Google-Abgaben für Medien: bequem, aber fragwürdig
Die Schweizer Medienhäuser wollen Geld von Google. Und zwar dafür, dass Google auf seiner Suchplattform Schlagzeilen der Redaktionen bündelt und damit teilweise durch Werbeplatzierungen Geld verdient. Nach Ansicht der Verlage steht ihnen ein Teil dieser Einnahmen zu. Ein Gesetzeswerk soll nun ihre Ansprüche legitimieren und diese gegenüber den US-Technokonzernen und insbesondere gegenüber dem führenden Suchmaschinen-Anbieter durchsetzen. Die Schweizer bewegen sich damit im interessenpolitischen Gleichschritt mit den Zeitungshäusern anderer westlicher Staaten, wo ähnliche Gesetze geplant sind oder bereits eingeführt wurden. Demnächst wird der Bundesrat einen entsprechenden Regelungsvorschlag zum sogenannten «Leistungsschutzrecht» in die Vernehmlassung schicken.
Falsch, aber mundgerecht
«Leistungsschutzrecht» – der Begriff ist nur Experten geläufig. Weil die Materie, wie so oft im Bereich des Urheberrechts, reichlich abstrakt ist, haben die Lobbyisten beharrlich daran gearbeitet, den Polit-Stoff mundgerecht zu machen. Sie behaupten darum, Google übernehme gratis die Artikel und Beiträge der Redaktionen. Das stimmt zwar nicht, weil Google nur Schlagzeilen bündelt, welche die Redaktionen gratis zur Verfügung stellen in der Hoffnung, dass die Suchenden die mit den Schlagzeilen verknüpften Links anklicken und damit die medieneigenen Websites besuchen. Doch die Verlage behaupten oder suggerieren beharrlich, Google übernehme ganze Artikel.
In einem Brief, den der Verlegerverband jüngst an Chefredaktionen und Journalisten richtete, wird bereits versucht, die Stossrichtung der Berichterstattung zu prägen. Darin heisst es: «Die Bedeutung von gutem Journalismus für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat ist enorm – der zeitliche und finanzielle Aufwand ebenso. Die Verlage investieren hunderte Millionen Franken. Unbestritten ist daher, dass Artikel und Beiträge nicht gratis übernommen werden dürfen. Die internationalen Tech-Giganten kümmert dies leider nicht!» Gewiss, Redaktionen und Lobbyisten müssen Sachthemen vereinfachen, um sie den Laien verständlich zu machen. In diesem Fall handelt es sich jedoch um eine gezielte Irreführung. Das ist gerade mit Blick auf die Glaubwürdigkeit von Informationsanbietern riskant.
Bisher scheint die Strategie erfolgreich zu sein. Im Hinblick auf eine Einführung eines «Leistungsschutzrechts» sagte bereits Ende 2020 die damalige Medienministerin Simonetta Sommaruga, es sei störend, dass die Internetkonzerne mit Leistungen Geld verdienten, welche von den Redaktionen erbracht würden. Die einheimischen Medien müssten dafür bezahlt werden. Bundesrätin Karin Keller-Suter, damals noch im Justizdepartement, verglich vor anderthalb Jahren an einer Veranstaltung Google gar mit Velodieben: «Es ist, wie wenn man mit einem gestohlenen Velo herumfährt». Gemäss der «Aargauer Zeitung» sagte sie ferner: «Produkte, die man nicht selber hergestellt hat, kann man nicht kostenfrei zur Verfügung stellen.» Der Punkt ist allerdings: Es sind die Verleger, welche die Angebote gratis zur Verfügung stellen.
Die Argumentation setzt sich durch
Doch das so einfache wie irreführende Argumentationsmuster hat sich durchgesetzt. Auch FDP-Präsident Thierry Burkart hält sich daran. Anfang dieses Jahres sagte er an einer Tagung des Medienverbands: «Allerdings gehört zu freiheitlichen Rahmenbedingungen, dass Leistung etwas kostet und mit einer qualitativen Leistung Geld verdient werden kann. Aus diesem Grund ist es zwingend, dass Inhalte von Verlagen nicht einfach übernommen werden dürfen, ohne dass dafür eine Abgeltung bezahlt wird. Leistung muss geschützt werden, andernfalls wird sie nicht mehr erbracht.» Burkart zog dabei diesen Vergleich: «Der Zweck der Nutzung ist übrigens nicht relevant. Auch ein Warenhaus, das im Hintergrund Musik laufen lässt, muss eine Abgabe für die Nutzung der Musik bezahlen.» In diesem Sinn unterstützt Burkart die Einführung eines «Leistungsschutzrechts».
