Kommentar
kontertext: Wie sind Zeitungen heute im Bild?
Bilder haben einen besonderen Stellenwert in Zeitungen und Zeitschriften. Sie gehören zum Text und zur Information; Illustration und Text bilden gestalterisch eine Gesamtschau. Das ist auch im Zeitalter der sozialen Medien so und macht das Zeitungslesen zu einem besonderen sinnlichen Erlebnis.
Doch vorbei sind die Zeiten der grossen Fotoreportagen. Die eindringlichen Bilder, die um die Welt gehen, sind seltener geworden. Bilder in Zeitungen und Zeitschriften präsentieren sich heute anders. Sie sind einseitiger geworden. Es überwiegen vor allem die Darstellungen von bekannten Persönlichkeiten, als Folge einer immer stärker personifizierten Berichterstattung. Zu jeder Verlautbarung einer Politikerin oder eines Politikers ein Bild. Trump beinahe jeden Tag. Als Varianten mehr oder weniger sympathische oder unsympathische Konterfeis von schon bekannten Personen und Akteuren. Entsprechend schmeichelnde oder vernichtende Perspektiven werden ausgewählt – als versteckte Kommentare.
Selbstinszenierungen und Public Relation
Die Selbstinszenierungen oder Inszenierungen von Personen grenzen nicht selten an PR, wie zum Beispiel jene Fotomontage auf der Wirtschaftsseite von Le Temps, das den Manager einer Uhrenfirma mit einem Uhrzeigerbild aus einer Ausstellung zum modebewussten, erfolgreichen Geschäftsmann stilisiert. Ins Bild integriert sind zudem zwei Kästchen, die die Zahlen seiner Angestellten und die Anzahl der Betriebe angeben. Es ist die einzige gross aufgemachte Illustration im redaktionellen Teil der Zeitung, sie begleitet ein ganzseitiges Interview.
Inszenierung ist oft das neue Merkmal von Bildern. Soweit dies offensichtlich und auch vom Betrachter durchschaubar ist, kann es witzig sein. Manchmal sind die Grenzen solcher Inszenierungen aber verwischt, was zu einem Problem der Redlichkeit wird.
Andererseits können Bilder die Aussage eines Beitrages auf den Punkt bringen. Ein eindrückliches Beispiel war eine Illustration in der WOZ zu einem Artikel über ein umstrittenes touristisches Projekt auf der Rigi. Im Vordergrund des Bildes ist ein Teller mit ein paar angeknabberten Pommes-Frites und Ketchup-Flecken auf einem Tischset zu sehen. Den Hintergrund des Fotos bildet das Tischset, auf dem die imposante Landschaft mit seiner grossartigen Aussicht abgebildet ist.
(Foto: Florian Bachmann, WOZ)
Die Aussage: Mit immer grösseren Investitionen in den Tourismus verkommt die Landschaft zu Fast-Food. Die zuständige Bildredaktorin Beatrice Geistlich äussert sich dazu wie folgt: Für die Bebilderung muss man sich genügend Zeit nehmen. Wir setzen uns mit den Autoren eines Beitrags zusammen und beraten, wie wir zu intelligenten Illustrationen kommen. Beim Rigi-Beitrag, der über ein touristisches Mammut-Projekt berichtete, erinnerte sich plötzlich jemand an das Reklame-Tischset in einem dortigen Restaurant. Der Zusammenhang war rasch hergerstellt.
Zur Bildauswahl oder zur Bildgestaltung braucht es Fachleute, die das gestalterische Können haben – und es braucht Zeit.
Das ist in den finanziell angespannten Zeiten – vor allem bei den Printmedien – eine grosse Herausforderung. Man muss sparen. Soll man am Bild sparen? An der Zeit? Es ist klar, dass Wochenblätter etwas mehr Spielraum haben, wenn sie ihn nutzen wollen. In der Tagespresse wird oft gerade an den MitarbeiterInnen und den FotografInnen gespart. Man bedient sich im digitalen Zeitalter an der immer grösser werdenden Auswahl der Bilder im Internet. Darunter sind auch viele Gratisbilder oder Amateurfotos. Die Sportredaktionen greifen gerne auf die von den Vereinen zur Verfügung gestellten Bilder zurück. Bei spektakulären Ereignissen sind ebenso oft Hobbyfotografen zur Stelle.
Das Medienmagazin Edito (4/18) kommt in einem Artikel über Bildqualität aber zum Schluss, es seien weniger die Leserfotos, die auf die Löhne der Berufsfotografen drückten, sondern vielmehr die zur Verfügung gestellten PR-Fotos, auf die die Redaktionen aus Spargründen gerne zückgriffen. Beinahe unnötig zu sagen, dass das dem Geist eines unabhängigen Journalismus widerspricht.
Sind Bilder im Netz gratis?
