Störsender

Vom «Störsender» ist wenig übrig geblieben: SRF 3 ist brav geworden. © SRF

«Last Christmas» acht Mal am gleichen Tag

Marco Diener /  Haben Sie manchmal den Eindruck, das Musikprogramm am Radio sei eintönig? Dann täuschen Sie sich nicht. Das zeigen unsere Zahlen.

122 Mal! So oft hat Radio SRF Virus in den letzten 30 Tagen ein Stück der Schweizer Sängerin Naomi Lareine gespielt. Oder anders gesagt: Mehr als vier Mal am Tag. Und Lareine ist kein Einzelfall: Insgesamt kamen zehn Interpreten auf Virus in den letzten Tagen mehr als 90 Mal zum Zug – also mehr als drei Mal pro Tag.

Auf den anderen SRF-Radiosendern ist die Vielfalt grösser. Aber nur ein bisschen. Das zeigt eine Auswertung von Infosperber:

  • SRF 1 spielte in den letzten 30 Tagen 50 Mal ein Stück von Robbie Williams.
  • Auf SRF 3 waren «Patent Ochsner» 83 Mal zu hören.
  • Und auf SRF Musikwelle lief Musik der «Kastelruther Spatzen» 46 Mal.

Der «Störsender» ist langweilig geworden

Enttäuschend ist, wie eintönig SRF 3 geworden ist. Vor gut 40 Jahren unter dem Namen DRS 3 als «amtl. bew. Störsender» gestartet, ist SRF 3 inzwischen sehr brav geworden. Schon vor zehn Jahren erinnerte sich die «Wochenzeitung» (WoZ) wehmütig: «Während Jahren konnte man dort Schräges, Kantiges, Kultiges und vor allem nie Gehörtes aus allen möglichen Ecken der Popmusik entdecken.»

Und sie klagte: «Vorbei: Heute kämpft der Sender stärker denn je mit den Privatsendern um die Gunst des Publikums und unterscheidet sich dadurch kaum noch von ihnen. Der Tag wird mit DJ Antoine, Mariah Carey, oder den All Saints gefüllt, was nicht gerade von Innovationsgeist zeugt.»

20 Mal «Last Christmas» auf SRF 3

Seither ist es nicht besser geworden. Vor allem zu Weihnachten. Da kommen die Zuhörer und Zuhörerinnen von SRF 3 nicht mehr an «Last Christmas» von den «Wham!» vorbei. 20 Mal wurde das Stück in diesem Jahr schon auf SRF 3 gespielt. Zum ersten Mal am 19. September. Wobei anzumerken ist, dass nicht SRF 3, sondern SRF 1 die Nase vorne hatte: Da war «Last Christmas» schon am 23. August zu hören.

Gut, das Stück wurde am 3. Dezember 40 Jahre alt. Aber ist das ein Grund, es an diesem Tag auf SRF 3 acht Mal abzuspielen? Ist das ein Grund, die Zuhörer und Zuhörerinnen damit ständig zu malträtieren? Wo doch SRF selber eine durchaus hörens- und sehenswerte Parodie auf Lager hätte:

SRF hätte die besten Voraussetzungen für ein vielfältiges Musikprogramm. SRF teilt mit: «Die SRF-Musikredaktorinnen und -Musikredaktoren können auf ein Archiv von zirka 6 Millionen Tonaufnahmen zurückgreifen.»

Nur 10’000 von 6 Millionen Titeln

Allerdings werden die wenigsten auch tatsächlich gespielt. Auf SRF 1 und auf SRF 3 sind es nach Angaben von SRF pro Jahr um die 10’000 verschiedene Titel: «Die meistgespielten Titel pro Woche sind bei beiden Programmen die Neuheiten.»

SRF schreibt zudem: «Die Musikprogramme der SRF-Radios sind auf die Bedürfnisse der jeweiligen Publika ausgerichtet.» Das würde allerdings heissen, dass es selbst die ganz jungen «Virus»-Hörer und -Hörerinnen gerne monoton mögen.

Und es würde auch heissen, dass sich die Publika von SRF 1 und SRF 3 stark gleichen. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) kommt in seiner «Analyse der Radioprogramme der SRG SSR 2023» zum Schluss: «SRF 1 und SRF 3 zeigen aktuell eine ähnliche musikalische Ausrichtung. Beide fokussieren auf Pop mit jeweils fast drei Vierteln der Titel des Tagesprogramms.» Und: «Beide Sender akzentuieren ihr Musikprogramm damit gegenüber 2020 stärker auf Pop.»

Das Bakom stellt fest, dass die Vielfalt auf SRF 1 und auf SRF 3 abgenommen habe: «Insgesamt präsentierten beide Sender 2020 ein vielfältigeres Musikprogramm.»


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