Damit hat das Vorhaben gleichsam die Adelung als liberales Anliegen erhalten. Doch eben: Auch Burkarts Vergleich ist schief. Korrekterweise müsste die Bündelung von Online-Schlagzeilen eher mit Kiosken verglichen werden, welche in Regalen die aktuellen Ausgaben von Presseerzeugnissen ausstellen. Der Kunde kann dann anhand der sichtbaren Titelseiten entscheiden, ob er ein Produkt kaufen will. Müssten nun die Kioske die Verlage für die Präsentation der Medienorgane entschädigen? Das wäre ein Geschäftsmodell, das nicht der Praxis entspricht und zudem kontraintuitiv ist. Doch so gesehen, würde das die Argumentation der Befürworter des «Leistungsschutzrechts», um das nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt gerungen wird, durchkreuzen.
Support durch eine Auftragsstudie
Kürzlich publizierte der Verband eine Studie, welche die besonderen Verhältnisse auf dem Online-Markt für Newsanbieter verständlicher machen soll. Die Untersuchung basiert auf einer Beobachtung des Suchverhaltens von fast 1600 Probanden, die in der Schweiz sesshaft sind. In einem Experiment konnte ein Teil der Teilnehmer nach Informationen suchen, ohne Zugriff auf Medienschlagzeilen zu haben. Die andere Hälfte bekam diese zu Gesicht. Es zeigte sich, dass 70 Prozent der Nutzer die Suchresultate, welche «Medieninhalte» bzw. redaktionelle Schlagzeilen enthalten, als wertvoller einschätzen als jene ohne mediale Leistungen.
Daraus leiten die Studienautoren ab, dass die Schlagzeilen der Redaktionen den Wert der Google-Suche erhöhen. Damit profitiere der Suchmaschinenbetreiber von den (werblichen) Leistungen der Redaktionen. Die Analyse, verfasst von FehrAdvice & Partners, macht aber auch das sichtbar: Die Mehrheit der Nutzer (53 Prozent) gibt sich mit den von Google präsentierten Resultaten zufrieden und klickt keine Schlagzeile an, um den entsprechenden Artikel zu lesen. Was wiederum heisst: Ohne ein «Leistungsschutzrecht», das diese Schlagzeilen erfassen soll, gehen die Verlage leer aus, während allein Google die Einnahmen der allenfalls damit verknüpften Werbung einsackt.
Das halten die Autoren der Auftragsstudie für unfair. Sie sprechen von einem (digitalen) Informations-Ökosystem, das nur in einem Gleichgewicht sei, wenn die Verlagshäuser, die durch den Medienwandel viel Werbegeld verloren haben, an den Umsätzen auf den digitalen Suchplattformen «fair» beteiligt werden.
Was heisst fair?
Was wäre aus Sicht dieser Experten fair? Kurz gesagt: wenn die Verlage 40 Prozent des Umsatzes an Suchmaschinenwerbung, die mit Hilfe von «Medieninhalten» erwirtschaftet wird, erhielten. Was Google mit Schlagzeilen-bezogener Werbung verdient, gibt der Konzern nicht bekannt. Die Studienautoren nennen eine Zahl und stützen sich dabei auf Annahmen und Einschätzungen zum Werbemarkt. Sie kommen auf Netto-Einnahmen von «circa 385 Millionen Franken». 40 Prozent davon, der sogenannte «Fair Share», wären dann 154 Millionen Franken. Der Betrag entspricht ziemlich genau den 150 Förder-Millionen, welche das vom Schweizer Stimmvolk vor einem Jahr abgelehnte Medienhilfspaket in Aussicht gestellt hat – was für ein Zufall.
Die Berechnungen der Studie enthalten eher spekulative Annahmen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Einnahmen, die Google mit Schlagzeilen-bezogener Werbung erzielt. Das wäre Stoff für langwierige Diskussionen unter Fachleuten. Sicher ist, dass damit im Hinblick auf das Gesetzesprojekt eine konkrete Zahl vorliegt, die in den Forderungskatalog der Lobbyisten einwandern wird. Wer die Sachlage intuitiv beurteilt, wird sich wundern, dass man mit Schlagzeilen, die in der Bündelung durch Google zumeist sehr gleichförmig und wenig aussagekräftig sind, so viel Geld verdienen können soll. Bisher herrscht in Branchenkreisen die Meinung vor, dass man mit nackten News nichts erwirtschaften kann. Wenn die Hälfte der Nutzer keine Schlagzeilen anklicken, heisst dies eigentlich, dass sie ein geringes Interesse an Informationen haben und damit für die Medienbranche in ökonomischer Hinsicht wertlos sind – solange es dieser nicht gelingt, durch verbesserte Schlagzeilen bzw. Werbesprüche vermehrt auf sich aufmerksam zu machen.
