Blutbad

Der Ausdruck «Blutbad» ist zwar verständlich, aber zynisch. Chat-GPT zeigt das anschaulich. © KI-Bild/Chat-GPT

Für alle, die mit ihrer Sprache nicht blenden wollen

Marco Diener /  Die einen sprechen und schreiben, um zu beeindrucken. Die anderen, um verstanden zu werden. Infosperber hilft zweiteren.

Eines vorweg: Wer gerne so spricht oder schreibt, dass andere beeindruckt sind, braucht hier nicht weiterzulesen. Wer hingegen so sprechen und schreiben möchte, dass andere verstehen, ist hier richtig.

In Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Fernsehen, aber auch in Politik und Wirtschaft greift eine Sprache um sich, die zwar beeindruckend klingt, aber ungenau, umständlich und schlimmstenfalls unverständlich ist.

Beispiel gefällig? Die Tamedia-Zeitungen berichteten kürzlich über Femizide – also Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Die Zeitungen schrieben: «Die Politik reagiert mit einer Reihe von Massnahmen auf die anhaltend hohen Opferzahlen. Die Kantone bauen ihr Bedrohungsmanagement aus.»

Klingt gut. Aber Leserinnen und Leser erfuhren nicht, was ein «Bedrohungsmanagement» ist. Sie konnten nicht lesen, was die Kantone tatsächlich tun. Und sie konnten sich auch keine Meinung dazu bilden.

Bedrohungsmanagement
Unter «Bedrohungsmanagement» kann sich auch Chat-GPT nichts Schlaues vorstellen.

Das Problem: Die Sprache der Blender ist ansteckend. Wer ihnen lange genug zuhört und wer zu viel von ihnen liest, spricht und schreibt plötzlich selber so. Für alle, die sich dem entziehen möchten, hat Infosperber eine Liste von Wörtern und Ausdrücken zusammengestellt, die es zu vermeiden gilt. Infosperber schlägt auch Alternativen dazu vor. Den ersten Teil der alphabetisch geordneten Liste (A bis D) finden sie hier:

