Jacqueline Buehlmann 960 593

Jacqueline Bühlmann durfte am Radio den Post-Chef Roberto Cirillo befragen. Dass sie Post-PR-Frau ist, erfuhren die Zuhörer nicht. © post.ch

Harmlose Fragen an den «lieben Roberto»

Marco Diener /  Post-Chef Roberto Cirillo hatte im SRF-«Tagesgespräch» buchstäblich ein Heimspiel. Post-Bürolisten durften ihm Fragen stellen.

Eigentlich hätten sich gestern im «Tagesgespräch» auf Radio SRF kritische Fragen an den abtretenden Post-Chef Roberto Cirillo geradezu aufgedrängt. Immerhin hatte die Post am Morgen bekanntgegeben, dass sie im letzten Jahr einen Gewinn von 324 Millionen Franken erwirtschaftet habe – 70 Millionen mehr als im Vorjahr. Und trotzdem setzt sie ihren Dienstleistungsabbau unbeirrt fort.

Steilpass für Cirillo

Doch Moderator David Karasek verpasste es, die entscheidenden Fragen zu stellen. Stattdessen gab er sich pseudo-kritisch. So fragte er etwa: «Die Post hat innerhalb der letzten zwei Jahre zwei Mal die Briefpreise erhöht für A- und B-Post. Ist denn das wirklich nötig in Anbetracht dieses Gewinns?»

Hätte Cirillo etwa antworten sollen? «Nein, die Preiserhöhungen waren nicht gerechtfertigt. Wir haben überstürzt gehandelt. Der Aufschlag war übertrieben. Es tut uns leid!»

Natürlich nicht. Cirillo war dankbar für die Frage, ob denn die Preiserhöhungen wirklich nötig gewesen seien. Den Steilpass von David Karasek verwertete er mit: «Ja, absolut.»

Heimspiel für Cirillo

Cirillo genoss – wenn wir im Fussball-Jargon bleiben wollen – Heimvorteil. Die Sendung «Tagesgespräch» wurde nämlich für einmal nicht aus einem Radiostudio ausgestrahlt, sondern vom Post-Hauptsitz im Wankdorf in Bern. Und zwar – so die kuriose Begründung –, weil Cirillo nach sechs Jahren als Post-Chef zurücktrete. Karasek kündigte schon zu Beginn der Sendung an: «Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Post haben die Gelegenheit bei Ihrem letzten öffentlichen Auftritt dabei zu sein und später dann auch Fragen zu stellen.»

Cirillo hatte also nicht nur ein Heimspiel – er brachte auch gleich das eigene Publikum mit. Und zwar nicht Briefträger oder Paketboten, Schalterangestellte oder Angestellte eines Sortierzentrums, sondern 30 Bürolisten vom Post-Hauptsitz.

Fragen aus der Fankurve

Nur zwei Angestellte stellten Fragen. Eine war Jacqueline Bühlmann: «Roberto, du hattest am Anfang deiner Amtszeit gesagt, wir sollten uns einen Ruck geben. Nun interessiert es mich natürlich: Hast du diesen Ruck gespürt, und wie hast du den Kulturwandel in diesen sechs Jahren wahrgenommen?»

Cirillos Antwort war nicht interessant.

Interessant ist vielmehr, wer Jacqueline Bühlmann ist. Sie ist nämlich Mediensprecherin bei der Post. Ihr Auftrag ist es, die Post Tag für Tag in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen.

Es ist schon erstaunlich, dass Radio SRF es zulässt, dass eine PR-Frau der Post am Radio den Post-Chef befragt. Und nicht einmal transparent macht, wer Jacqueline Bühlmann ist. Mit Journalismus hat das jedenfalls nichts zu tun.

Die zweite Frage stammte von Pascal Sieber aus dem Personalwesen. Auch sie war harmlos: «Lieber Roberto, mich würde interessieren: Du durftest in den letzten sechs Jahren sehr viele und wichtige Entscheidungen für die Post fällen. Gibt es eine bestimmte Entscheidung, die dir im Nachgang persönlich nahe ging und die du vielleicht rückblickend anders fällen würdest?»

Auch das war eine Frage wie aus dem Wohlfühl-Seminar. Und nicht eine Frage, wie man sie dem umstrittenen Manager eines Staatsbetriebs stellen müsste.


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