Medienförderung: eine Theaterkritik
Die Befürworter eines Ausbaus der Medienförderung schöpfen Hoffnung. Sie lesen aus den Abstimmungsumfragen einen positiven Trend heraus. Die Meinungslage im Volk ist jedoch keineswegs klar. Eine Zitterpartie steht bevor. Gemäss den am Mittwoch publizierten Daten von GfS sind die Gegner des Mediengesetzes vor allem in der Deutschschweiz sowie unter den 40- bis 65-Jährigen zu finden. In der West- und der Südschweiz beurteilen die Befragten das geplante Hilfspaket etwas positiver.
Typische sprachregionale Unterschiede
Es bestätigt sich eine alte Erkenntnis: Staatliche Eingriffe in die Medienlandschaft stossen vor allem in der Deutschschweiz auf Widerstand, während in den Minderheitenregionen das Sensorium für die Finanzierungsschwierigkeiten der Medienhäuser grösser ist. Das verwundert kaum, da die eigenständig gebliebenen Betriebe im Tessin und in der Romandie nur noch eine schwache Position innehaben.
Die sprachregionalen Wahrnehmungsunterschiede spiegeln sich auch in der Berichterstattung. Die Deutschschweizer Redaktionen schenken dem Mediengesetz bedeutend mehr Aufmerksamkeit als jene in der Romandie. Das zeigt eine Analyse, welche das Zürcher Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft am Mittwoch veröffentlichte. Gemäss dem «Abstimmungsmonitor» betreffen in der Deutschschweiz 42 Prozent aller Beiträge zu den vier eidgenössischen Abstimmungsvorlagen das Medienpaket, während es in der Romandie nur 30 Prozent sind. Die Gegnerschaft wird zudem durch Deutschschweizer Akteure geprägt, die in der Westschweiz weniger Beachtung finden.
Skandalisierungsversuche
Schub bekam die Diskussion um das Mediengesetz Anfang Januar, als ein kurzes Video mit Aussagen des Ringier-Geschäftsführers Marc Walder zur publizistischen Ausrichtung der Redaktionen in der Pandemie öffentlich wurde. Die Gegner des Mediengesetzes verwendeten das Video als Beleg dafür, dass die grossen Verlage zu wenig Distanz zu den Behörden hätten. Die Abstimmungsvorlage löste dadurch in den folgenden Tagen in den Medienarenen ein negatives Echo aus.
Die Kampagnenführer versuchten mit weiteren Zitaten von Walder das Bild eines Filzes zwischen Staat und Medien zu verfestigen. Es gelang ihnen jedoch nicht, dafür weiterhin Gehör zu finden. Die Tischbombe knallte nur einmal. Was jedoch nicht heisst, dass sie keine Wirkung hatte. Wenn Abstimmungsvorlagen polarisieren, genügt es, ein paar zusätzliche Stimmen zu gewinnen, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Die skandalisierten Zitate von Walder waren nützlich, um das Lager der Corona-Massnahmenkritiker zu mobilisieren, denn hier herrscht ohnehin ein starker Groll gegenüber der Pandemie-Berichterstattung der dominierenden Medienorgane.
Konflikte mit Eigeninteressen
Laut dem «Abstimmungsmonitor» fällt auf, dass in den Medien bisher keine resonanzstarken Akteure ausnahmslos mit Pro-Äusserungen auftraten. Der Befund erstaunt, da hier Eigeninteressen der Medien auf dem Spiel stehen und die wichtigsten Stimmen der Branche geeint für ein Ja eintreten. Die Medienunternehmen sind in der Berichterstattung zwar stark präsent. Doch geraten die Redaktionen dadurch schnell in der Verdacht, einseitig zu informieren. Das überraschend harmlos-freundliche Porträt des Kampagnenleiters und Subventionsgegners Philipp Gut, kürzlich erschienen im «Tages-Anzeiger», kann man insofern als Versuch deuten, ja keine Angriffsfläche zu bieten.