  • abwickeln: Das ist Finanzjargon. Wenn es heisst, dass eine Bank «abgewickelt» werden sollte, dann bedeutet das: man sollte sie «in Konkurs gehen lassen».
  • Am Ende des Tages: Damit ist nicht die Zeit um 18 oder um 20 Uhr herum gemeint. Es ist eine Lehnformulierung aus dem Englischen. Sie bedeutet «letztlich» oder «schliesslich».
  • aktiv: Gegenüber einer Zeitung soll der Sicherheitschef von Saas-Fee VS gesagt haben: «Die Skifahrer missachten aktiv unsere Anweisungen.» Andernorts lesen wir, da habe einer den anderen «nicht aktiv eingeladen». «Aktiv» ist überflüssig. Fast immer.
  • Analyst: Auch ein Lehnwort aus dem Englischen. Eigentlich handelt es sich um «Analytiker».
  • Arealentwicklung: Eines der Lieblingswörter von Leuten, die in der Verwaltung oder in der Immobilienbranche tätig sind. Gemeint sind «Überbauungen». Aber «Arealentwicklung» klingt offenbar weniger negativ als «Überbauung».
  • aufgleisen: SRF berichtete: «Neue Tarifregelung für ambulante Behandlungen ist aufgegleist.» Was das bedeutet? Nichts. Die Zuschauer erfahren nicht, was «geplant», «beschlossen», «eingeführt» oder bereits «in Kraft» ist. Übrigens: «Auf den Weg bringen» oder «auf den Schlitten bringen» ist auch nicht besser als «aufgleisen».
aufgleisen
Was wird da genau «aufgegleist»?
  • ausrollen: Auch so ein Lehnwort aus dem Englischen. Die Swisscom behauptet beispielsweise, sie habe «die Software an allen elf Standorten gleichzeitig ausgerollt». Wer sich vor Augen führt, wie das aussähe, kann nur den Kopf über diese Formulierung schütteln. Vermutlich hat die Swisscom die Software «eingeführt». Aber wer weiss?
ausrollen
«Ausrollen» stellt sich Chat-GPT so vor. Aber wie «rollt» die Swisscom wohl ihre Software «aus»?
  • Ausrufezeichen: Wer hat nicht schon alles «ein Ausrufezeichen gesetzt»? Sportler, Politiker, Künstler. Was sie getan haben? Eine ausserordentliche «Leistung erbracht», etwas «in aller Deutlichkeit gesagt», einen «Preis gewonnen». Das sagt man am besten auch so.
  • Banker: Ein Allerweltswort, dazu noch unpräzise. Denn es gibt «Bankiers» und «Bankangestellte». «Bankangestellte» sind – wie der Name sagt – Angestellte; «Bankiers» hingegen sind «Besitzer» oder «Verwaltungsräte» einer Bank.
  • barrierefrei: Wenn etwas «barrierefrei» ist, dann hat es keine Barriere. Wenn etwas «nicht barrierefrei» ist, dann hat es auch keine Barriere. Denn eigentlich geht es gar nicht um Barrieren, sondern darum, ob ein Gebäude oder ein Verkehrsmittel «behindertengängig» ist.
  • Begrifflichkeit: Das ist an sich ein Fachbegriff aus der Philosophie. Gemeint ist meistens bloss ein «Begriff» oder ein «Wort». Aber die «Begrifflichkeit» mit ihren Nachsilben «-lich» und «-keit» klingt halt beeindruckender.
  • Blutbad: Niemand badet. «Blutbad» ist ein Wort, das an Zynismus kaum zu übertreffen ist.
  • Blutvergiessen: Niemand läuft mit der Giesskanne herum. Siehe auch «Blutbad».
Blutvergiessen
Wie kommen Journalisten dazu, das Wort «Blutvergiessen» zu verwenden?
  • Blutzoll: Niemand bezahlt Zoll. Das Wort ist so zynisch wie das «Blutbad» und das «Blutvergiessen». Denn «Zoll» ist eine obligatorische Abgabe.
  • Botschafter: Roger Federer war ein erfolgreicher Tennisspieler. Aber er war nie Diplomat. Und trotzdem wird er ständig als «Botschafter» von Kaffeemaschinen, von Schokolade, einer Bank, von Luxusuhren, von chinesischen Kleidern, von teuren Schuhen und sogar als «Botschafter» der Schweiz bezeichnet. Dabei ist er nichts anderes als ein «Werbeträger».
  • Care-Arbeit: Ein Allerweltswort. Geht es um Kinder, Behinderte, Alte? Sind sie krank, verletzt, eingeschränkt? Brauchen sie Betreuung, Pflege oder Heilung? Oder bloss Unterhaltung? Über all das sagt «Care-Arbeit» nichts aus.
  • CEO: Ist ganz einfach der «Direktor», allenfalls der «Generaldirektor».
  • CFO: Und das ist der «Finanzchef».
  • CO2-Emissionen: Warum nicht «CO2-Ausstoss»?
  • Crowdfunding: Früher hiess das «Spendensammlung». Und das war gut so.
  • diametral: Häufig in der Kombination «diametral entgegengesetzt». Doch wie anders als «diametral» soll etwas «entgegengesetzt» sein?
Newsletter Balken gold

  • disruptiv: Modewort. Hat ursprünglich zwei Bedeutungen: 1. In der Biologie «grob gemustert». 2. In der Technik «ein Gleichgewicht oder ein System zerstörend». Ansonsten bedeutet es wohl: «Schaut her – was für ein kluger Kerl ich bin! Dass ich solche Wörter kenne! Und anwende!»
  • divers: Bedeutet eigentlich «vielfältig». Aber das klingt weniger woke. Wobei: «woke» ist ein Fall für sich.
  • DNA: Auf Deutsch eigentlich «DNS». Oder «Desoxyribonukleinsäure». Der Ausdruck stammt aus der Genetik. Als Leser staunen wir darüber, was alles im Erbgut angelegt sein soll. Die Migros hat nach eigenen Angaben die Nachhaltigkeit in der «DNA». Die Transparenz auch. Die Regionalität ebenso. Und die soziale Verantwortung sowieso. Für die UBS müssen Unternehmer die richtige «DNA» haben. Und Aldi hat «Top-Qualität zum besten Preis» in der «DNA». Dabei ist den Firmen die Nachhaltigkeit, die Transparenz oder was auch immer möglicherweise «wichtig». Am besten würden sie das auch einfach so sagen.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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13 Meinungen

  • am 13.02.2025 um 11:35 Uhr
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    Die Liste liesse sich täglich fortsetzen und unter dem Titel «Papageienwörterbuch» auch als feste Kolumne «einrasten lassen» (gemeint: als Rubrik publizieren lassen…). Was meinen Sie, Herr Diener? Würde für Verfasser und Leser mächtig Spass machen, wie diese hier!

