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Darius Rochebin: Langjähriger Starmoderator des Westschweizer Fernsehens. © srf

Bettgeschichten schaden den Medien

Rainer Stadler /  Erneut ist ein Fall von Machtmissbrauch in einem Medienhaus publik geworden. Das wirft grundsätzliche Fragen auf.

Erst jüngst meldeten hiesige Organe einen im Mediensektor seltenen Exporterfolg der Schweiz: Ein Aushängeschild der Westschweizer SRG, der «Tagesschau»-Moderator Darius Rochebin, hatte einen Job beim französischen Nachrichtensender LCI bekommen. Die frohe Botschaft hat sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt. LCI stellte den neuen Mitarbeiter auf Grund eines Artikels von «Le Temps» frei.

Gemäss dem Westschweizer Blatt soll Rochebin gegenüber Untergegebenen übergriffig geworden sein. Der Beschuldigte bestreitet dies. Sehr seltsam mutet allerdings an, dass Rochebin auf Facebook mit mehreren Identitäten unterwegs gewesen war – das ist auch ein Verstoss gegen die medienethischen Regeln. Der RTS-Direktor hat ihm diese Facebook-Burkas gemäss eigenen Angaben bereits im Jahr 2017 verboten. Doch Mitarbeiter von RTS werfen der Leitung vor, die Vorfälle nicht richtig untersucht zu haben. Nun will RTS eine externe Untersuchung einleiten.

Skandale im Mediensektor

Was auch immer die Untersuchung zutage fördern wird – die Vorwürfe erinnern an jüngste Skandale im Mediensektor, welche im Gefolge der Me-Too-Bewegung publik wurden. In den USA musste der Gründer von Fox News wegen sexueller Belästigungen den Sender verlassen, ebenso der konservative Starmoderator Bill O’Reilly. Der Filmproduzent Harvey Weinstein landete wegen Vergewaltigung im Gefängnis. Und in Grossbritannien konnte der erfolgreiche BBC-Moderator Jimmy Savile über Jahrzehnte ungestört Kinder missbrauchen. Die Verfügungsmacht über Auftritte vor der Kamera bzw. die dauernde Bildschirmpräsenz verlieh den Missetätern Macht und schirmte sie von Kritikern ab.

Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs sind für Unternehmen äusserst heikel, weil die jeweiligen Vorkommnisse schwer aufzuklären sind. Die zahlreichen Fälle, die nun publik wurden, legen den Schluss nahe, dass die Verantwortlichen in den betroffenen Betrieben oftmals die Vorwürfe zu wenig genau abgeklärt haben. Wenn es um Medienunternehmen geht, ist dieses Versagen umso peinlicher, weil Redaktionen gerne als öffentliche Hüter der Moral auftreten.

Machtmissbräuche

Journalisten haben zahlreiche Möglichkeiten, ihre Macht für private Interessen zu missbrauchen. Die Versuchung ist beispielsweise gross, wenn sie im Privatleben einen Konflikt mit einer Firma oder einer Institution haben und dabei offen oder verdeckt damit drohen, den Fall medial auszuschlachten.

Im Folgenden geht es aber um betriebsinterne Probleme mit bösen Folgen: um Bettgenossenschaften. Amor verschiesst seine Pfeile, wie man weiss, ziemlich willkürlich in alle Richtungen. Entsprechend häufig kommt es auch zu Paarbildungen innerhalb von Medienunternehmen.

Loyalitätskonflikte

Gefährlich wird es dann, wenn jemand eine Chefposition einnimmt und sein Liebes- oder Beziehungspartner derselben Belegschaft angehört. Der Chef gerät in Loyalitätskonflikte. Wird er im Fall von Konflikten seinen Partner von vorneherein stützen, um damit den Frieden im Bett zu bewahren, oder wird er seine berufliche Pflicht wahrnehmen und unparteiisch sowie sachgemäss entscheiden?

Überforderte Journalisten

Es ist eine unwürdige Situation, die manchen leitenden Journalisten charakterlich überfordert. Aus verschiedenen Betrieben ist zu hören, dass es hier zu groben Missbräuchen kommt. Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die einer derartigen Vetternwirtschaft ausgesetzt sind, geraten in eine unzumutbare Lage. Ein Konflikt mit der jeweiligen Kollegin oder dem jeweiligen Kollegen wird sogleich – offen oder verdeckt – zur Chefsache. Wer auf seiner Position beharrt, geht das Risiko ein, beim Chef zur persona non grata zu werden. Die Hoffnung, bei der Personalabteilung Hilfe zu bekommen, ist zumeist illusorisch, weil dann die Beziehung zum Vorgesetzten ohnehin ruiniert wäre. Also bleibt den Betroffenen nicht anderes übrig, als die Ungerechtigkeit zu erdulden und sich drangsalieren zu lassen – oder zu kündigen.

