Rashida Tlaib

Die demokratische Kongress-Abgeordnete Rashida Tlaib aus Michigan © RT

«Für die Pressefreiheit die Anklage gegen Assange fallenlassen»

Red. /  Eine demokratische Abgeordnete sammelt im US-Kongress Unterschriften, um einen gefährlichen Präzedenzfall zu verhindern.

upg. Der Journalist Julian Assange schmort seit drei Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Er muss dort auf einen Entscheid über die Auslieferung in die USA warten. Man müsse mit Assange nicht sympathisieren, könne sogar ungute Gefühle haben. Aber es gehe darum, was er tatsächlich gemacht habe. Und das sei nichts anderes, als was Zeitungen wie die New York Times oder die Washington Post auch schon taten. Das sagt die demokratische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus, Rashida Tlaib. Ein Brief, für den sie im Kongress Unterschriften sammelt, und den sie dem US-Generalstaatsanwalt übergeben möchte, hat Intercept kürzlich publik gemacht.
Infosperber dokumentiert ihn im Folgenden nur leicht gekürzt.

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Sehr geehrter Generalstaatsanwalt Merrick Garland

Wir schreiben Ihnen heute, um Sie aufzufordern, den Schutz des Ersten Verfassungszusatzes für die Pressefreiheit zu respektieren, indem Sie die strafrechtlichen Anklagen gegen den australischen Journalisten Julian Assange fallen lassen und das US-Auslieferungsgesuch zurückziehen. Dieses ist derzeit bei der britischen Regierung anhängig.

Pressefreiheits-, Bürgerrechts- und Menschenrechtsgruppen haben nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anklagen gegen Assange die verfassungsmässig geschützte journalistische Tätigkeit in schwerwiegender Weise bedrohen. Eine Verurteilung würde einen folgenschweren Rückschlag für den Ersten Verfassungszusatz bedeuten. 

Die wichtigsten Medien sind sich einig: Die New York TimesThe GuardianEl PaisLe Monde und Der Spiegel haben eine gemeinsame Erklärung gegen die Anklage veröffentlicht. Sie warnen davor, dass eine Verurteilung «einen gefährlichen Präzedenzfall schafft und droht, Amerikas ersten Verfassungszusatz und die Pressefreiheit zu untergraben».

Die American Civil Liberties Union ACLUAmnesty InternationalReporter ohne Grenzen, das Komitee zum Schutz von Journalisten sowie Human Rights Watch haben sich mit diesen Bedenken dreimal schriftlich an Sie gewandt. Sie äusserten ihre Bedenken wie folgt:

«Die Anklage gegen Julian Assange bedroht die Pressefreiheit, weil viele der in der Anklage beschriebenen Handlungen routinemässig von Journalisten begangen werden – und von ihnen begangen werden müssen, um die Arbeit zu tun, die die Öffentlichkeit von ihnen erwartet […] Sie erhalten und veröffentlichen Dokumente, welche die Regierung als geheim einstuft. Unserer Ansicht nach könnte ein solcher Präzedenzfall diese üblichen journalistischen Praktiken kriminalisieren.»

Die strafrechtliche Verfolgung von Julian Assange wegen der Ausübung journalistischer Tätigkeiten schmälert die Glaubwürdigkeit der USA als Verteidiger dieser Werte erheblich. Sie untergräbt das moralische Ansehen der USA auf der Weltbühne. Sie erlaubt autoritären Regierungen, sich auf die strafrechtliche Verfolgung von Assange berufen zu können (und dies auch tun), um nachweisbare Kritik an ihrer Menschenrechtsbilanz zurückzuweisen […] 

Führende Politiker von Demokratien, wichtige internationale Organisationen und Parlamentarier auf der ganzen Welt lehnen die strafrechtliche Verfolgung von Assange ab. Der ehemalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter, Nils Melzer, und die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatovic, haben sich beide gegen die Auslieferung ausgesprochen. Der australische Premierminister Anthony Albanese hat die US-Regierung aufgefordert, die Verfolgung von Assange einzustellen. 

Die Staats- und Regierungschefs fast aller grossen lateinamerikanischen Länder, darunter der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador, der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva und der argentinische Präsident Alberto Fernández, haben dazu aufgerufen, die Anklage fallen zu lassen. 

Parlamentarier aus der ganzen Welt, darunter aus Grossbritannien, Deutschland und Australien, fordern, Assange nicht an die USA auszuliefern.

Dieser weltweite Aufschrei gegen die Strafverfolgung von Julian Assange durch die US-Regierung hat den Gegensatz zwischen den erklärten Werten der Pressefreiheit und der Verfolgung von Herrn Assange deutlich gemacht. 

Der Guardian schrieb: «Die USA haben sich diese Woche zum Leuchtturm der Demokratie in einer zunehmend autoritären Welt erklärt. Wenn es Präsident Biden ernst damit ist, die Medien zu ermuntern, Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen, sollte er als ersten Schritt die Anklage gegen Assange fallenlassen.» 

Ähnlich äusserte sich die Redaktion des Sydney Morning Herald: «Zu einer Zeit, in der US-Präsident Joe Biden gerade einen Gipfel für Demokratie abgehalten hat, scheint es widersprüchlich, so viel Aufwand zu betreiben, um einen Fall zu gewinnen, der im Erfolgsfall die Redefreiheit einschränken wird.»