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 13.02.2025 um 17:55 Uhr
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      Stoff gäbe es genug. Ich werde die Liste sicher hin und wieder updaten oder – besser gesagt – ergänzen.

    • am 14.02.2025 um 23:25 Uhr
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      Die Welt verändert sich und damit auch die Sprache. Mit Begriffen – auch wenn sie aus anderen Sprachen ausgeliehen wurden – können Dinge einfacher und ohne ausufernde Erklärungen benannt werden. Das hat nichts mit Blenden zu tun. Und dieser Artikel ist auch keine journalistische Arbeit, sondern schlicht die arrogante Belehrung der Leserschaft. Die meisten dieser von Ihnen erwähnte Worte sind längst im Alltag und in rechtlichen Verordnungen angekommen. Wenn jemand ein neues Wort nicht versteht, dann wird er jemanden fragen oder – um es Neudeutsch zu formulieren – es googeln. Ihr Artikel ist so arrogant formuliert, dass nicht nur der Eindruck entsteht, Sie wollen der kleinen Leserschaft des Infosperber vorschreiben, wie diese sich sprachlich ausdrücken sollen. Aber vielleicht geht es Ihnen ja nur darum, dass Sie den Leuten sagen wollen, dass Sie derjenige sind, der es besser weiss

  • am 13.02.2025 um 12:25 Uhr
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    Es gibt nochwas: Der Nicht-Bundesrat-Kandidat Gerhard Pfister sagte in der Samstagrundschau auf Radio SRF mindestens sieben Mal das dialektisierte Wort «Herusseforderig»… und das als promovierter Germanist, jetzt gar noch Mitglied der Literatursendung am Fernsehen… Und sowieso Radio SRF: da werden aus den Kollegen im Bundesrat das pleonastische «Amtskollegen». Ein «Pleonasmus» ist. z.B. ein «weisser Schimmel» oder ein «schwarzer Rappe». Ein «kollegea» heisst aus dem Lateinischen übersetzt immerhin «Amtsbruder»; ein «Amtskollege» ergo ist daher ein «Amtsamtsbruder»… Und wenn ich schon dabei bin: Das «Gegenteil» eines «Fräulein» ist nicht «Herrlein», wie uns die Moraltanten unter den Feministinnen weismachen wollen, sondern «Jüngling»… Und überhaupt: die Feministinnen (gemeint sind auch die Feministen…), die haben einige Sprachverbrechen lanciert, einfach, weil sie mit Ideologie statt mit Emanzipation in die Bewusstseinsentwicklung eingreifen…

  • am 13.02.2025 um 13:13 Uhr
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    Ich erinnere mich an einen typischen Ausdruck meines Vaters (Jahrgang 1925, Kriegsteilnehmer): «Ich bin total erledigt». Er meinte damit, dass er sich sehr müde und energielos fühle. Der Ausdruck stammt aus dem (früheren) Militärjargon. Ein Feind (Mensch) wurde erledigt bedeutete in diesem Zusammenhang, dass ein Feind (Mensch) getötet wurde – erledigen=töten. Heutzutage spricht man häufig mehr von neutralisieren oder ausschalten: Ein Feind (Mensch) wurde neutralisiert oder ausgeschaltet. Menschen werden zu Feinden erklärt und getötet, wie man Panzer, Flugzeuge und anderes Kriegsgerät zerstört (neutralisiert, ausschaltet).

  • am 13.02.2025 um 16:14 Uhr
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    Herrlich, herrlich. Endlich wird das Bluffer-Deutsch seziert. Ich freue mich schon auf den Rest des Alphabets. Das Ganze werde ich ausdrucken, laminieren und mir als Bettlektüre auf’s Nachttischchen legen.