Solche Konstellationen sind für Unternehmen auf die Dauer unweigerlich schädlich. Sie beeinträchtigen das Arbeitsklima und mindern die betrieblichen Leistungen. Im Sinne der guten Unternehmensführung verbieten denn auch diverse Firmen Partnerschaften innerhalb von betrieblichen Befehlsketten. Im Mediensektor ist diese Regel indessen nicht etabliert. Ausgerechnet die Fackelträger der Aufklärung und der Transparenz unterliessen es bisher, saubere Verhältnisse zu schaffen. Wie peinlich.

Es braucht ein Verbot

Gerade für die vielen Medienbetriebe, die sich gerne ihrer Qualität rühmen, wäre es dringlich, dass sie ein Partnerverbot in ihren Leitlinien explizit festhalten. Die Regel ist zwar ungerecht gegenüber jenen Paaren, welche ihre Macht nicht missbrauchen. Aber das ist der Preis für die Verhinderung von Zuständen, die für alle Beteiligten unmöglich sind. Schlimm genug, dass eine solche Forderung im Jahr 2020 noch keine Selbstverständlichkeit darstellt. Besser, man handelt, bevor es zu spät ist. Die NZZ kommentierte den Fall Rochebin mit folgendem Titel: «Sie haben ihn machen lassen.» Bis es knallte.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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3 Meinungen

  • am 6.11.2020 um 13:32 Uhr
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    Danke dass Sie dieses wichtige Thema publizieren. Vetternwirtschaft war lange ein Kavaliersdelikt. Doch in Wirklichkeit ist es Korruption. In allen Vereinen, Religionen, Berufsgruppen, Familiendynastien und politischen Gruppierungen ist sie auch und besonders in der Schweiz an zu treffen. Aus solchen Verstrickungen und solchem Filz gehen die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit hervor. Niklaus Meienberg zerbrach innerlich daran. Korruption und sogar Menschenhandel sind derzeit die schlimmsten Fälle, mit welchen die Exekutiven verschiedener Kantone derzeit konfrontiert werden. Als ehemaliger Streetworker und Sozial-Autor liess ich kürzlich meine neue kostenlose und werbefreie Bucharbeit zu diesem Thema nach dem Lektorat noch von einem Psychotherapeuten supervisionieren. Das vollständig anonymisierte Buch zeigt die sich destruktiv auswirkenden Mechanismen von «Bettgeschichten» korruptiver Art in der Schweiz anhand von echten Beispielen auf. Sogar der erfahrene Supervisor war erschrocken, als er die Inhalte überprüfte, welcher 40 Jahre Erfahrungen in 3 Bänden verdichtet. Eine solche soziale Arbeit zu schaffen von ca. 900 Buchseiten, als Projekt- Abschlussarbeit eines Streetwork-Projektes, ist ein Kreuzgang und ein schmerzhafter Prozess. Die Motivation einen guten qualitativen Beitrag für ein besseres Miteinander zu erbringen im Abendlicht des eigenen Lebens, ist denoch ein großer Trost.

  • am 6.11.2020 um 15:41 Uhr
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    Oups, war das im letzten Absatz jetzt ein kleiner Rückschuss an die Falkenstrasse :-)?

  • am 6.11.2020 um 16:26 Uhr
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    Der Autor versucht zwei verschiedene Sachen miteinander zu verknüpfen, um ein allgemeines Partnerverbot in Medienunternehmen (weshalb nur diese?) zu fordern: Einerseits sexuelle Übergriffe, wie sie mutmasslich bei RTS passiert sind, und andererseits von Menschen auf freier Basis eingegangene Beziehungen. Das soll man sich einfach mal bis zum Ende durch den Kopf gehen lassen: Wann muss ein Verhältnis offengelegt werden? Welcher der beiden Partner muss kündigen? Was passiert nach dem Flirt oder gar One Night Stand im gegenseitigen Einvernehmen? Wie geht ein Unternehmen mit einem Verdacht um, dass zwei Mitarbeiter*innen «etwas miteinander haben"? etc. Auf diese Weise kommen wir einfach in Teufels Küche und verlieren das Wesentliche aus den Augen: Dass es auch heute, nach drei Jahren #Me Too immer noch Personen, fast ausschliesslich männlichen Geschlechts gibt, die ihre Machtposition ausnützen, um Kolleg*innen, häufig diejenigen in prekären Anstellungsverhältnissen, zu Handlungen zu nötigen, die sie nicht wollen.

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