Kommentar

Ein seltsamer Staats-Medien-Filz

Rainer Stadler © zvg

Rainer Stadler /  Australien will Facebook und Google zwingen, den Medienhäusern Geld zu bezahlen. Die Branche applaudiert. Zu schnell.

Solange keine Buschwälder brennen, beschäftigt sich die Medienwelt ungern mit dem fünften Kontinent. Dieser Tage gab es eine Ausnahme. Auch Eigeninteressen animierten die Informationsvermittler dazu, Schlagzeilen zum Konflikt zwischen der australischen Politik und den amerikanischen Techno-Giganten zu verfertigen. Das Thema scheint geeignet für ein einschlägiges Erzählschema: jenes vom Kampf zwischen dem guten David und dem bösen Goliath, zwischen dem kleinen Nationalstaat und den globalisierten Grosskonzernen. Doch so simpel sind die realen Verhältnisse selten.

Australien hat zwei grosse Gewinner des Strukturwandels auf dem Kommunikationsmarkt, Google und Facebook, ins Visier genommen. Das Land will die beiden US-Unternehmen dazu zwingen, den einheimischen Medienhäusern Geld zu überweisen. Das klingt unmittelbar sympathisch, da es offenbar um eine Umverteilung von den Reichen zu den Armen geht. Ähnliche Versuche werden auch in den USA und in Europa unternommen, bisher mit wenig Erfolg. Deshalb blickten die involvierten Akteure nun mit Spannung nach Australien.

Eine sektorielle Reichtumssteuer

Die herkömmlichen Informationsanbieter verzeichnen schwerwiegende Einnahmenverluste, weil die Werbegelder in die neuen digitalen Märkte abwandern. Davon profitieren nicht zuletzt Google und Facebook, die auf ihren Plattformen auch Beiträge von Medienhäusern weiterverbreiten – mit blossen Links auf Artikel oder zusätzlich mit Anrissen, welche die Nutzer zum Anklicken der jeweiligen Erzeugnisse animieren sollen.

Wer soll das Geld bekommen?

Die Medienverantwortlichen sind sich uneinig, wie allfällige Geldbeiträge von Plattformbetreibern zu verteilen wären. Das zeigt eine am Dienstag publizierte Umfrage des Reuters Insitute der Universität Oxford. Befragt wurden 234 Manager in 43 Ländern. 226 Personen antworteten. 48 Prozent sind der Meinung, dass vor allem die kleinen Medienanbieter profitierten sollten, und zwar gemäss der Qualität der Informationsbeiträge. 32 Prozent finden, die Gelder sollten gemäss der Reichweite der jeweiligen Anbieter verteilt werden. 20 Prozent äusserten keine Meinung.

Nach Ansicht der Verlage sind die Tech-Konzerne damit Nutzniesser einer journalistischen Leistung, die zu entgelten sei. In diesem Sinne kämpfen die Medienlobbyisten seit gut einem Jahrzehnt für ein sogenanntes Leistungsschutzrecht. Von den Staaten erhalten sie dabei viel Unterstützung, so auch in Australien. Bis jetzt scheiterte die «Reichtums-Sondersteuer» jedoch am Widerstand von Google und Facebook, die ihre Marktmacht ausspielen. Facebook tat das dieser Tage in Australien, indem das Netzwerk die Verbreitung sämtlicher Medienbeiträge blockierte. Diese barsche Aktion bekräftigte die Kritiker in der Meinung, Facebook sei ein selbstherrlicher Koloss.

Sachliche Mängel

Die Drachentöter stehen allerdings vor einem prinzipiellen Problem. In sachlicher Hinsicht kämpfen sie nämlich auf einem unsoliden Gelände. Unbestritten ist die Legitimität des Urheberrechts. Gemäss diesem haben die Medien bzw. die Urheber einen Anspruch auf Bezahlung, wenn Dritte ihre Beiträge übernehmen. Frei sind nur Zitate.

Im Konflikt zwischen den Medienhäusern und den IT-Konzernen geht es jedoch nicht darum. Vielmehr will man die Betreiber von Internetplattformen dazu bringen, auch für Links und kleine Textausschnitte Geldbeiträge zu entrichten. Das ist im Fall von Facebook besonders grotesk, denn das Netzwerk übernimmt diese Medienbeiträge nicht aktiv. Vielmehr platzieren die Redaktionen ihre Erzeugnisse freiwillig im sozialen Netzwerk; zudem animieren sie ihr Publikum dazu, dasselbe zu tun.

