Kommentar
Ist auch das «Echo der Zeit» gefährdet?
Wer als unabhängiger Medien-Profi – zum Beispiel als Medien-Profi im Ruhestand, also auch finanziell unabhängig – die Schweizer Medien-Landschaft kritisch beobachtet, weiss es: Das «Echo der Zeit» ist nach wie vor eine ausgezeichnete Informationssendung, vor allem auch mit seiner Information aus dem nahen und fernen Ausland. Da das «Echo» eine Radio-Sendung ist und, im Gegensatz zum Fernsehen, nicht nach Stoffen Ausschau halten muss, die auch bildlich gut und attraktiv gezeigt werden können, sondern da es allein der inhaltlichen Relevanz verpflichtet ist, ist es deutlich weniger in Versuchung, irgendwelchen Hypes nachzurennen oder der Werbung wegen hohe Einschaltquoten anzustreben. So sind denn auch unter seinen Korrespondentinnen und Korrespondenten absolut hervorragende Leute im Einsatz: Susanne Brunner im Nahen Osten, Karin Wenger in Südostasien, Peter Vögeli, bis vor kurzem in Deutschland, Franco Battel, bis vor kurzem in Italien, Roman Fillinger in Osteuropa oder auch Patrik Wülser in Grossbritannien, sie und etliche andere sind Journalistinnen und Journalisten, wie man sie sich nicht besser wünschen könnte. Auch der neue Korrespondent aus Südamerika, David Karasek: oberste Klasse!
Bei SRF auf dem Sparprogramm?
Aber es gibt Anzeichen, dass im neuen SRF-Management auch das «Echo der Zeit» auf dem Sparprogramm ist. So etwa kann das «Echo» nicht mehr wie bis vor kurzem um 18 und – gelegentlich aktualisiert – um 19 Uhr gehört werden. Redaktionsschluss ist nun immer um 18.45 Uhr. Was später gesendet wird, ist nur noch Kopie. Das kann, wenn man an Washington D.C. denkt, wo es bei Schweizer Zeit 18 Uhr erst 12 Uhr Mittagszeit ist, nachrichtenmässig durchaus auch mal zu einem Nachteil werden. Und so oder so lohnt es sich, dem «Echo» auch in puncto Qualität genau zuzuhören – eben auch kritisch. Zwei schwache Beispiele aus den letzten Tagen: das Thema BlackRock und das Thema Desinformation.
BlackRock – der weltgrösste Vermögensverwalter
Am 22. Oktober kommt ein Interview mit der Chefin Schweiz des weltgrössten Vermögensverwalters BlackRock, Mirjam Staub-Bisang, die eben ein Buch über ihr eigenes Business geschrieben hat. Die «Echo»-Fragen an die BlackRock-Frau sind weder besonders kritisch noch hartnäckig, obwohl nur wenige Tage zuvor, am 18.Oktober, in New York sogar Mitglieder der jüdischen Organisation «Jewish Youth Climate Movement» gegen den jüdischen Gründer und noch immer obersten Chef von BlackRock, Larry Fink, wegen mangelnder Nachhaltigkeit in der von ihm gesteuerten Investment-Politik demonstriert und ihn aufgefordert haben, sich seiner «jüdischen Werte» zu besinnen, wobei – in den USA! – mehrere Jugendliche und auch drei demonstrierende Rabbiner verhaftet wurden. Das «Echo» befragt also die BlackRock-Chefin Schweiz zum Thema Nachhaltigkeit, ihr die positiven Antworten schon fast in den Mund legend, und ist mit einer – in Wahrheit hochbrisanten – Antwort ganz zufrieden. Mirjam Staub-Bisang erklärt nämlich, dass BlackRock dieses Jahr mit über tausend Firmen, in denen BlackRock sehr viel Geld investiert hat, in «engen Kontakt» getreten sei und diese Firmen aufgefordert habe, sie möchten im Sinne der Risiko-Minimierung künftig doch eine nachhaltigere Geschäftspolitik betreiben. Brisant ist diese Aussage deshalb, weil die ranghohe BlackRock-Managerin damit hochoffiziell eingesteht, dass BlackRock sehr wohl Einfluss nimmt auf die Geschäftspolitik der Firmen, an denen BlackRock als Vermögensverwalter substanziell beteiligt ist – was bisher immer bestritten wurde. BlackRock ist also ein klarer Akteur in der Wirtschaftswelt und nicht nur ein passiver Kapital-Anleger – und nicht nur ein kleiner, sondern ein gigantisch mächtiger Akteur sogar! Der «Echo»-Journalist hat die Brisanz der Antwort leider nicht erkannt und also auch nicht nachgehakt.
Desinformation – mit wem darüber reden?
