Israelische Angriffe im Libanon.Open Source Intel

Israelische Angriffe in der Nähe von Beirut im Süden des Libanons © Open Source Intel

Das Propagandawort «Operationen» hat in Medien nichts verloren

Urs P. Gasche /  Der Begriff «Operation» soll von Gewalt ablenken und verschleiert das Kriegsgrauen. Es ist ein Lieblingsbegriff der Angreifer.

Militärische Angriffe können gegen das Völkerrecht verstossen oder sie können der legitimen Verteidigung dienen. In beiden Fällen bleiben es Angriffe, die enormes Leid verursachen. 

Medien, die sonst gerne Klartext reden, sollten nicht den Militärjargon «Operationen» übernehmen. Es handelt sich um Bombardierungen, Drohnenangriffe oder Invasionen und Besetzungen.

Im Fall von Israel ist es umstritten, ob die militärische Antwort auf den Terrorakt vom 7. Oktober 2023 noch eine verhältnismässige und völkerrechtskonforme Verteidigung ist. 

Allein mit der Wortwahl können Medien subtil Stellung beziehen und die öffentliche Meinung gezielt beeinflussen. 

Das Wort «Operation» klingt weniger bedrohlich oder brutal als die Bezeichnungen «Angriff» oder «Invasion». Das Wort «Operation» legt den Fokus auf die organisatorische und technische Seite eines militärischen Einsatzes, ohne die menschlichen Opfer, Zerstörung oder Gewalt direkt anzusprechen. Regierungen sprechen gerne von «Operationen», um den Einsatz als notwendig, zielgerichtet oder legitim zu präsentieren, selbst wenn es sich in Wirklichkeit um einen massiven Angriff handelt.

Der völkerrechtswidrige israelische Angriff auf ein Gebäude in Teheran und die Ermordung des Hamas-Chefs Ismail Hanija Ende Juli gibt dem Iran das Recht, sich gegen solche Angriffe zu wehren. Erst am 1. Oktober, nach dem Einmarsch Israels in den Libanon, griff der Iran Israel mit Raketen an. Ob der Angriff völkerrechtlich verhältnismässig und deshalb legitim war, müssen Völkerrechtler beurteilen.

Jedenfalls titelte die NZZ am 2. Oktober korrekt: «Iran greift Israel mit Raketen an».

NZZ 2.10.2024
Schlagzeile auf der NZZ-Frontseite vom 2. Oktober 2024

Als jedoch im vergangenen Mai Israel in Rafah im südlichen Gazastreifen einmarschierte und die Stadt bombardierte, titelte die gleiche NZZ: «Israels Rafah-Offensive…». Der Begriff «Offensive» kommt bei den Lesenden emotional positiv an. Im Untertitel war von «Militäroperationen» im Gazastreifen die Rede:

NZZ 16. Mai 2024
Schlagzeile in der NZZ vom 16. Mai 2024

Statistik der Begriffe auf der NZZ-Titelseite vom 2. Oktober 2024

Die NZZ informierte auf der Titelseite über den Raketenangriff des Irans und den Angriff Israels auf den Libanon. Bereits im Lead war die Wortwahl unterschiedlich: Der Iran führte einen «massiven Angriff» aus, während Israels Bodentruppen zuvor in den Libanon «eingedrungen» seien.

[Die Tamedia-Zeitungen benutzte die identische Wortwahl und titelten: «Der Iran greift Israel an…nachdem Israels Armee in den Libanon eingedrungen war.»]

In den langen vier Spalten hat die NZZ wenige Male auch von einem israelischen «Angriff» geschrieben. Aber insgesamt war die Wortwahl sehr einseitig:

Begriffe im Frontartikel der NZZ vom 2. Oktober

Über den Iran         Zahl Erwähnungen
«Angriff» oder «Angriffswelle»10
Andere BegriffeKeine
Über Israel   Zahl Erwähnungen
«Angriff»6
«Bodenoffensive»2
«Operation» oder «Bodenoperation»4
«Aktion», «Manöver», «Vorstösse»
«Kampagne» oder «eingedrungen»      
7

Für andere Medien könnte man ähnliche Statistiken erstellen. Die Tamedia-Zeitungen beispielsweise titelten am 29. August: 

«Israels Armee beginnt Grosseinsatz». 

Mit solchen Begriffen und dem Begriff «Operation» statt «Angriff» informieren viele kommerzielle private Medien. Aber sogar die öffentlich-rechtliche SRF-Tagesschau, von der eine besonders sachliche Wortwahl erwartet werden darf, redet zuweilen von «Operationen».


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4 Meinungen

  • am 3.10.2024 um 11:21 Uhr
    Permalink

    Alle Medien, welche solche Verschleierungsbegriffe benutzen, machen sich damit zu Komplizen der Kriegsführenden.

  • am 3.10.2024 um 19:06 Uhr
    Permalink

    Kein Land hat so viele militärische Operationen – sprich Kriege – durchgeführt weltweit wie die USA. Der Begriff «Operation» ist eine USA Schöpfung. Jede Kriegsoperation erhält einen Namen mit «operation».
    Militäroperationen der Vereinigten Staaten, sprich Kriegseinsätze auf fremdem Territorium:
    Nur ein paar Beispiele:
    Irak – Operation Wüstensturm
    Haiti – Operation Uphold Democracy
    Afghanistan – Operation Enduring Freedom
    Die Liste ist seit 1775 bis heute Qumran Rollen lang.

  • am 3.10.2024 um 20:02 Uhr
    Permalink

    «Im Fall von Israel ist es umstritten, ob die militärische Antwort auf den Terrorakt vom 7. Oktober 2023 noch eine verhältnismässige und völkerrechtskonforme Verteidigung ist. »

    Das ist noch gutmütig formuliert. Mehrere israelische Historiker sprechen längst von einem Genozid in Gaza, für den es nie eine Rechtfertigung geben kann, auch wenn er oft als Verteidigung dargestellt wird.

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