Koranverbrennung wurde nicht von Koalitionspartei organisiert
Am vergangenen Samstag verbrannte der dänisch-schwedische Rechtsagitator Rasmus Paludan vor der türkischen Botschaft in Stockholm einen Koran. Die Aktion verschärfte die Spannungen zwischen Schweden und der Türkei und hatte Einfluss auf die NATO-Beitritte Schwedens und Finnlands. Bereits nach Ankündigung der Proteste sagte die Türkei einen geplanten Besuch des schwedischen Verteidigungsministers ab. Und gestern gab Finnlands Aussenminister Pekka Haavisto erstmals bekannt, dass das Land sich auch einen NATO-Beitritt ohne Schweden vorstellen könne.
Die Koranverbrennung war indes eine bewusst inszenierte Provokation. Die Tamedia-Zeitungen berichteten gar von einer wilden politischen Sabotage. Demnach hätten die Schwedendemokraten, welche selber Teil der Regierungskoalition sind, Paludan sowohl Demonstrationsgebühren, als auch die Kosten für seinen Flug von Kopenhagen nach Stockholm bezahlt. Für diese Angaben werden jedoch keine Quellen genannt. Kurios: Noch am Tag zuvor schrieb derselbe Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, dessen Artikel die Tamedia-Zeitungen (und auch die Freiburger Nachrichten) übernehmen, zurückhaltender. Da hiess es, die Finanzierung des Auftritts stamme «aus dem Umfeld der Schwedendemokraten».
Schwedendemokraten nicht direkt involviert
Die Geschichte hinter der Koranverbrennung stammt jedenfalls aus dem nicht-gewinnorientierten Online-Magazin «Syre», das gemäss eigenen Angaben die Welt verändern und eine freie, demokratische, solidarische und nachhaltige Gesellschaft will. Das Magazin gibt an, der rechte schwedische Online-Publizist Chang Frick habe Rasmus Paludan, der anscheinend ein «armer Tropf» sein soll, das Geld für die Demonstrationsbewilligung bezahlt. Frick betreibt das rechte Online-Medium «Nyheter idag» und verantwortet auf dem Medienportal der Schwedendemokraten ein regelmässiges Programm. Doch dafür, dass die Partei direkt in die Organisation der Provokation involviert war, fehlen jegliche Anzeichen.
Paludan hatte vorgängig erklärt, er sei von ein paar Schweden kontaktiert worden, die es gerne hätten, wenn er vor der türkischen Botschaft einen Koran verbrenne. Gemäss Frick wurde er selber von Reportern der rechtsextremen Seite «Insikt24/Exakt24» kontaktiert. Diese befänden sich in einem Konflikt mit der kurdischen Gruppe, welche den Puppenprotest durchgeführt hätte (Infosperber berichtete). Demnach hätten sie eine Koranverbrennung organisieren, aber nicht die Verantwortung dafür übernehmen wollen. Ein Reporter bei «Insikt24/Exakt24» wiederum sagt, die Initiative sei von Frick ausgegangen.
Unbestritten ist, dass beide ein eigenes finanzielles Interesse an der Aktion hatten, was direkt nichts mit der Partei der Schwedendemokraten zu tun hat. Frick gab an, er wolle Paludan vom Flughafen abholen, damit er ihn vorgängig interviewen könne. Der Reporter bei «Insikt24/Exakt24» gab zu, dass er selbstverständlich die Verbrennung vor Ort filmen würde, wenn er vorgängig davon wisse.
