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Wissenschaftsverlage geben jährlich Tausende von Büchern und Fachzeitschriften heraus. © mikdam / Depositphotos

Klage gegen grosse Wissenschaftsverlage

Martina Frei /  Die Vorwürfe: Sie knebeln Wissenschaftler und streichen Milliardengewinne ein – auf Kosten von Forschenden und Steuerzahlern.

Wissenschaftsverlage hätten Milliarden verdient, indem sie «den guten Willen und die harte Arbeit brillanter Wissenschaftler und der Steuerzahler ausnutzten». Das wirft der Anwalt einer Professorin der University of California sechs grossen Wissenschaftsverlagen vor. 

Im Namen der Professorin Lucina Uddin reichte er im September Klage gegen sechs grosse Verlage ein, berichtete die Nachrichtenagentur «Reuters» und zitierte ihren Anwalt. Er strebe eine Sammelklage im Namen von hunderttausenden Wissenschaftlern an. 

Die Vorwürfe: Die Wissenschaftsverlage «Elsevier», «Springer Nature», «John Wiley & Sons», «Sage Publications», «Taylor & Francis» sowie «Wolters Kluwer» würden erstens die Wissenschaftler ausnützen, die ihnen als Gutachter dienen, weil sie diese gratis für sich arbeiten lassen. Die Gutachter prüfen eingereichte Forschungsarbeiten, machen Verbesserungsvorschläge und geben dem Verlag eine Empfehlung, ob die Manuskripte veröffentlicht werden sollen oder nicht. 

Hohe Gewinnmargen

Diese Verlage hätten laut der Anklageschrift allein im Jahr 2023 über zehn Milliarden US-Dollar Gewinne eingestrichen. «Elsevier» zum Beispiel, Herausgeber von über 2700 Fachzeitschriften, erzielte in den letzten 20 Jahren Gewinnmargen von 31 bis 38 Prozent.

Uddin zufolge werde es immer schwieriger, Wissenschaftler für diese Gratisarbeit zu gewinnen. Manche Manuskripte würden Monate oder gar Jahre darauf warten, endlich begutachtet zu werden. 

Zweitens würden die Verlage es nicht zulassen, dass Wissenschaftler ihre Manuskripte gleichzeitig bei mehreren Verlagen zur Publikation einreichen. Laut der klageführenden Professorin hätten sich die Verlage abgesprochen, sie hält dies für illegal. Es vermindere den Konkurrenzdruck unter den Verlagen und verzögere die Publikation. 

Drittens würden es die Verlage den Wissenschaftlern untersagen, dass sie neue Erkenntnisse mit anderen teilen, solange ihr Manuskript noch begutachtet werde. «Wissenschaftler müssen die geistigen Eigentumsrechte an ihrer Arbeit oft für nichts abtreten», zitiert Reuters aus der Klageschrift, die «Wiley» als «unbegründet» erachtete. Die anderen Verlage äusserten sich zunächst nicht dazu. 

Ein Mediensprecher des Verlags «Springer Nature» weist gegenüber Infosperber darauf hin, dass die Klage bisher von einer einzelnen Wissenschaftlerin betrieben werde. «Wir haben vollstes Vertrauen in die Leistungen, die Springer Nature seit über 180 Jahren für die Forschungsgemeinschaft erbringt. Sollten sich rechtliche Schritte ergeben, sind wir bereit, darauf mit Entschlossenheit zu reagieren.»

Wissenschaftler bezahlen immer öfter für die Veröffentlichung

In Fachzeitschriften können Artikel meist nur gegen Bezahlung gelesen werden. Den freien Zugang lassen sich die Verlage fürstlich bezahlen. Er sei für die Verlage zum Goldesel geworden, berichtete das Wissenschaftsmagazin «Science» letztes Jahr. Damit ein Artikel freigeschaltet wird, bezahlen die Autoren laut «Science» im Durchschnitt 2000 bis 3230 US-Dollar an den Verlag. Am oberen Ende der Gebührenskala würden die «Nature»-Zeitschriften mit Gebühren von über 10’000 US-Dollar rangieren.

Grafik open access payments
Forscherinnen und Forscher geben jedes Jahr mehr Geld dafür aus, dass die Verlage ihre Artikel oder Studienergebnisse frei zugänglich publizieren. Die Skala links beziffert die inflationsbereinigten Gebühreneinnahmen in Milliarden US-Dollar.

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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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