Bemerkenswert war auch das «Sonntags-Zeitungs»-Porträt über den «K-Tipp»-Verleger René Schuhmacher, der fast zum Held erklärt wurde, weil er gegen das Mediengesetz sei, obwohl er davon profitieren würde. Am Donnerstag berichtete indessen die «Wochenzeitung», dass Schuhmacher einen Brief an das Bundesamt für Kommunikation mit unterzeichnete, in welchem die Forderung nach mehr Subventionen erhoben wurde. Für Schuhmacher gibt es hier keinen Widerspruch, wie er der «Wochenzeitung» sagte. Vielmehr gehe es darum, dass seine Pressekategorie (Mitgliedschaftspresse) im Vergleich zu den Zeitungen bei der Unterstützung finanziell benachteiligt werde.
Letztlich gewichtet wohl jeder Unternehmer die Vorteile für seine Firma höher als staatspolitische Prinzipien. Dieser Zwiespalt schimmert auch bei den Positionen anderer Gegner des Mediengesetzes durch. Denn sie argumentieren unter anderem, die Abstimmungsvorlage sei schlecht, weil die rein werbefinanzierten Gratisanbieter nicht berücksichtigt werden. Wäre die Opposition schwächer gewesen, wenn man diesen Anbietern ebenfalls staatliche Unterstützung in Aussicht gestellt hätte? Man darf mutmassen.
Gemäss den Auswertungen des Zürcher Forschungsinstituts waren die Redaktionen in der Summe auf Ausgleich bedacht. Die leicht positive Resonanz der Berichte über das Mediengesetz fällt jedenfalls im Vergleich mit Berichterstattungen über andere Abstimmungsvorlagen nicht aus dem Rahmen.
Aktivistischer Journalismus
Bei der journalistischen Begleitung des Abstimmungskampfs gibt es weitere Auffälligkeiten. So hatte der Kampagnenleiter Philipp Gut in ein paar Aussenseiter-Medien, unter ihnen der «Nebelspalter», freie Bahn. Seine Doppelrolle als PR-Mann und Journalist wurde nicht kenntlich gemacht und überdies toleriert, was heutigen Gepflogenheiten bzw. den Transparenzregeln widerspricht. Aber es passt zum US-amerikanischen Trend zu aktivistischem Journalismus, dem Enkel des anwaltschaftlichen Journalismus der 68-er Jahre. Die Durchsetzung von politischen Vorstellungen mit publizistischen Mitteln ist demnach wichtiger als eine von Interessen möglichst unabhängige Berichterstattung.
Kurios war ferner, dass der Verleger der Tamedia-Zeitungen, Pietro Supino, einen Leitartikel zugunsten des Gesetzes schrieb. Verleger haben gewiss das Recht, zur Weltlage und zu ihren eigenen Anliegen Stellung zu nehmen. Leitartikel sind indessen ein redaktionelles Gefäss, in dem eine Redaktion unabhängig formuliert, wie sie politische Themen von grösserem Gewicht einschätzt und beurteilt. Dem Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser blieb ein Auftritt auf einer Pro-/Contra-Seite übrig: Er argumentierte für ein Ja, ein Inlandredaktor für ein Nein.
Der Ausgewogenheit gegen aussen und dem Frieden innerhalb der Branche sollte damit gleichzeitig Rechnung getragen werden: Der Häuptling steht auf der verbandsmässig faktisch vorgegebenen Linie, während ein Indianer davon abweichen darf. Ins ausgleichende Rollenspiel passen ebenso die Positionsbezüge der NZZ. Die Redaktion argumentierte gegen das Gesetz und konnte sich dabei auf die dort üblichen weltanschaulichen Grundnormen berufen, während der Verlag für ein Ja ist und damit der Verbandslinie treu bleibt. Als Mitbesitzer von CH-Media ist man ohnehin geschäftlich eng verknüpft mit dem Aargauer Medienhaus von Peter Wanner.
