Die Tagesschau ist eine Programmvorschau
Ältere Leser und Leserinnen erinnern sich. Während Jahrzehnten sagten junge Frauen (ganz, ganz selten auch Männer) im Schweizer Fernsehen das Programm an. Heidi Abel war eine der ersten und bekanntesten. Ihr folgten Frauen wie Dorothea Furrer, Margrit Hadorn oder Rosemarie Pfluger. Später auch Christine Maier oder Sabine Dahinden. Manche wurden zu Moderatorinnen befördert, bekamen sogar eigene Sendungen. Maximilian Reimann wurde auch noch SVP-Nationalrat.
Vor einem Vierteljahrhundert war Schluss mit den Ansagerinnen. Das Fernsehen SRF schreibt in einem geschichtlichen Rückblick: «Ab 1997 wurden die Fernsehansagerinnen, die auch technische Pannen brillant weglächeln konnten, durch Trailer abgelöst.»
Doch nun sind sie wieder da — und zwar in Form von Tagesschausprechern und -sprecherinnen. Sie übernehmen immer häufiger die Aufgabe der damaligen Ansagerinnen. Nehmen wir die Tagesschau vom 29. August: In einem rund zweieinhalbminütigen Beitrag berichtete die Tagesschau darüber, dass die Swisscom-Tochter Localsearch ihren Kunden mitunter Verträge unterjuble, die diese nicht wollten. Manche Localsearch-Angestellte schreckten auch nicht davor zurück, Unterschriften der Kunden zu kopieren.
Am Schluss sagte Tagesschausprecherin Cornelia Boesch: «Die Sendung ‹Kassensturz› dokumentiert in der heutigen Sendung weitere Fälle von betroffenen Kunden. ‹Kassensturz›: Hier auf SRF 1 um fünf nach neun.»
Wer den Sender nicht wechselte, konnte anderthalb Stunden später feststellen, dass der Tagesschau-Beitrag lediglich eine Kurzfassung des «Kassensturz»-Beitrags war. Er hatte nur dazu gedient, den «Kassensturz» zu bewerben.
Ein paar Minuten davor hatte Cornelia Boesch bereits Reklame für eine nachfolgende Sendung gemacht. Nach einem Beitrag über russische Journalisten, die möglicherweise vergiftet wurden, sagte sie: «Russland ist heute auch Thema im ‹Club›. Die Runde diskutiert heute über Prigoschins Tod und Putins Spione in der Schweiz. Der ‹Club›: Um 22 Uhr 25 hier auf SRF 1.» Auch hier diente der Beitrag lediglich als Programmvorschau.
Gegen Ende der Sendung machte Cornelia Boesch auch noch die obligate Werbung für «10 vor 10» indem sie zu ihrer Kollegin schaltete und ankündigte: «Bigna Silberschmidt mit den heutigen Schwerpunkten von ‹10 vor 10›.»
Ganz am Schluss folgten dann auch noch die Hinweise aufs anschliessende «Meteo», den Krimi und ein Tennisspiel auf SRF 2. Insgesamt waren das sechs Programmhinweise.
Deshalb zum Schluss noch eine kleine Rechnung: Die Tagesschau dauerte 23 Minuten. 7 Minuten gingen für Ankündigungen auf nachfolgende Sendungen drauf. Das ist ein Drittel der Sendezeit.
Und darin ist der Beitrag zum Thema «70 Jahre Tagesschau» noch nicht einmal eingerechnet. Darin ging es vor allem darum, die Zuschauer und Zuschauerinnen zur Teilnahme an einem Online-Spiel zu bewegen. Cornelia Boesch: «Die Tagesschau wird heute 70. Wir danken an dieser Stelle für Ihre Treue und legen Ihnen gleich mehrere Blicke ins Tagesschau-Archiv ans Herz. Alles auf srf.ch, darunter auch ein Quiz, bei dem Sie Ihr historisches Wissen checken können.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Kommt hinzu, dass sich die Verantwortlichen weigern, in den abrufbaren Inhaltsangaben zu den Sendungen genauere Infos zu liefern. Jeden Tag und zu jeder Zeit steht das genau Gleiche, z.B. zur Sendung 10 vor 10, obwohl man Stunden zuvor genauere Angaben machen könnte. Um einigermassen informiert zu bleiben, muss man ohnehin noch andere TV-Sender schauen. Irgendwann, schaut man dann nur noch dort. Und das ohne penetrante und dumme Werbung.
Dazu kommt, dass die meisten SRF-Sendungen nicht pünktlich beginnen, sondern man muss fast immer noch einige Minuten Werbung schauen. Deshalb bevorzuge ich die deutschen Sender, die das nicht machen.
Zu den vielen Programmhinweisen kommt die Masse an Werbung.
Dann folgen die Sendungen, welche sich mit SRF und anderen «wichtigen» Medien sowie mit der Cervelat-Prominenz befassen.
Die Medienwelt dreht sich um sich selbst im Kreis und erzeugt eine künstliche Wichtigkeit.
Dafür bezahlen wir relative hohe Gebühren…
Das alles lässt für die Zukunft wenig Hoffnung auf Qualität…
Ja, Werbung vor Pünktlichkeit. Bei 10vor10 der Regelfall. 10vor10 ist keine Nachrichtensendung mehr, sondern ein Magazin, welches vielfach den Schwerpunkt auf Rand-/Trendthemen setzt. Das nervt. Dann die unsäglichen Programm-Trailer, die ja Werbung in eigener Sache darstellen. Viele (Korrespondenten-)Wechsel, immer wieder neue Köpfe. Wer will nochmal? Wer hat noch nicht? Und die Abrufung der Programme funktioniert schlecht und ist kompliziert…. – Zunehmend nehme ich auch in meinem Umfeld eine Verdrossenheit gegenüber SRF wahr.
Schon vor längerer Zeit habe ich begonnen, auf andere Kanäle umzuschalten. ZDF oder ntv oder BBC zum Beispiel. Ich bin gespannt, wie die Abstimmung «200 sind genug» ausgehen wird.