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Schlagzeile in «Tages-Anzeiger» und «Bund» vom 13. Juni 2016 © © tamedia

Bataclan? Bisher keine Hinweise auf Mittäter

Urs P. Gasche /  Vorschnelle Schlagzeilen über eine Fäden ziehende Terroristen-Organisation heischen Aufmerksamkeit, sind jedoch kontraproduktiv.

Bis heute gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mörder von Orlando von einer bestimmten Terrorzelle rekrutiert, ausgebildet oder beauftragt worden wäre. Diesen Eindruck hinterlässt jedoch die Schlagzeile «Das Bataclan von Florida». Im Untertitel schrieb der «Tages-Anzeiger» von «einem mutmasslich islamistischen Anschlag». Präsidentschaftsanwärter Donald Trump reagierte mit seiner alten Forderung, keine Moslems mehr in die USA einwandern zu lassen.
Trump und der «Tages-Anzeiger»/«Bund» wecken den Eindruck, hinter der Schiesserei in Orlando würden Islamisten oder Terrororganisationen stecken.
Bis heute ist nur bekannt, dass der Killer in einem Telefon an den Notruf seine Sympathien für die Terrormiliz IS bekundet hat.
Für Schlagzeilen wie «Das Bataclan von Florida» oder «Die blutige Fratze des Terrors» (NZZ) ist das etwas dürftig. Zu diesen verbreiteten Schlagzeilen hat der Leiter der Auslandredaktionen des «Tages-Anzeiger» nicht Stellung genommen. NZZ-Auslandchef Peter Rasonyi erklärte, dass die NZZ explizit darauf hinwies, dass es «bisher keine Hinweise auf direkte Verbindungen zu einer Terrororganisation wie den IS gibt».

Zurückhaltende Schlagzeile in der «Berner Zeitung» vom 13.6.2016
«Selbstverliebter Killer»

Im «Tages-Anzeiger» vom 14. Juni nimmt Redaktorin Michèle Binswanger vom Vergleich mit dem Pariser Bataclan Abstand. Unter dem Titel «Selbstverliebter Killer» nennt sie den Orlando-Killer nach dem Stand der heutigen Informationen einen «zivilen Amokläufer», von denen es namentlich in den USA immer mehr gebe. Wahrscheinlich habe sich der Täter «ganz privat» radikalisiert.
Die Taten würden weitere Amokläufer animieren: «Angehende Täter beschäftigen sich oft intensiv mit früheren Amokläufen, zur Inspiration, oder studieren das Vorgehen, um sich möglichst akkurat vorzubereiten
Es werde dem Täter bewusst gewesen sein, dass ihm ein Bekenntnis zum IS noch mehr Aufmerksamkeit bringt: «Je brutaler die Tat und je mehr Tote, desto intensiver die mediale Berichterstattung.»
In der Tat: Das mediale Echo kann die Allmachtsphantasien von (potenziellen) Tätern nähren und verstärken. Und es kann sie darin unterstützen, allfällige Phantasien in die Tat umzusetzen, wenn Aufmerksamkeit eines ihrer Motive ist. Und es schürt in der Bevölkerung irrationale Ängste*.
Populistische Politiker wie Donald Trump nutzen solche Ängste für ihre Ziele aus und heizen sie weiter an.

—–
*In Westeuropa ist das Risiko, wegen eines Terroranschlags ums Leben zu kommen, vergleichbar mit dem Risiko, von einem Blitz erschlagen zu werden.
Das Risiko, in einem Autocar oder in einem Auto unverschuldetes Opfer eines Verkehrsunfalls zu werden, ist eintausendmal grösser als in einem Bahnhof, an einem Konzert, einem Fussballmatch oder anderswo von Terroristen erschossen zu werden. Das gilt auch für den Besuch eines EM-Spiels in Frankreich.
Siehe:

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Keine

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4 Meinungen

  • am 15.06.2016 um 09:01 Uhr
    Permalink

    … die ganze Welt weiss nun von einer Schiesserei in einem Vereinslokal in einem Land… und beschäftigt sich einmal mehr mit etwas das ferner nicht sein könnte… das gerade die USA (historische Vorbilder gibt es viele) beliebige Gruppen, und man staune, egal ob links oder rechts (rechts ist viel einfacher zu kontrollieren und dirigieren als die ständig debatierenden und Authorität in Frage stellenden linken) , radikalisiert um diese schliesslich als angebliches Aufbegehren ganzer Gesellschaften gegen die eigenene oft gewählte Regierung aufzuhetzen (dokumentiert von A. Stahel im Krieg und völliger Demontage von u.a. Yugoslavien)

    Opfer sind viele Völker und Nationen und auch hier wieder kann man ungläubig den Kopf schütteln, von einer Nation die seit ihrer Gründung ca.,1780 kein einziges Jahr ihrer Existenz ohne Krieg verbracht hat.