Böse Widersprüche
Die grossen Verlage haben sich selbst einen schweren Stein in den Weg gelegt. Jahrelang plädierten deren Wortführer für eine möglichst grosse Distanz zum Staat. Es gehörte zum medienpolitischen Ritual, gegen helfende Hände des Staats zu wettern. Eine Förderung von Online-Redaktionen lehnten die Verleger ab. Nun machten sie mit ihrem Einsatz für das Mediengesetz eine Kehrtwende. Kein Wunder, dass die Gegner ihnen ihre früheren Äusserungen in knackigen Zitaten um die Ohren hauen – die Medienlobbyisten hätten vielleicht ein paar Jahre lang bei den Bauernvertretern in die Lehre gehen sollen. Diese wissen, wie man den Freiheitsgedanken zelebrieren und gleichzeitig den Anspruch auf Staatsgelder erheben kann, ohne in die politische Bredouille zu geraten und der Hypokrisie bezichtigt zu werden.
Meinungskämpfe um Abstimmungsvorlagen glichen noch nie akademischen Veranstaltungen, die nur den Tatsachen und der logischen Argumentation verpflichtet sind. Wer auch die halbwegs Interessierten erreichen will, ist schnell versucht, Helden und vor allem Bösewichte zu konstruieren. Den Schwarzen Peter zog, wie schon erwähnt, Ringier-Geschäftsführer Marc Walder.
Alle unter einer Decke?
Am vergangenen Samstag kam eine Mail in Umlauf, in der Walder die Chefs der grossen Schweizer Medienhäuser zu einer gemeinsamen Aktion animierte, und zwar mit dem Ziel, die Bevölkerung aufzurufen, wegen des Corona-Virus zu Hause zu bleiben. Diverse Zeitungen beteiligten sich an der Aktion. Das war im März 2020. Für die Gegner der Medienförderung diente dies ein weiterer Beweis dafür, dass die Grossverlage und der Bundesrat unter derselben Decke stecken würden. Diese von «Nebelspalter», «Ostschweiz» und «Inside Paradeplatz» boulevardesk aufgeblasene Nachricht bekam bei den grossen Redaktionen kein Echo.
Ist dies ein Beweis für eine Vertuschungsmentalität der sogenannten Mainstream-Medien? Keineswegs. Aus dem gemeinsamen Aufruf vor zwei Jahren machte niemand ein Geheimnis. Wer mehrere Zeitungen las, konnte das problemlos erkennen. Der Aufruf wurde zudem vom Branchenorgan «Persönlich» vermeldet. Man kann eine gemeinsame Aktion von Medien als gut oder schlecht taxieren. Niemand war jedoch gezwungen, dem Aufruf zu folgen. Zum damaligen Zeitpunkt war ein solcher Appell im Übrigen vertretbar. Man wusste noch sehr wenig über die Wirkungsweise des Virus. Zu beobachten war aber, dass in einigen Regionen schnelle Ansteckungen mit vielen Toten erfolgten. Vorsicht war entsprechend geboten. Auch die SVP, welche nachher ins Lager der Massnahmenkritiker wechselte, fand zu Beginn, man müsse erst einmal zusammenstehen. Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher war sogar eine der ersten Personen der Öffentlichkeit, welche für die Zweckmässigkeit von Schutzmasken eintraten. Damals wurde sie von jenen belächelt, die später für eine rigide Corona-Politik plädierten. Was für eine Ironie der Geschichte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Der Problemkreis erschöpft sich leider nicht bei der zu dichten Nähe der Politmächtigen mit den Medienmächtigen. Die Konzernmächte spielen ganz entscheidend mit. Die Diskussion müsste «dreipolig» geführt werden.
Der Erfolg der extrem ertragreichen Übung gelang im Dreigespann. Die Medienmacht schürte die Angst vor dem Virus weit über die medizinische Bedeutung hinaus, gleichzeitig sorgte sie für die unterwürfige Dankbarkeit gegenüber den Konzernen, welche das angeblich einzige Mittel zur Beendung der Pandemie in kürzester Frist hervorzaubern könnten.
Damit wurden die Schleusen des Schuldgeldes weit geöffnet, die Schulden tragen wir und unsere Nachkommen, ebenso die Einbusse der Volkssouveränität.