Zum Thema Desinformation: Wo es zur Beurteilung einer schwierigen Situation einen Spezialisten braucht, geht das «Echo der Zeit» richtigerweise oft ins Gespräch mit einem Beobachter auf Hochschulebene, also etwa einem Universitätsprofessor, der sich beruflich mit der Thematik beschäftigt und deshalb etwas mehr Hintergrund kennt. Aber am 25. Oktober befragt das «Echo» zum Thema Desinformation ausgerechnet eine Mitarbeiterin des «Institute for Strategic Dialogue» – also keine unabhängige Hochschul-Instanz, sondern einen politisch motivierten Thinktank mit Sitz in den USA, UK, Frankreich und auch Deutschland. Dass Herren wie der oberste Chef des Springer-Medienkonzerns Mathias Döpfner oder Karl-Theodor zu Guttenberg im Aufsichtsrat des Instituts sitzen und Wolfgang Ischinger, der Chef der «Münchner Sicherheitskonferenz», im «Advisory Council», müsste doch bereits alle roten Lämpchen aufleuchten lassen. Und natürlich kann man dann in den Antworten der «Analystin» hören, dass zu den Desinformanten auch die von Russland bezahlte Medien-Gruppe RT gehöre, die sich zurzeit um eine TV-Lizenz in Westeuropa bewirbt. Kein Wort davon, dass auch der Westen in Russland und in vielen anderen, vor allem östlichen Ländern – und dies in Dutzenden von Sprachen – klare Polit-Propaganda betreibt! Wer bezahlt denn Radio Free Europe und Radio Liberty, die schon seit Jahrzehnten, anfänglich sogar eingestandenerweise unter Beteiligung der CIA, im Osten Propaganda betreiben? Kein Wort auch zur «Deutschen Welle», die in 32 Sprachen mit 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weltweit die sogenannten «Werte» der westlichen Welt – nicht zuletzt natürlich das kapitalistische Wirtschaftssystem – propagiert? Wer bezahlt denn diese «Deutsche Welle»? Der deutsche Staat natürlich.
(Dass auch die sich als besonders medienkritische Plattform verstehende Schweizer «Medienwoche» vor ein paar Tagen eine Anti-RT-Sendung zum Anhören und Ansehen empfohlen hat, sei dabei nur am Rande erwähnt. Auch bei der «Medienwoche» hat man von der westlichen Polit-Propaganda im nicht-NATO-konformen Ausland offensichtlich noch nie was gehört.)
Es lebe das «Echo der Zeit»!
Der Wunsch ans «Echo der Zeit» ist klar: Bleibt wie ihr immer wart und wie ihr (noch) seid! Informativ, kritisch, der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Relevanz verpflichtet, und verlasst euch auf der Expertensuche nicht auf die «Experten» der politisch motivierten Thinktanks, ohne genau hinzuschauen, wer diese bezahlt und wer da hinter den Kulissen in erster Linie mitmischt. Auch in Interviews dürft ihr gerne hartnäckiger sein! (Habt ihr vor dem Interview mit der BlackRock-Dame zum Beispiel das neue Buch von Werner Rügemer über BlackRock gelesen?)
Ich freue mich sehr über diesen Artikel. Auch dass die absolut schwachen Korrespondenten in Russland und China explizit nicht erwähnt wurden, ist eine sehr richtige Entscheidung des Autors.
Ich kenne mich zu Russland weniger aus, aber bei China fällt mir auf, dass es für SRF da nur einen einzigen «Experten» gibt: der Verschwörungstheoretiker aus Basel, der hinter jedem Chinesen die KP sieht, und mit KP eine böse Spionageorganisation zu sehen glaubt, die am Niedergang des Westens interessiert sei. Bei der Themenwahl kann man jeweils am Tag zuvor bei CNN oder dem US Aussenministerium lesen, worüber Echo demnächst berichten wird.
Zum Thema unfreie Medien: Greyzone hat eben einen Tweet entdeckt, wo Axel Springer offiziell zugibt, dass alle ihre Journalisten (Bild, Welt, Politico) Werte wie «Israels Existenzrecht, Geeintes Europa, und andere» unterschreiben muss. Dieser gigantische Verlag hat also hochoffiziell eine Agenda, welche gewisse Fragen ausklammern muss, um sich rechtfertigen zu lassen.
Der Verlag Axel Springer und dessen Gründer haben die Leitlinien des Unternehmens nie verheimlicht. Da gibt es nichts aufzudecken. Man kann die Leitlinien hier nachlesen: https://www.axelspringer.com/de/unternehmen/grundsaetze-und-werte
Ich höre seit Jahrzehnten das Echo der Zeit, finde aber, dass es qualitativ früher besser war. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass entweder die Polen, die Ungarn oder Putin an den Pranger gestellt werden. Was in diesen Ländern so falsch gemacht wird, ist mir weiterhin nicht ganz klar. Mangelnde Unabhängigkeit der Justiz? Da frage ich mich: Wo besteht der Unterschied zur Schweiz? Mir wäre mehr gedient, wenn man mir verständlich machen würde, weshalb die Regierungen dieser Länder so ticken, wie sie ticken. Der Umgang der EU-Kommission mit Ungarn oder Polen wird zu wenig kritisch beleuchtet. Keine zwei Tage vergehen, ohne dass das Klimathema thematisiert wird oder die Genderproblematik. Kaum kritisches höre ich zu den Corona-Entscheiden des Bundesrates. Ich tröste mich damit, dass es ja noch den Infosperber und manchmal auch das Internet gibt.
