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Plumpe Werbung: «Emmi»-Sessel in der Fernsehsendung «Late Night Switzerland». © SRF

Die Gäste sitzen im Joghurtbecher

Marco Diener /  Erlaubte Produktplatzierung? Oder verbotene Schleichwerbung? So klar ist das nicht. Aber lächerlich sind die «Emmi»-Sessel allemal.

Jeden Sonntag Abend das gleiche Bild: Am Schluss der Fernsehsendung «Late Night Switzerland» fährt eine Kamera so durch den Saal, dass zwei Sessel in Form von Joghurtbechern sichtbar werden – im Design von «Emmi»-Produkten.

Die Frage lautet: Ist das erlaubt?

Emmi handelt nicht mit Möbeln

Eigentlich ist Produkteplatzierung seit 2010 erlaubt. In der Radio- und Fernsehverordnung steht dazu: «Waren und Dienstleistungen, die ein Sponsor zur Verfügung stellt, dürfen in die Sendung integriert werden.»

Doch die Sessel sind keine «Emmi»-Produkte. Die Grossmolkerei handelt mit Milchprodukten und nicht mit Möbeln.

Die Sessel sind ein Fremdkörper

Ergänzend zur Radio- und Fernsehverordnung schreibt das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) auf seiner Website: «Eine Produktplatzierung muss sich dem dramaturgischen Ablauf der Sendung anpassen.»

Auch das ist nicht der Fall. Sessel gehören zwar zu einer Fernsehsendung mit Publikum – passen also an und für sich zum «dramaturgischen Ablauf der Sendung». Doch hier stellt sich die Frage: Passen Sessel in Joghurt-Form zum «dramaturgischen Ablauf»? Die Antwort: Eher nicht. Vielmehr sind sie ein Fremdkörper. Deshalb fallen sie auf. Eigentlich sind es ja gar keine wirklichen Sessel, sondern Werbeträger.

Trotzdem sieht das Bakom kein Problem: «Bei den ‹Emmi›-Sesseln handelt es sich um eine zulässige Form der Produktplatzierung, die korrekt deklariert ist und keine unzulässigen werblichen Hervorhebungen enthält.»

Das Platzieren von Sesseln im Publikum erachtet das Bakom «als ausreichende Einbettung in den dramaturigischen Ablauf». Denn gerade in Satiresendungen seien «die Reaktionen des Publikums wichtig». Anders wäre es nach Ansicht des Bakom, wenn «ein Moderator plötzlich ohne thematischen Zusammenhang zur Sendung ein Produkt eines Sponsors in die Kamera halten würde». Das wäre dann auch für das Bakom Schleichwerbung.

Mit Francine Jordi auf die Schynige Platte

Das Bakom und auch die Ombudsstelle der SRG sind nicht sonderlich streng, wenn sie beurteilen müssen, ob SRF Schleichwerbung zeige. Ein Beispiel ist die Fernsehsendung «Glanz & Gloria» vom Sommer 2020. Als Sponsor war Fleurop deklariert, nicht aber die Jungfraubahnen.

Schlagersängerin Francine Jordi bekam in der Sendung die Gelegenheit, ihre «Sommeroase» zu präsentieren – die Schynige Platte im Berner Oberland. Dazu muss man wissen: Auf die Schynige Platte fährt eine Zahnradbahn. Die Bahn gehört unter anderen den Jungfrau-Bahnen. Sie wird auch von diesen betrieben. Und mit diesen Jungfrau-Bahnen hatte Francine Jordi einen Werbevertrag. Anschliessend an «Glanz & Gloria» zeigte SRF auch noch einen Werbespot der Jungfrau-Bahnen mit Francine Jordi. Ein Zuschauer beanstandete den Beitrag.

SRF macht Witze

SRF argumentierte, im Beitrag sei es primär um die Natur und die Kindheitserinnerungen von Francine Jordi gegangen und nicht um das Restaurant und die Zahnradbahn. Wer den Beitrag schaut, kann nur zu einem Schluss kommen: SRF macht Witze. Natürlich steht die Bahn im Zentrum. Der Beitrag beginnt mit der Bahn. Und er endet mit der Bahn.

Trotzdem schrieb die Ombudsstelle der SRG: «Die Ombudsstelle kommt zum Schluss, dass etwas ‹Gratis-PR› in Kauf genommen werden muss.» Der Beitrag komme ohne «Aufdringlichkeiten» aus. Deshalb lehnte die Ombudsstelle die Beanstandung ab.

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Beste Werbung für die Schynige-Platte-Bahn: «Glanz-&-Gloria»-Beitrag über Francine Jordi.

Nur in krassen Fällen kommt die Ombudsstelle zum Schluss, dass die SRG tatsächlich Schleichwerbung betreibe:

Der Fall «Hartmann»: Für die Fernsehsendung «SRF bi de Lüt – Winterwunderland» machte Nik Hartmann eine Reise durch die Schweiz. Und zwar zu Fuss, auf Skis, mit der Seilbahn und dem Bus. Dabei streckte er während 42 Sekunden seine «Stöckli»-Ski in die Kamera. Für die Ombudsstelle ein Fall von Schleichwerbung. Hartmanns Gesprächspartner zeigte während der ganzen Sequenz, dass es auch ohne Ski geht.