Ausgelagerte Medienförderung
Insgesamt kann man festhalten: Das «Leistungsschutzrecht» hat eine sachlich höchst wacklige Grundlage. Da dieses den Steuerzahler nichts kostet, wird jedoch kaum relevanter politischer Widerstand aufkommen. Vielmehr bietet das Vorhaben die Gelegenheit, Medienförderung quasi gratis an einen ausländischen Konzern auszulagern. Da andere Staaten Google und Co. mit denselben Lasten belegen wollen, ergäbe sich für die Schweiz nicht einmal eine Verschlechterung der Position im internationalen Standortwettbewerb. Vielmehr spielt man die Rolle des Trittbrettfahrers. Das scheint bequem. Aber sachlich betrachtet, ist die Angelegenheit nicht sauber.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Google erbringt auch eine Leistung für die Verlage: Nämlich es macht sie auffindbar. Wie würden die Verlage agieren, wenn ich von denen auf der Titelseite ein ganzseitiges Inseraten schalten will und dafür noch Geld verlange? Die würde mich auslachen. Nichts anderes tun aber die Verlage. Wie der Artikel korrekt dargelegt hat, wollen die Verlage, dass ihre Artikel in Google auftauchen. Google News enthält zudem nicht einmal Werbung. Auch hier wird seitens der Verlage gelogen. Zuletzt: Es gibt ein einfaches Mittel Google daran zu hindern, dass man in den Index aufgenommen wird: robots.txt. Das ist auch den Verlegern klar, aber sie tun das Gegenteil: Sie engagieren zahlreiche Leute um möglichst gut in den Suchmaschinen platziert zu werden.
Das kann Google leicht regeln, indem es kommerzielle Kunden bei den Suchresultaten auf Seite 20, noch weiter hinten platziert oder gar nicht mehr anzeigt und verlangt, das wer weiter nach vorne wolle, halt Werbung bei Google kaufen müsse. Soweit mir bekannt ist, gibt es kein Recht darauf, in Suchresultaten vorne, oder überhaupt angezeigt zu werden und als private US-Firma ist Google ja sowieso nur beschränkt an Grundrechte gebunden.
Danke, ich sehe das etwas einfacher. Die Casino- Finanzpolitik welche Europa von den USA erlernt hat, und unter welchem die Schweiz geblutet hat, kommt jetzt mit einer Ohrfeige zurück. Wer in einem gewissen Bereich die besseren Anwälte, die besseren Beziehungen, die besseren Druckmittel hat, setzt sich durch. Die US Firmen verhalten sich oft gleichermaßen gegenüber der Schweiz und anderen Nationen. So wie man beim schmutzigen Kapitalismus, welcher sich einen deut schert um Moral und Ethik, in den Wald schreit, so kommt es zurück. Jeder Webmaster kann auf einer Nachrichten Webseite mit den versteckten Skripts Google erlauben oder verbieten diese oder jene Seite zu publizieren. Somit wäre der Fall ja klar. Aber hier geht es wohl um anderes als Medienrechte, es geht nur um nationalen Profit. So wie ihr mir, so ich euch.
Ich verstehe die Skrupel von Herrn Stadler nicht. Google hat ja auch keine Skrupel, wenn es drum geht, mich auszuspionieren – und das, was sie über mich erfahren haben – zu verhökern. Aehnliches läuft ja gerade gegen Tik-Tok. Die USA mit dem zahlreichsten und grössten Geheimdiensten der Welt macht sich Sorgen, von Tik-Tok ausspioniert zu werden. Ja, sie werden es ja wissen! Zumindest wissen Sie am besten, wie das geht.
Soll Google bezahlen? Natürlich JA!
Der Gigant hat in Zürich wohl seinen Hauptsitz, mindestens residiert er im Bereich der «Europa-Alle», wo zwar keine Bäume stehen(!), wo Google aber im Nächstbereich des Hauptbahnhofes X-Vorteile hat und nutzt. Mehr oder weniger Front an Front mit SBB und Post, hat der Gigant weitere Firmen und Parterre-Geschäfte in Reichweite. Was als Potenz = Möglichkeit im berüchtigten Graubereich Öffentlichkeit||Persönlich dazukommt, wurde+wird seit Jahren praktiziert: Massenhaft frech-offene Aufnahmen von Menschen mit Videos als Gesichtserkennung! Vor wenigen Jahren wurden Gesichter noch abgedeckt anlässlich von Street-View-Aufnahmen. Dafür stimmen diese selten mit den Landkarten überein! Basteleien für Geld und Einfluss.
Warum jammern Juristen gegen Juristen – Nutzer gegen Nutzer? Die ganzen «Neuerungen» seitens implantierter Giganten spülen gigantisches Geld in deren Kassen. Wir holen uns öffentlich unsern öffentlichen Teil davon zurück. Hansjörg Birchler
Selbstverständlich zählt auch Google zu den steuerpflichtigen Unternehmen. Im Artikel geht es aber nicht um die Höhe von Unternehmenssteuern, sondern um die Frage, ob Google und andere grosse Suchmaschinen für die Verlinkung und Zusammenstellung von redaktionellen Schlagzeilen eine Art Urhebergebühren zahlen sollen.
Juristen leben vom Rechtsstreit. Bei den meisten gerichtlichen Auseinandersetzungen sind die wahren Gewinner die Juristen. Dennoch ist es gut, daß es sie gibt.