    Wem also dient diese viel zu intensive Berichterstattung zu einem, im globalen und nationalem Kontext, unbedeutenden Vorfall verbunden mit einer irgendwie konstruierten Islamischen Verbindung? Der Islam ist übrigens genau so wenig mordend radikal wie alle anderen Religionen ( und viel weniger Radikal und Absolut wie der Glaube an den Kapitalismus) aber auch hier wieder, radikale Meinungen gibt es in jeder Gruppe.

    Zudem verstehen nur die wenigsten das es Nazis auch in Islamischen Ländern gibt. In allen Ländern exisitieren diese Menschen die Obrigkeitsgläubig, einfacher als andere, gegen einen konstruierten Feind aufzuhetzen sind.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 15.06.2016 um 11:55 Uhr
    Permalink

    Uwe Borck. «Obrigkeitsgläubig» als Charakteristik für den Täter von Orlando ist ungefähr das Schiefeste, was man unterstellen kann, stärker vom eigenen antiamerikanischen Feindbild geprägt kann ein Kommentar wohl nicht sein. Der Artikel von Gasche ist wie fast alles was er schreibt analytisch scharf, auch wenn das letzte Wort über die Hintergründe längst nicht gesprochen ist. Bis anhin liegt ein Täterschema ähnlich Breivik in Norwegen am nächsten. Das heisst natürlich erst recht nicht, dass die Ideologie dahinter nicht lebensgefährlich sei. Dass es Trump für seine plumpe Propganda ausnützt, ist normal, so wie auch die Verlegenheit des Präsidenten.

  • am 15.06.2016 um 12:31 Uhr
    Permalink

    Prmin Meier, wissen Sie wer mit die schärfste Strafgesetzgebung contre Homosexualität hat?

    Das Sie mir Antiamerikanismus vorwerfen ist völlig korrekt. Warum auch soll man sich alles von dort Vorschreiben lassen wenn, wenn nötig mit dieser typisch friedlichen Deutungshoheit westlicher Medienkonzerne? Auf der anderrn Seite gehöre ich als Europäer zu der Gruppe US Amerikaner welche die Kriege und den Imperialismus der dortigen Regierungen nicht gut heissen.

    Scharfe Analysen kann man nur dann vornehmen wenn möglichst viele, gar alle Fakten, bekannt und geprüft wurden. Der Beweis das dies möglich ist existiert nicht, es ist schlicht unmöglich. Der grosse Rest ist leider eine Sache des Glaubens und eigener Überzeugungen die man nach Gusto vertreten soll. Dann bleibt die unendliche Frage warum Wir alle jeden Tag soviel unserer Zeit mit Nachrichten verbringen die uns eher nicht tangieren, dafür aber alle Kapazität besetzen. Die gratis verteilten Zeitschriften erbringen genau diese Leistung.

    Der Staat mit den scharfen Gesetzen gegen Homosexuelle ist übrigens Utah. Ganz sicher nicht die Russische Föderation.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 15.06.2016 um 12:50 Uhr
    Permalink

    @Borck. Diese Gesetze sind mir bekannt; ich erwähnte dieselben schon um 1989 in einer Studie über Fundamentalismus. Es gibt oder gab noch dazu Staaten, wo auf dem Papier auch bei heterosexueller Praxis ausser der Missionarsstellung vieles verboten war. Noch «interessant» sind die Spätfolgen des Affenprozesses gegen von Tennessee 1922 gegen einen Befürworter der Evolution. So gibt es Staaten, mein Informationsstand von 1989, wo die Darwinsche Theorie nur unter Vorbehalt der Glaubens- und Gewissensfreiheit im Unterricht behandelt werden darf. Doch ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsverschiedenheiten betr. alle diese Fragen, auch diejenigen, die Sie politisch angesprochen haben, in den Vereinigten Staaten intensiv ausgefochten werden, durchaus auf der Basis einer für europäische Verhältnisse überdurchschnittlichen Meinungsfreiheit. Was die amerikanische Rechte betrifft, so hat sich ausgerechnet einer der massivsten Kalten Krieger vor Reagan, Barry Goldwater, der in Europa berüchtigte Präsidentschaftskandidat von 1964, für die Rechte der Homosexuellen eingesetzt, auch in der Armee, die Abtreibungsliberalisierung befürwortet und das Schlagwort von der Moral Majority kritisiert. Es gab also in den USA neben Sachen, die bei uns Kopfschütteln auslösen, vernünftige und fortschrittsorientierte Diskurse, sogar bei den dortigen Konservativen. Schlimmer als unterschiedliche Meinungen, auch reaktionäre, waren das Gaunerzeug in der Politik à la Nixon und Hexenjagden à la McCarty.

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