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Wie ein Skirennfahrer: Nik Hartmann mit seinen «Stöckli»-Ski.

Der Fall «Hüberli»: Für die Fernseh-Sport-Serie «hautnah» filmten sich Sportler selber. In der Folge zum Thema Ernährung zeigte Beachvolleyballerin Tanja Hüberli den Inhalt ihres Kühlschranks, in dem viele «Caffè Latte» ihres Sponsors «Emmi» standen. SRF redete sich heraus, indem es behauptete, vieles an den eingereichten Filmen sei nicht kontrollierbar und lasse sich anschliessend nicht mehr korrigieren. Dabei hätte sich diese Sequenz problemlos herausschneiden lassen. Das zeigt auch die Version, die heute noch abrufbar ist – ohne die Kühlschrank-Szene. Für die Ombudsstelle war auch das ein Fall von Schleichwerbung.

Der Fall «Grass»: Die SRF-«Tagesschau» brachte Ende 2021 einen Beitrag zur hohen Arbeitslosigkeit von über 60-Jährigen. Die «Tagesschau» zeigte dabei auch ein Beratungsgespräch beim Beratungsunternehmen «Grass». Im Sitzungszimmer stand ein «Grass»-Werbeplakat, ein «Grass»-Flipchart und auf dem Fensterbrett das «Grass»-Logo. Fast die ganze Zeit war zumindest eines der drei Objekte sichtbar, manchmal alle drei aufs Mal. Für die Ombudsstelle war das Logo «unverhältnismässig oft zu sehen». Es sei ins Auge gestochen. Ein Logo dürfe zwei bis drei Sekunden gezeigt werden – mehr nicht. Ob «Grass» die «Tagesschau» für die Präsentation bezahlt habe, sei irrelevant. Schleichwerbung könne auch ohne Bezahlung verboten sein. Die Ombudsstelle hiess die Beanstandung schliesslich gut, weil der «Werbeeffekt gegenüber der Vermittlung von Information» überwogen habe.

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Werbung, so weit das Auge reicht: auf dem Werbeplakat, auf dem Flipchart und auf der Fensterbank.

Der Fall «Federer»: SRF strahlte in der Sendung «Sportpanaroma plus» ein 30-minütiges Gespräch mit Tennisspieler Roger Federer und Triathletin Nicola Spirig aus. Das Gespräch fand in einem Studio statt, in dem die Schuhfirma «On» am gleichen Tag das Modell «The Roger» lanciert hatte. Während der Sendung war das «The-Roger»-Logo, ein Bildschirm mit dem Schuh und ein Schuh sichtbar. Die SRG versuchte sich herauszureden, es habe sich für Federer um eine «natürliche Umgebung gehandelt». Zudem habe grosser Zeitdruck bestanden.

Diesen Fall hatte nach mehreren Reklamationen aus dem Publikum die Aufsichtsbehörde Bakom zu beurteilen. Das Bakom stellte fest, «dass die SRG gegen den Grundsatz der Trennung von Werbung und redaktionellem Programm und gegen das Verbot der Schleichwerbung verstossen habe, indem sie dem Schuhhersteller ‹On› und dessen Schuhmodell ‹The Roger› eine exklusive Dauerpräsenz in der Sendung ermöglichte». Eine Rüge setzte es übrigens auch von der SRG-Ombudsstelle ab.

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Werbung, wohin das Auge reicht: In der Bildmitte der Schuh «The Roger», rechts davon das Logo und am Bildrand ein Bildschirm mit dem Schuh.

Der Fall «Wilder»: In der Krimiserie «Wilder» deklarierte SRF die drei Firmen, welche für Produktplatzierungen bezahlt hatten, nicht in allen Folgen korrekt. 18 (!) Sponsoren blendete SRF nicht lange genug ein. Deshalb rügte das Bakom die SRG und verlangte, einen Bericht darüber, wie solche Gesetzesverstösse künftig verhindert werden können.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • am 25.10.2024 um 17:16 Uhr
    Permalink

    Ein möglicher Gegenvorschlag zur 200.- Halbierungsinitiative hätte auch den Verzicht auf Werbung auf gebührenfinanzierten Sendern beinhalten können! Generell ist Werbung in der Schweiz sehr schwammig kontrolliert. Allerdings bei allen mit Gebührenverteilung und Service Public Auftrag in etwa gleich schlimm. So scheint man insbesondere bei CH-Media auch keine Angst vor Sponsoren für alkoholische Getränke oder nikotinhaltige Produkte zu haben. Ebenso Werbung jeglicher Art in den Nachrichten, vom Bankensponsor über Eigenwerbung für One+ Sendungen bis zu Produkten und Firmen Werbung, in welcher die Protagonisten zufällig vor deren Firmenlogo platziert werden. Das Bakom interessierts eh nicht, da müsste man das Programm sich ja anschauen. Noch schlimmer ist Instagram oder TikTok da scheint es gänzlich keine Werberegeln zu geben, wenn Schweizer Influenzer für irgendwas werben…

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