Als Justizminister setzen Sie sich zu Recht für die Pressefreiheit und die Rechtsstaatlichkeit in den USA und in der ganzen Welt ein. Erst im Oktober 2022 hat das Justizministerium unter Ihrer Führung Richtlinien für Nachrichtenmedien geändert: Bundesstaatsanwälten ist es fortan generell untersagt, Vorladungen oder andere Ermittlungsinstrumente gegen Journalisten einzusetzen, die im Besitz von Verschlusssachen sind und diese veröffentlichen. Wir sind dankbar für diese Änderungen zugunsten der Pressefreiheit und der festen Überzeugung, dass die Einstellung der Anklage des Justizministeriums gegen Julian Assange und die Einstellung aller Bemühungen, ihn an die USA auszuliefern, im Einklang mit diesen neuen Richtlinien stehen.

Gegen Julian Assange werden 17 Anklagen nach dem Espionage Act und eine Anklage wegen Verschwörung zum Eindringen in Computer erhoben. Die Anklagen nach dem Espionage Act stützen sich auf die Rolle von Julian Assange bei der Veröffentlichung von Informationen über das US-Aussenministerium, Guantanamo Bay und die Kriege im Irak und in Afghanistan. 

Ein Grossteil dieser Informationen wurde von grossen Zeitungen wie der New York Times und der Washington Post veröffentlicht, die oft direkt mit Assange und WikiLeaks zusammenarbeiteten. Nach der juristischen Logik dieser Anklageschrift könnte jede dieser Zeitungen wegen dieser Berichterstattung strafrechtlich verfolgt werden. Was Assange vorgeworfen wird, ist rechtlich nicht von dem zu unterscheiden, was Zeitungen wie die New York Times tun. Deshalb hatte die Obama-Regierung es zu Recht abgelehnt, diese Anklage zu erheben. Die Trump-Administration, welche die Anklage gegen Assange erhoben hat, war deutlich weniger um die Pressefreiheit besorgt.

Die Strafverfolgung von Assange ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass ein Herausgeber wahrheitsgemässer Informationen auf der Grundlage des Spionagegesetzes angeklagt wurde. Die strafrechtliche Verfolgung von Assange schafft nicht nur einen rechtlichen Präzedenzfall, nach dem Journalisten oder Verleger strafrechtlich verfolgt werden können, sondern auch einen politischen. In Zukunft könnten die New York Times oder die Washington Post strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie wichtige Informationen auf der Grundlage geheimer Dokumente veröffentlichen. Oder, was für die Demokratie ebenso gefährlich ist, sie könnten aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung auf die Veröffentlichung solcher Geschichten verzichten.

Julian Assange befindet sich seit mehr als drei Jahren in London in Untersuchungshaft, weil er auf den Ausgang des Auslieferungsverfahrens gegen ihn warten muss. Im Jahr 2021 lehnte ein britischer Bezirksrichter die Auslieferung von Assange an die USA mit der Begründung ab, dass dies ein unangemessenes Selbstmordrisiko für ihn darstellen würde. 

Der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs hob diese Entscheidung auf, nachdem die USA zusicherten, Assange im Gefängnis akzeptabel zu behandeln. 

Keines der beiden Urteile befasst sich mit der Pressefreiheit, welche durch die Anklage bedroht ist. 

Das US-Justizministerium kann dieses schädliche Verfahren jederzeit stoppen, indem es die Anklage gegen Assange fallen lässt.

Jeder Tag, an dem die strafrechtliche Verfolgung von Julian Assange fortgesetzt wird, ist ein weiterer Tag, an dem unsere eigene Regierung unnötigerweise unsere eigene moralische Autorität im Ausland untergräbt und die Pressefreiheit im Rahmen des Ersten Verfassungszusatzes im Inland zurückschraubt. 

Wir fordern Sie dringend auf, diese aus der Trump-Ära stammende Anklage gegen Julian Assange sofort fallen zu lassen und diese Strafverfolgung einzustellen.

Mit freundlichen Grüssen

Mitglieder des Kongresses:

Rashida Tlaib, D-Mich.
Jamaal Bowman, D-New York
Ilhan Omar, D-Minn.
Cori Bush, D-Mo.

(unvollständig)

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Nils Melzer: «Assange wird dämonisiert, um von seinen Enthüllungen abzulenken»

Melzer ist einer der weltweit angesehensten Menschenrechtsanwälte. In den vergangenen zwanzig Jahren hat er das Rote Kreuz, die NATO und verschiedene Regierungsstellen in Fragen des Völkerrechts, der gezielten Tötung und der Cyberkriegsführung beraten. Als UN-Sonderberichterstatter für Folter und andere erniedrigende Behandlungen untersuchte Melzer über zwei Jahre lang die Leidensgeschichte des Wikileaks-Gründers und veröffentlichte seine Erkenntnisse im Buch «Der Fall Julian Assange – Geschichte einer Verfolgung».

Im Interview auf der Website des Verlags sagt er: «Die Fakten zeigen: Assange wurde ganz gezielt dämonisiert, um die Öffentlichkeit von seinen explosiven Enthüllungen abzulenken – von Kriegsverbrechen, Korruption und der Straflosigkeit der Mächtigen.» Dafür werde Assange nun «systematisch verfolgt, misshandelt und zerstört – nicht in einer fernen Diktatur, sondern mitten in demokratischen Rechtsstaaten Europas». 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 18.04.2023 um 12:48 Uhr
    Permalink

    Merci für diesen Bericht.
    Endlich passiert etwas. Hoffe, dass Rashida Tlaib und ihre Leute Erfolg haben.
    Es ist höchste Zeit, dass Julian Assange raschmöglichst seine Freiheit wiedererhält.

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