  • am 13.02.2025 um 17:31 Uhr
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    Sehr lesenswerter Artikel. Vielen Dank.
    Was dabei natürlich auffallen sollte, ist der ungebührlich grosse Einfluss der englischen und amerikanischen Sprache auf uns Deutschschweizer. Unsere Werbesprache ist ja voll durchtränkt von diesen Anglizismen. Damit geht ein Stück eigener Kultur verloren.

    • am 14.02.2025 um 15:22 Uhr
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      Den Anglizismen geht man ständig auf den Leim. Ich bin da einigermassen kreativ und nehme die deutschen oder schweizerdeutschen Begriffe. Was ich an der englischen Sprache – ausser dem Klang, der mir nicht gefällt – ist ihre rasante Verbreitung. Eine geistige Kolonialisierung. Als ich in der Jugendzeit ein bisschen in Spanien und im Mittleren Orient herumgereist bin, musste man sich entweder der Landessprache anpassen oder diejenigen die eine Ahnung von Fremdsprachenkenntnissen hatten, sprachen damals französisch. Die Welt ändert sich!

  • am 13.02.2025 um 18:00 Uhr
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    In Deutschland grassiert gegenwärtig «deutlich machen». In einer Talksendung gestern Abend hat Annalena Baerbock gefühlt ein Dutzend Mal irgendjemandem irgendetwas deutlich gemacht. Vielleicht hat sie aber bloss «gesagt», «erklärt». Da sie nicht wissen kann, ob ihr Gegenüber das, was sie deutlich machen wollte auch verstanden hat, müsste sie korrekterweise sagen: «habe ich versucht zu erklären». So aber bekommt «deutlich gemacht» den Anstrich von «dem habe ich eingebläut»

  • am 14.02.2025 um 05:14 Uhr
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    Ein Beispiel aus dem deutschen Bundestag : die (ALLE!) «sagen» nicht etwas, sondern sie «sagen hier GANZ KLAR».
    1. muß man ja nicht sagen daß man was sagt – denn daß man was sagt hören ja gerade alle. Und
    2. diese Selbstdeklaration seiner Sätze als «ganz klar» zeigt doch nur, daß der Redner selbst nicht von der Klarheit dessen überzeugt ist,was er da sagt – und daher die zusätzliche Etikettierung für notwendig hält.
    Die Redeweise im deutschen Bundestag ist ohnehin eine sprachliche Katastrophe – allein schon wegen der Unmasse an Füllwörten ( fast nach jedem 3. Satz kommt «meine sehr geehrten ….usw»). Als Füllwörter kann man das «sage hier ganz klar»
    natürlich auch noch deuten.

  • am 14.02.2025 um 10:14 Uhr
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    Es gibt sicherlich viele Gründe, warum «Bullshit-Bingo» gespielt wird. Blender spielen es, um mit hochtrabenden Worten eine Zuhörerschaft zu beeindrucken, ohne wirklich etwas Konkretes zu sagen. Oder es gibt diejenigen, die gerne etwas beisteuern möchten, aber durch ihre Wortwahl ihre Unkenntnis der Materie kaschieren wollen – wer kennt sie nicht, diese Wichtigtuer? Doch es gibt auch Fachgebiete wie die IT, bei denen eine einheitliche Sprachregelung für ein besseres Verständnis sorgt. Diese ist oft vom Englischen geprägt. So ist das Wort «Rollout» – eingedeutscht auch als «Ausrollen» – in der IT ein gängiger Begriff. Es beschreibt u.A. das «Deployment» – auf Deutsch die Verteilung – von Software auf Clients, also Computern, die Teil einer Domäne sind. In der IT ist es schwierig, auf Anglizismen zu verzichten, ohne Gefahr zu laufen, dass die Kollegen vor Lachen in sich zusammenbrechen, wenn ich ihnen erkläre, dass die paketierte Software bereit zur «Einführung» sei.

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 14.02.2025 um 10:29 Uhr
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      Einverstanden mit dem «Rollout». Aber wenn die Swisscom eine Medienmitteilung verfasst und wenn Tageszeitungen diese abdrucken, dann wenden sie sich nicht an ein Fachpublikum. Deshalb müssten sie in Alltagssprache übersetzen.

      • am 14.02.2025 um 20:48 Uhr
        Permalink

        treffende Antwort. Bravo

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