Der ehemalige Korrespondent aus London war im Vorfeld des Brexit unerträglich tendenziös.
Susanne Brunner überzeugt mich nicht. Peter Vögeli hat Hofberichterstattung betrieben. Die SRF-Korrespondenten sind sonst meines Erachtens gut. Und last but not least finde ich es dünkelhaft, dass man in der Redaktion des Echos der Zeit anscheinend zur Einsicht gelangt ist, dass man Expertenwissen fast nur bei Deutschen findet. Dies in einem Unternehmen, dass in der Firma die Worte idée Suisse trägt. Die idéé Suisse macht Berichterstattung aus deutscher Optik. Brauchen wir das? Wo ist das Alleinstellungsmerkmal?
Das dürfte Ihnen nicht passieren, Herr Müller, im Jahr 2021: Ausgerechnet die beiden ausgezeichneten Korrespondentinnen Sarah Nowotny für Osteuropa und Anna Lemmenmeier für Afrika zu vergessen! Job Sharing heisst job sharing und die Frauen sind dabei nicht mitgemeint sondern eigenständig. Dass immer noch extra drauf hingewiesen werden muss, macht schon müde.
@ Barbara Affolter: Mir ist gar nichts «passiert». Das «Echo» hat über zwanzig Korrespondentinnen und Korrespondenten, da musste ich eben eine Auswahl treffen und ich habe tendenziell eher jene gewählt, die schon länger dabei sind. Sarah Nowotny kenne ich natürlich sehr wohl, und sie weiss auch, dass ich sie hochschätze, weil ich ihr das schon mehr als nur einmal persönlich mitgeteilt habe (Prag ist ja meine zweite Heimat, da kenne ich mich ziemlich gut aus). Hätte ich Sarah Nowotny aber erwähnt, dann wäre ich nicht darum herum gekommen, zu schreiben, dass man sich schon aufgrund ihrer Stimme in sie verlieben könnte – und solche Bemerkungen darf man ja heute nicht mehr machen, ohne des Sexismus bezichtigt zu werden. – Ich mache guten Journalistinnen und Journalisten öfter mal ein persönliches Kompliment, wissend, dass es des Schweizers (Un)Art ist, sich dann zu melden, wenn es was zu kritisieren gilt, und eher nicht dann, wenn ein Lob fällig wäre. Ob Sie das nachvollziehen können? Mit freundlichem Gruss, Christian Müller.
@Barbara Affolter: die ersten beiden erwähnten sind Susanne Brunner und Karin Wenger. Da Sexismus zu unterstellen ist wohl fehl am Platz. Ob die beiden von Ihnen erwähnten bewusst ausgelassen wurden oder aus Versehen ist die Sache des Autors und Sie könnten das ja ohne «müde» und «muss» einfach nachfragen. Weggelassen wurden übrigens auch die Männer Martin Aldrovandi (China) und David Nauer (Russland), beide sehr zurecht, da sie nicht tendenziöser berichten könnten, wenn sie direkt vom CIA bezahlt wären.
Seit Jahren bin ich interessierter, kritischer Echo-Hörer und kann Ihre Worte, Herr Müller, nur unterstreichen. Ich habe noch eine Frage an Sie: Haben Sie Ihre zwei sehr gewichtigen Einwände auch den Echo-Verantwortlichen direkt mitgeteilt? Besten Dank Joseph Goldinger
Sehr treffend beschrieben, insbesondere zwischen den Zeilen.
Es ist auch mein Wunsch, dass das Echo nicht noch schlechter werden möge!
Wo es um Sendungen des Radios oder des Fernsehens geht wie hier, wünschte ich mir gleich noch die Angabe, wie wir dort unsere Meinung ebenfalls abgeben könnten. Dies würde die Wirkung solcher Artikel sicher vergrössern.
Ich höre täglich das „Echo“. Zu Russland, Polen, Ungarn finde ich es nicht neutral, eher halt so mit westlichen „Werten“ imprägniert. Mangelnde Unabhängigkeit der Justiz? Das hört man zu Polen und Ungarn besonders oft. Aber wo gibt es überhaupt „unabhängige“ Justiz? Ich halte das für einen Mythos. Man kann das Recht doch auf alle Seiten biegen.