Kuriose Presseschau: Wenn der Schimmel an der Wand wiehert
In diesen Zeiten gibt es wenig zu lachen. Wer trotzdem hin und wieder einen Lacher braucht: Die «Perlen des Lokaljournalismus» sind eine Fundgrube. Seit 2014 sammelt der Journalist Jörg Homering-Elsner Stilblüten aus Medien und veröffentlicht sie auf Facebook.
Ein anderes Blatt liess anlässlich der Ehrung zu seiner goldenen beziehungsweise diamantenen Hochzeit einen Hochstapler auffliegen:
Lokalmedien greifen praxisnahe Themen auf:
Während grosse Medien das weltpolitische Tagesgeschehen beleuchten, kümmern sich die Lokalzeitungen um Weltbewegendes in der unmittelbaren Umgebung:
Lesernähe ist ein weiteres, grosses Plus der Lokalredaktion. Geradezu rührend sind manche Zuschriften:
Wo Fehler passieren, werden sie umgehend korrigiert:
Lokalzeitungen haben gegenüber den grossen Medien den Vorteil, dass sie nahe am Geschehen sind. So erfahren die Lesenden Details, die anderen verborgen bleiben:
Während die Fotografinnen und Fotografen grosser Medien ihre Bilder geradezu inszenieren, bildet die Lokalreaktion die Wirklichkeit 1:1 ab:
Der Nachteil im Lokalteil: Manchmal passiert einfach nichts, aber die Zeitungsseite muss trotzdem gefüllt werden. Die Lokalredaktion weiss, wie:
Wo grosse Medien skandalisieren würden, berichtet die Lokalredaktion sachlich:
Eine Stärke dieser Lokalredaktion ist die Logik:
Andere Meldungen gleichen einer Denksportaufgabe:
Platz hat es auch für bahnbrechende Erkenntnisse der Wissenschaft:
Wenn doch mal irgendwo die Post abgeht, sind die Lokalreporter vor Ort:
Jede «Perle» wird von Homering-Elsner kommentiert: «Die anderen 987 Besucher lassen sich im Rücken des Fotografen einheizen», lautet sein Kommentar zu diesem Foto. Auch die Leserkommentare sind oft unterhaltsam: «Das passiert halt, wenn der Redaktionsschluss um 16 Uhr am Freitag ist, aber die Party erst um 22 Uhr richtig los geht», ergänzte einer.
Manche «Perlen» sind nur mit viel schwarzem Humor zu ertragen: Da ist zum Beispiel die «55-fache Mutter», die ihre Kinder zum Mord an ihrem Ehemann anstiftete. Das berichtete die «NZZ» und schaffte es damit auch in die «Perlen des Lokaljournalismus». Ein anderes Beispiel war das anscheinend unzertrennliche Ehepaar:
Ungewollt kommt es immer wieder zu schlüpfrigen Aufstellern:
Und wenn den Redaktorinnen und Redaktoren wirklich einmal die Worte fehlen, dann bleibt immer noch dies:
Die Lieblingsperle des Sammlers
Schätzungsweise 7000 bis 8000 Stilblüten umfasst das Archiv des Lokaljournalisten Jörg Homering-Elsner mittlerweile, etwa 3000 bis 4000 davon hat er veröffentlicht. Täglich bekomme er 20 bis 30 neue «Perlen» zugeschickt.
Begonnen hat alles mit einer privaten Facebook-Seite, auf der er «Perlen» für seinen Freundeskreis postete. Auf Vorschlag eines Freundes wurde daraus eine eigene Facebook-Seite – die innerhalb kürzester Zeit «durch die Decke ging», so Homering-Elsner, der seit über 30 Jahren Lokaljournalist ist. Besonders freut ihn, dass «die Perlen mittlerweile regelmässiger Unterrichtsbestandteil an einigen Journalistenschulen sind, unter dem Motto: ‹Aus Fehlern lernen›.»
Seine Lieblingsperle ist ein über 100 Jahre alter Bericht über den Festumzug beim «Gauturnfest» Münster. Im «Beiblatt zur Glocke, Beckumer Volkszeitung, Wiedenbrücker Zeitung» vom 13. August 1919 stand eine lange Aufzählung von Gästen: «Unter den Festgästen bemerkte man den kommandierenden General Frhrn. von Watter, den Oberpräsidenten Dr. Würmeling, Regierungspräsident a.D. von Bescher […], sowie die Vertreter der Lehrer- und Turnerschaft und andere Arschlöcher.»
«Daraus hat sich auf der Facebook-Seite eine interessante Geschichte entwickelt», berichtet Homering-Elsner. «Ein Historiker kannte den Ausschnitt und erläuterte die Hintergründe. Der Zusatz stammt von einem sozialdemokratischen Setzer, dem das Aufzählen der ganzen Honoratioren gegen den Strich ging.»
Nebst den «Perlen des Lokaljournalismus» betreibt Homering-Elsner zwei weitere Facebook-Seiten, die heitere Stunden bescheren: «Kurioses aus der Presseschau» und «Hinweisheiten». Über 750’000 Fans folgen ihm auf Social Media.
Manche Zeitungen würden «sehr cool» auf ihre Stilblüte reagieren. «Zu einer Perle gab es mal den Aufruf einer Zeitung an ihre Leserinnen und Leser, den Fehler weiterzuspinnen und Gedichte zu schreiben. Das haben die dann auf einer ganzen Seite in ihrer Silvesterausgabe veröffentlicht.» Andere Redaktionen reposten die Perle mit einem lustigen Kommentar – oder suchen damit sogar noch Verstärkung:
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.