Kommentar
Marc Walders Gerichtssieg pervertiert den Quellenschutz
«Ringier-Chef Walder verrät Journalismus», titelte Inside Paradeplatz am 3. Januar 2022. Ein Video zeigte Marc Walder als regierungstreuen Covid-Vasall.
Umgekehrt der «Tages-Anzeiger», der soeben befand, das zentrale Gerichtsurteil rund um das enge Verhältnis von Walder und Regierung falle «zugunsten des Chefs des ‹Blick›-Verlags und der Medienfreiheit» aus. Der «Tagi»-Journalist hebt in seiner Story von gestern, mit der er als Erster über das frisch ergangene Urteil unter dem Schlagwort «Corona Leaks» berichtete, den «Quellenschutz» ins Zentrum.
Es ging um die Frage, ob die Strafermittler den intensiven E-Mail-Austausch zwischen Marc Walder und dem damaligen Kommunikationschef von Gesundheitsminister Alain Berset in der Covid-Zeit nutzen könnten.
«Brisante Informationen sind tendenziell eher erhältlich, wenn Medienschaffende der Informationsquelle oder dem Autor Diskretion zusichern können, welche der Staat nicht durch eine Pflicht zur Zeugenaussage durchbrechen darf», zitiert der «Tagi» aus dem Richterspruch. Und weiter: «Das Redaktionsgeheimnis erleichtert den Zugang der Medienschaffenden zu Informationen, welche ihnen erst erlauben, die Wächterfunktion der Medien wahrzunehmen.» Der «Quellenschutz» sei deshalb von eminenter Bedeutung, weil er «der Herstellung von Transparenz in öffentlichen Angelegenheiten» diene.
Das unterschreibt jeder Journalist, der seine Arbeit ernst nimmt.
Im vorliegenden Fall geschieht genau das Gegenteil: die Pervertierung des heiligen Prinzips namens Quellenschutz.
Laut NZZ habe der zuständige Unparteiische des Berner Zwangsmassnahmen-Gerichts eine Abwägung zugunsten von Walder und dessen Kontaktmann im Berset-Vozimmer angestellt: «Zwar sei Marc Walder als CEO von Ringier nicht direkt journalistisch tätig», so die NZZ mit Bezug auf die 99-seitige Urteilsbegründung des Richters. «Weil er aber zumindest mittelbar an der Veröffentlichung von Informationen beteiligt sei, könne sich Walder auf den Quellenschutz für Medienschaffende berufen. Dieser ist sowohl im Strafgesetzbuch (Art. 28a StGB) wie in der Strafprozessordnung (Art. 172 StPO) verankert.»
Walder ist Konzernleiter des Ringier-Verlags, der mit «Blick», «SonntagsBlick», «Beobachter», «Bilanz», «Handelszeitung» und vielen mehr zu den ganz Grossen der Vierten Gewalt im Land zählt. Gemeint ist die Bedeutung der Medien als Gegengewicht zu Macht und Geld, die den zentralen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren auf die Finger schaut.
Walder tat von Beginn der Covid-Krise im Frühling 2020 an das Gegenteil. Er stellte sich in den Dienst der Behörden, allen voran jenen unter dem Kommando des SP-Gesundheitsministers Berset.
Als die Schweiz im März 2020 den «Laden» herunterliess, orchestrierte Walder einen einzigartigen Schulterschluss der führenden Medienhäuser. «Wenn die Menschen in der Schweiz nun den sozialen Kontakt nicht radikal verringern, dann droht der Schweiz eine medizinische Katastrophe», mailte Walder den obersten Chefs von Tamedia, SRG, NZZ, CH Media sowie den eigenen Ringier-Kadern.
Es ging um eine orchestrierte Medien-Kampagne übers Wochenende vom 21. und 22. März 2020, mit der Walder die ganze Bevölkerung zu Vorsicht aufrufen wollte.
«Stay at home», Vérsion helvetique.
«Der Bundesrat hat heute informell diese Aktion der Schweizer Medien sehr begrüsst und ist dankbar für dieses Engagement», so Walder in seinem damaligen Mail. «ABER: Der Bundesrat spielt KEINE AKTIVE ROLLE HIER. Er hat dies also – so das Wording – ‚gerne zur Kenntnis genommen‘.»
Es war der «Beginn einer wunderbaren Freundschaft» zwischen Walder und Bern, speziell mit Berset. Dessen Kommunikationschef schickte Walder von da an -zig Mails, die beiden telefonierten oft.
