 um 17:56 Uhr
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    Mit der gleichen Begründung liesse sich auch die Live-Sportberichterstattung verhöhnen, auch sie ist immer nur eine Momentaufnahme – und trotz Überlegenheit einer Fussballmannschaft kann beispielsweise die andere noch einen Penalty zugesprochen erhalten und gewinnen. Soll ich deshalb den Match nicht schauen? Absurd! Und der als Moderator bezeichnete weinende Van Jones war dort als Polit-Kommentator (wie die anderen Panel-Teilnehmer in dieser Runde). Schauen Sie doch bitte die Sendungen genauer, bevor Sie jemanden oder eine Sendung oder gleich den ganzen Sender in die Pfanne hauen!

  • am 12.11.2020 um 11:30 Uhr
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    @Ruckstuhl: Sie schreiben: «Ich mag es nicht mehr hören: die US-Wahlen und Corona."

    Doch, Sie möchten offensichtlich diesen Schmarren hören, sonst hätten Sie es nicht gemacht. Dass Sie es gemacht haben, geht aus Ihren weiteren Ausführungen hervor.

    Und weil es nicht nur Sie, sondern Millionen von Menschen – die Mehrheit – so halten, also ihre Finger nicht davon ablassen können, haben wir genau das, diese Massenmedien, die fortwährend diesen «erregenden» Schmarren auftischen (und damit ihre Werbung bei Ihnen unterbringen).

    Martin Schoch bringt es in seinem Kommentar auf den Punkt: »… weil das Publikum eben gerade diese seichte Berieselung sucht? Medien messen Einschaltquoten und Leserzahlen und sind sicher so geschäftstüchtig, dass sie sich danach richten. Offenbar sucht nur eine Minderheit gute Recherchen. Es ist wie Aktionen im Supermarkt, alle diskutieren über diesen Unsinn und trotzdem greifen die meisten zu."

    Alles klar?

    Wir sollten oder können nun nur noch darüber «philosophieren», was war zuerst: das Huhn oder das Ei – unsere schlechte Essgewohnheiten oder das überall sich uns aufdrängende Junk Food-Angebot? [sprich: unsere schlechten Gewohnheiten betreffend dem – vermeintlichen – «Uns-Informiert-Halten» versus die Abfertigung mit Junk-Information durch die grossen Medienunternehmen]

    Ich denke, es ist eine «nette» Wechselwirkung bzw. ein gegenseitiges Sich-etwas-Vormachen (-Einlullen), aus dem keiner – u.a. aus Bequemlichkeit – mehr raus will.

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