Ein typisches Tauschgeschäft

Im Fall von Google bereiten die Redaktionen ihre Produkte so auf, dass sie unter den Suchergebnissen möglichst weit vorne auftauchen – in der Hoffnung, so die Reichweiten zu steigern. Tatsächlich sind Google wie auch Facebook zu einem wichtigen Publikumsvermittler geworden. Es handelt sich hier um ein Tauschgeschäft, wie es typisch ist für die Internetwirtschaft. Beide Parteien profitieren vom gegenseitigen Austausch. Einen überzeugenden Grund, warum der eine dem andern dafür Geld zahlen sollte, gibt es nicht.

Diesen Sachverhalt ignorieren die meisten Redaktionen, wenn sie über das Thema berichten. Es ist ein klassischer Fall von interessengesteuertem Journalismus. Und die Politik reagiert mit Wohlwollen. Davon zeugen die Gesetzesprojekte. Es offenbart sich eine heikle Nähe von Staat und Medien. Das Beispiel Australien illustriert das derzeit.

Willkür

Gewiss kann man darüber streiten, wie eine kohärente und vernünftige Besteuerung von globalen, milliardenschweren Unternehmen erfolgen soll. Hier geht es jedoch um einen Sonderfall: Der Staat will Privatunternehmen dazu zwingen, anderen Betrieben Geld zu entrichten, ohne dafür einen sachlich stichhaltigen Grund zu haben. Die Modernisierungsgewinner sollen die Verlierer direkt unterstützen. Das ist Willkür und erinnert an eine Medienförderung, ohne dass staatliche Gelder fliessen müssen. Zudem erregt diese Art von Medienhilfe den Verdacht, dass etablierte Medienakteure privilegiert werden, während neue Anbieter zu kurz kommen.

Die von Facebook kurzzeitig erlassene Blockierung von Medienbeiträgen war brutal. Entsprechend wurde das kommentiert. Man könnte die Drohgeste aber auch als Chance interpretieren. Nämlich als Anreiz dazu, dass die Medienhäuser wieder vermehrt den direkten Kontakt zu ihrer Kundschaft suchen. Das würde ihre Unabhängigkeit stärken. Mit Zwangsverträgen zwischen Medien und IT-Plattformen erzielt man das Gegenteil. Sie verstärken die Unselbständigkeit der Medienanbieter. Das sollte kein medienpolitisches Ziel sein. Zudem gleichen derlei Plattform-Gesetze einem staatlichen Gefälligkeitsdienst gegenüber der Medienbranche. In Australien hat schon mancher Regierungsvertreter angesichts der Meinungsmacht des Konzerns von Rupert Murdoch weiche Knie bekommen.

Eine Sondersteuer für Axel Springer, Ringier und Tamedia?

Mit Blick auf Europa drängen sich weitere Fragen auf. In Deutschland und der Schweiz sind der Axel-Springer-Konzern bzw. Tamedia und Ringier innerhalb der Medienbranche die Modernisierungsgewinner. Ihnen gelang es, das Geschäft mit Stellen-, Immobilien- und Auto-Inseraten zurückzuholen. Damit erzielen sie saftige Renditen. Die anderen Medienhäuser hingegen haben diese Märkte grossenteils verloren. Nimmt man die Argumentation der Google- und Facebook-Kritiker zum Massstab, würde sich hier ebenfalls eine Umverteilung von Reich zu Arm aufdrängen. Zudem: Springer betreibt mit «Upday» ebenfalls eine Plattform, die mit Links und Anrissen Artikel anderer Medien versammelt und diesen damit Reichweite verschafft – das ist genau das Modell von Facebook und Google. Das Leistungsschutzrecht, das der Springer-Chef Mathias Döpfner seit Jahren an vorderster Front verficht, könnte auch dessen Geschäft betreffen.

Derzeit sieht es so aus, dass die diversen Projekte für ein Leistungsschutzrecht ihr Ziel ohnehin verfehlen, weil die Gesetzesarchitekten den digitalen Markt verkennen. Allerdings erzielten die jahrelangen Medienattacken auf die IT-Giganten sowie die staatlichen Regulierungspläne den Nebeneffekt, dass Google und Facebook nun freiwillig mit Medienhäusern geldwerte Vereinbarungen abschliessen, welche die vollständige Übernahme von Medienerzeugnissen betreffen. Zudem unterstützen die US-Konzerne Initiativen, die den Medien bei der Digitalisierung ihrer Geschäfte behilflich sein sollen. Weltweit geht es hier um Beiträge in Milliardenhöhe.

Steter Tropfen höhlt den Stein.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

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