Über die Auswirkungen auf den Berufsalltag von Fotografen und Bildgestalterinnen unterhielt ich mich mit dem Pressefotografen Claude Giger, der sich weitgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hat. Nach seinen Erfahrungen veränderte sich der Alltag der Pressefotografen drastisch, als um die Jahrtausendwende die Digitalisierung in den Printmedien Einzug hielt. Die Auswirkungen waren vor allem für die Fotografie einschneidend. Zwar vereinfachten sich die Arbeitsabläufe, die Wege wurden verkürzt, man konnte Zeit einsparen – jedoch war eine forcierte Konkurrenz die Folge. Die Verhältnisse wurden unübersichtlich, die Rechte wurden zum Teil nicht mehr respektiert. Redaktionen bedienten sich ausgiebig im Internet, was die Annahme förderte, veröffentlichte Bilder seien gratis; für die Berufsleute wurde es viel schwieriger, ihre Rechte einzufordern. Grosse Zeitungen halten sich meistens an die rechtlichen Vorgaben, aber sie bestimmen den Preis.
Doch auch die Bildredaktionen sind oft stark geschrumpft, in kleineren Redaktionen gibt es gar keine Bildredaktion mehr oder sie wurde mit andern Zeitungen zusammengelegt wie beim Tagesanzeiger und seinen angegliederten Zeitungen, etwa dem Bund.
Mit den neuen digitalen Möglichkeiten ist auch die Gefahr gestiegen, dass Bilder gefälscht werden. Es gab schon immer gefälschte oder getrickste Bilder, aber früher war das hartes Handwerk, heute sind die Manipulationsmöglichkeiten viel einfacher und auch schlechter zu erkennen. Heute werden solche Montagen oft mit dem Zweck gemacht, die Wirklichkeit zu verfälschen. Auch das gehört zu den neueren und manchmal aufwändigen Aufgaben von Bildredaktorinnen und Zeitungsgestaltern, solche Fälschungen erkennen zu müssen. Vielleicht entwickelte sich auch aus diesem Grund eine neue Art der assoziativen Illustration aus dem Reich der Fantasie. Jedenfalls treffen wir diese Methode heute häufiger an, vor allem in kleineren Wochenblättern. Sie war ein beliebtes Experimentierfeld der kürzlich eingestellten TagesWoche. Als Beispiel sei die Illustrierung eines Beitrags zum Thema Veganismus angeführt, der für Magersüchtige eine Versuchung sein kann, ihre Krankheit zu verbergen. Ein heikles Thema. Doch mit Illustrationen, die eine mit Gemüse bedeckte Puppe zeigen, konnte das Thema mit leichter Hand und ohne Diskriminierung erhellt werden.
(Foto: Hans-Jörg Walter)
Es geht nicht um blosse Bebilderung, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Inhalt, die eine weitere Dimension des Themas eröffnen kann. Die TagesWoche hat auf dem Gebiet der Gestaltung viel Neues ausprobiert. Bemerkenswert auch ihre regelmässig erschienene Doppelseite mit Bildern aus aller Welt, die immer eigenständige Informationen enthielten. Leider hat die Zeitung nicht überlebt. Hans-Jörg Walter richtet in seinem Abschiedsbeitrag in der letzten Nummer (39/18), den sinnigen Appell an andere BildredaktorInnen, dem Spardruck nicht nachzugeben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Die Journalistin und Autorin Linda Stibler war über 40 Jahre in verschiedenen Medien tätig, unter anderem in der damaligen National-Zeitung, in der Basler AZ und bei Radio DRS (heute SRF).
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Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe Autorinnen und Autoren über Medien und Politik. Sie greift Beiträge aus Medien auf und widerspricht aus politischen, journalistischen, inhaltlichen oder sprachlichen Gründen. Zur Gruppe gehören u.a. Bernhard Bonjour, Rudolf Bussmann (Redaktion, Koordination), Silvia Henke, Mathias Knauer, Guy Krneta, Alfred Schlienger, Felix Schneider, Linda Stibler, Ariane Tanner, Heini Vogler, Rudolf Walther, Matthias Zehnder.
Hallo, Frau Stibler
Gebe Ihnen recht. Aber vor dem Bild kommt das (die) Wort. Wenn so ganze Seiten von
Zeitungen im Grossformat einfach vollgeschrieben sind, ohne Absatz, ohne Zwischen-
titel in grösseren Buchstaben, so ist das mühsam zu lesen. Und da muss man sich nicht wundern, wenn auch deswegen weniger Zeitungen gekauft werden.
Die Amerikaner bringen oft kurze Zwischen-Zusammenfassungen.
Aber vor dem Schreiben (sollte) kommt der Inhalt und die SPRACHE. Lesen Sie da
mal den Morgen-Newsletter am Bildschirm von NZZ am Morgen. Ich dachte bis jetzt
Züridütsch sei eine Art deutscher Sprache und die NZZ eine Schweizer Zeitung.
Was man da aber findet, ist eine äusserst schlechte Computerübersetzung aus dem
Englischen. Dabei scheinen dem Namen nach die Redaktoren und Redaktorinen aus
dem deutsprachigem Raum zu sein. Besonders eklig ist, dass unzählige Male das Wort «sterben» erscheint, ohne irgend einen Zusammenhang. Wäre es nicht sinnvoll.
wenn der Presserat oder Ähnliche der NZZ Sprachhilfe geben würde?
Die NZZ äussert sich nicht dazu – mir gegenüber.