Neue rechte Onlinemedien
In jedem Fall wirft die Aktion ein Schlaglicht auf die Veränderung der schwedischen Medienlandschaft, welche den Aufstieg der Schwedendemokraten zur wählerstärksten Partei begleitet hat. Gerade online sind in den letzten zehn Jahren zahlreiche neue rechte Nischenmedien entstanden. Forschende der Verteidigungsdepartements kamen bereits 2017 zum Schluss: «Im Umfang, in welchem die neuen Medien die Grenzen der Meinungsäusserungsfreiheit dehnen und die alternativen Betrachtungswinkel aktueller Geschehnisse in Hass und Kränkungen übergehen, werden andere wichtige demokratische Werte bedroht. Wir riskieren hier in Karl Poppers Toleranzparadox zu landen. Will heissen: Eine Gesellschaft, die gerade weil sie vollständig tolerant gegenüber unterschiedlichen Ansichten ist, sich durch ihre Toleranz letztendlich selbst untergräbt.»
Chang Fricks Website spielt in dieser Entwicklung eine wichtige Rolle. Er selber sagt, er sei unabhängig von einer politischen Partei, obschon er Wurzeln bei den Schwedendemokraten hat und Präsident einer lokalen Sektion in Stockholm war. In einem grossen Portrait wurde er nicht als politisch motivierter Propagandist beschrieben. Sondern eher als gewiefter, aufmerksamkeitsinteressierter Unternehmer beschrieben, der verstanden hat, dass er mit rechtem Content gutes Geld verdienen kann. «Nyheter Idag» lebt neben Aboeinnahmen anscheinend in erster Linie von Online-Anzeigen, die er via Googles Online-Werbeinfrastruktur verkauft (Infosperber hat darüber berichtet).
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Im 18. Jhdt. waren nach heutigen Maßstäben geradezu grotesk beleidigende, sexualisierte Karrikaturen im Kampf der Aufklärung gegen die katholische Kirche üblich. Während der Reformation hielt nicht nur Luther herabwürdigende, entstellende Schmähreden gegen Papst und römische Kurie. Während Bismarcks «Kulturkampf» wurde die Kirche auch nicht mit Samthandschuhe angefasst. Der Habsburger Josef II. dämmte mit eiserner Hand den Einfluss der katholischen Kirche in Österreich ein. All das hat weder die Gläubigkeit noch die Religion zerstört, aber ihren Einfluss auf den Staat zurückgedrängt. Die Koranverbrennung mag eine geplante, provokante Aktion von Rechtsextremen gewesen sein, ist aber in einem säkulärem Rechtsstaat natürlich zulässig und durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Diese Meinungsfreiheit gibt es nur, weil man den Religionen die Flügel gestutzt hat.
Diese deftigen Proteste führten aber auch immer wieder zu kriegerischen Handlungen. Wollen wir wirklich im Namen der Meinungsfreiheit rechtsextremen Provokateuren in eine bewaffnete Auseinandersetzung folgen ? Zudem es hier ja nicht so sehr um Religion geht, das eigentliche Thema ist ganz klar Fremdenhass.
Laut offizieller Lesart unterstützen die Schwedendemokraten die Koalition ohne selbst dazuzugehören. Ausserdem ist es eigentlich egal, ob sie nun direkt mit diieser Koranverbrennung zu tun haben oder bloss indirekt über Strohmänner. Rechtsextreme und Rechtspopulisten, die im Parlament oder einer Regierung sitzen schauen halt jeweils, dass sie nicht direkt mit illegalen Aktionen in Verbindung gebracht werden können, auch wenn sie im Hintergrund über Mittelsmänner sehr wohl aktiv beteiligt sind.. Siehe Trump mit seinen diversen Verbindungen zu Russland.
Der Akte einer Koran-, Bibel- oder Bücher-Verbrennung sagt nur über den Täter etwas aus. Man kann das Papier verbrennen, aber nicht den Inhalt. Es gibt also keinen Grund zur Aufregung, ausser man sucht die Konfrontation mit Täter.
Wenn die ganze Aktion dazu dienen sollte, einen Beitritt Schwedens zur NATO zu verhindern, würde ich dies nur begrüssen. Denn ob das liberale und neutrale Land im Norden Europas zu einer kriegstreibenden und antidemokratischen Organisation von USAs Gnaden passt, die auch der Diktatur am Bosporus hofiert, möchte ich bezweifeln.