Anlass zu kritischer Betrachtung gibt es schon lange:
– die Möglichkeiten zur Stärkung der Volksgesundheit wurden nicht ausgeschöpft
– die permanente Panikkampagne schädigte die allgemeine Gesundheit durch Nocebo
– die Testerei war chaotisch und in keinem Moment representativ
– gefährliche Therapien wurden zugelassen während sanfte Methoden behindert wurden
– die Beraterkreise waren/sind sehr einseitig berufen, es fehlen unabhängige Wissenschafter und Ärzte, diese wurden sogar diffamiert und ausgegrenzt
– die Daten wurden auf eine vernebelnde Weise erhoben und kommuniziert
Das Lob einer BR über die ausgezeichnet gute Zusammenarbeit der Basler Pharma mit der Basler Regierung weist erschreckend auf einen «gewissen Mangel» hin.
Würde man Ringier, TX, CH Media, NZZ und Somedia von dieser Förderung ausschliessen, wäre es ja keine Diskussion wert. Aber was passiert, wenn die grossen vorgeben sich für regionale Vielfalt einsetzen zu wollen, kann jeder am Radio hören, am TV sehen und in der Zeitung lesen. Energy, ZH, BS, BE, LU und bald noch SG kein unterschied in Grossteilen des Programms. Nicht besser bei Zeitungen und TV… 5x Patty Boser, Bachelor auf allen Kanälen, 16h Mediashop am Tag, nennt sich dies Medienvielfallt, wenn einem Konzern 12 TV Sender angehören? 4 von 12 Sender profitieren ohnehin schon vom Serafe Gebührensplitting. Und auch bei deren Einführung fühlten sich die Grosskonzerne vom Untergang bedroht. As hätten wir es mit Drogenabhängigen zu tun. Ein Dorflädeli-Sterben lässt sich auch nicht retten, in dem man Migros und Coop übersubventioniert!
Ich glaube nicht, dass das Porträt von Philipp Gut im Tagesanzeiger deshalb so harmlos war, weil der Tamedia-Konzern nicht den Eindruck der Befangenheit erwecken wollte. Es war deshalb so harmlos, weil der Autor des Textes, Andreas Tobler, von der Blocher-BaZ herkommt, die wie schon die Weltwoche und später das NZZ-Feuilleton die Kulturberichterstattung abgeschafft hat, damit man auf deren Kosten auf den Kulturseiten den 1000. Artikel über «linke Korrektheit» schreiben und zugleich Neokonservative wie Jordan Peterson, Cora Stephan oder Marc Jongen als «Intellektuelle» verklären kann. Über letzteren hat denn auch Andreas Tobler sehr wohlwollend geschrieben, als es gegen das Theater Neumarkt ging. Ein andermal hat er den Hassprediger Andreas Glarner in Schutz genommen. So häufen sich bei Tamedia wie schon im NZZ-Feuilleton Meinungsartikel, die Kulturinstitutionen, Künstler*innen und die «linke Korrektheit» attackieren und dafür US-Entertainment, Influencerinnen und «rechte Intellektuelle» über den Klee loben. Da dieser Marsch der Rechtskonservativen durch die Redaktionen System hat, möchte ich diesen Pseudo-Journalismus nicht noch mit Subventionen belohnen und werde das Mediengesetz ablehnen. Einem Gegenvorschlag, der diese politisch bereits abhängigen Medien vom Geldsegen ausnimmt, hätte ich gerne zugestimmt.
Meine Zustimmung mit einem «ABER»:
Die mächtigen Medienkonzerne zähle ich zu den kapitalverehrenden Meinungsmachern, also alles andere als «links», «liberal» oder «links-liberal». Linke Medien im kapital-kritischen Sinne gibt es leider keine mehr. Sogar die «links-liberale» WOZ ist unkritisch zum US-NATO-Imperium. Sie hatte sich an der Hatz gegen Daniele Ganser beteiligt.
Deshalb ist die kapitalverehrende Medienhatz gegen «das Linke» ein oberflächliches Theater gegen einen vergangenen Mythos.
Diesen Verlust an medialer Pluralität unterstützen wir, wenn wir dieses Liks-rechts-teile-und-herrsche-Spiel, aufnehmen und kontern.
Die Suche nach der objektiven Wahrheit, die weder «rechts» noch «links» sein kann wird zunehmend uninteressant. Das ist der grosse Erfolg der herrschenden Narrativmacher, sie konnten mit dieser Schein-Polarisierung die äusserst dringende investigative Hinterfragung der Narrative verhindern.