Am 10. November 2020 mailte Bersets PR-Chef dem hohen Medienmanager an der Zürcher Dufourstrasse: «Guten Morgen Herr Walder.» Dann fuhr er fort: «Vertraulich einige Infos: Die Gelder für den Impfstoff sollten wir wohl erhalten. Wir unterzeichnen nächstens einen Vertrag mit Pfizer, die den angeblich sehr wirksamen Impfstoff entwickelt haben.»
Es handelt sich um eines von drei Mails, das der Berner Richter des Zwangsmassnahmen-Gerichts in seinem aktuellen Urteil für relevant erachtet. «Das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ist zu bejahen», so der Richter gemäss NZZ vom 7. Juni.
Die Ringier-Presse habe trotz der Vorab-Info nicht frühzeitig über die beschlossenen Impfkäufe von Berset berichtet. Erst zwei Wochen nach dem Mail des Berset-Manns an den Ringier-Chef informierte Bern die Öffentlichkeit darüber.
Das Mail ist nicht zuletzt aus Insider-Sicht hochproblematisch. Wer frühzeitig von Impf-Bestellungen wusste, konnte an der Börse reich werden. Entsprechende Ermittlungen von Finma und Bundesanwaltschaft scheinen im Sand zu verlaufen.
Dass der entscheidende Richter in der Affäre «Corona Leaks» trotz dieses heiklen Punkts Walder und Ex-Berset-Sprecher mit Verweis auf «Quellenschutz» vor Strafverfolgung bewahrt, pervertiert dieses für das Vertrauen zwischen Volk und Regierung eminent wichtige Prinzip.
Bersets Spindoctor wollte seinen Chef und Bundesrat in der Ringier-Presse, die in der Corona-Krise die Leute wiederholt in Panik versetzte, als starken Macher dargestellt haben. Er pflegte also die Standleitung mit der Absicht, seinen Boss Berset zu stärken.
Der Quellenschutz ist genau dafür nicht gedacht; sondern er soll jene schützen, die aus innerer Überzeugung Missstände in Amtsstuben, Regierungszimmern und Firmen-Headquarters aufdecken. Diese oft Whistleblower genannten Quellen werden in der Eidgenossenschaft meist mit unerbittlicher Härte verfolgt, wie die Fälle Unispital Zürich, Sozialamt Zürich oder Vincenz zeigen.
Das öffnet Tür und Tor für eine «Freundl»-Elite, wie sie die Schweiz nie wollte.
Dass der Einzelrichter Walder, einen Strippenzieher der Nation und Covid-Panikschürer der Milliarden-Franken-Klasse, vor jeglicher Strafverfolgung schützt, zeigt, was es im Land geschlagen hat: Die Vasallen der Staatsmacht können sich auf die Justiz verlassen. Sie werden jetzt sogar mittels dem für die Missbrauchs-Aufdeckung zentralen Quellenschutz protegiert.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor ist Redaktor und Inhaber des Portals Inside Paradeplatz, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
„Wir haben doch alles richtig gemacht in der Pandemie“. Das Gericht gibt jetzt noch einen drauf und schützt die Medien vor den berechtigten Fragen der Öffentlichkeit – soweit sind wir schon. Und dass der Tagi Journalist das Urteil ganz o. K. findet erstaunt auch nicht.
Die Bundesanwaltschaft muss dieses Urteil beim Bundesgericht anfechten. Würde sie dies nicht tun, dann wäre sie dafür verantwortlich für den Vertrauensverlust in die Justiz.
Mit der Corona-„Orchestrierung“ der Medien, zugunsten des Bundesrates, hat doch Walder massgeblich zur nachhaltigen Polarisierung der Schweizer Bevölkerung (bis in Familien) beigetragen. Sowas nennt sich Verhetzung! Und das jetzt mit dem Segen von Justizia.
Walder und Berset können sich nicht auf den Quellenschutz berufen, da es sich hier nicht um die geheime Weitergabe von Informationen zu journalistischen Zwecken oder zu Recherchetätigkeiten handelte sondern um eine organisatorische Abstimmung den politischen Willen Bersets während der Corona-Krise in eine mediale Kampagne und entsprechende Handlungsanweisungen zu übersetzen, zumindest besteht dieser Verdacht. Es gibt also keine Quelle und damit auch keinen Schutz. Zwei Chefs haben sich über ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt – um die mögliche Rechtswidrigkeit dieses Vorgangs zu untersuchen, müssen die Ermittler zwangsläufig Zugriff auf die damit verbundene Kommunikation erhalten. Hoffentlich wird berufen.