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«An der Wallstreet ging es heute ‹bullish› zu und her»: Arthur Honegger erklärte nicht einmal, was das bedeutet. © SRF

Der Dow-Jones steigt, und «10 vor 10» ist stolz

Marco Diener /  Gestern stieg der Dow-Jones-Index erstmals auf über 40'000 Punkte. Ist ja interessant. Aber warum erzählt SRF derartigen Unsinn?

«An der Wallstreet, da ging es heute – um gleich etwas Börsen-Slang zu verwenden – ‹bullish› zu und her.» So leitete Moderator Arthur Honegger gestern in der Fernsehsendung «10 vor 10» einen Beitrag über die US-Börse (ab 14:26) ein. Und er erklärte nicht etwa seinen Börsen-Slang, sondern fuhr fort: «Der Dow-Jones stürmte am Nachmittag erstmals überhaupt auf über 40’000 Punkte.»

Immer schneller

Die Sendung «10 vor 10» nimmt ja für sich in Anspruch, «über die Hintergründe zu den Schlagzeilen» zu berichten. Deshalb durften die Zuschauer und Zuschauerinnen in diesem Moment eigentlich erwarten, dass «10 vor 10» erklärt, was der neue Höchststand bedeutet. Für Aktienbesitzer. Aber auch für alle anderen. Für die USA. Und für den Rest der Welt.

Also konnte man als Zuschauer gespannt auf den anschliessenden Beitrag sein. Dort war dann zu erfahren, dass der Dow-Jones-Index für den neuen Rekord nicht lange gebraucht habe: «Während das Knacken der 10’000er-Marke noch über 100 Jahre dauerte, gelangen die nächsten 10er-Sprünge in wesentlich kürzerer Zeit.»

Es klang ein bisschen verwundert. Dabei ist es banal. Die «10-vor-10»-Leute hätten jeden Siebtklässler um Rat bitten können. Er hätte ihnen erklärt:

  • Der Schritt von 10’000 auf 20’000 Punkte entspricht einer Steigerung um 100 Prozent.
  • Der Schritt von 20’000 auf 30’000 Punkte nur noch einer Steigerung um 50 Prozent.
  • Von 30’000 auf 40’000 sind es 33 Prozent.
  • Und vielleicht hätte der Siebtklässler den «10-vor-10»-Leuten auch noch einen kleinen Gratistipp geliefert: Bis zum nächsten Rekord von 50’000 Punkten sind es dann bloss noch 25 Prozent.

Das heisst: Bei konstanter wirtschaftlicher Entwicklung wird die nächste 10’000er-Marke immer schneller erreicht.

«Das nimmt uns keiner mehr»

Anschliessend schaltete Arthur Honegger zu Wallstreet-Korrespondent Jens Korte an die Börse. Korte platzte fast vor Stolz: «Jetzt also haben wir diese 40’000 Punkte erstmals in der Geschichte erreicht. Auch wenn wir zu Handelsschluss diese Marke nicht ganz halten konnten. Vor wenigen Minuten hat ja der Handel hier geendet, und wir sind etwas unter 39’900 aus dem Handel gegangen.»

Korte sprach konsequent in der Wir-Form. Er tat so, als hätte er – und vielleicht auch das Schweizer Fernsehen – einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen des neuen Höchststands geleistet.

Er fuhr fort: «Diese 40’000 Punkte, dass wir die im Handelsverlauf erreicht haben» – er unterbrach sich selbst mit einem stolzen Lacher –, «das nimmt uns keiner mehr.» Und Arthur Honegger im Studio stimmte zu: «Ha, das nimmt niemand mehr.»

Und die Crashes?

Statt in Euphorie zu verfallen, hätten Korte und Honegger auch festhalten können, dass die Aktienkurse durchaus auch wieder abstürzen können. Sie hätten an die Crashes von 1929, 1987 oder 2008 erinnern können. Sie hätten, wie «10 vor 10» ja verspricht, über «die Hintergründe zu den Schlagzeilen» berichten können.

Aber sie unterliessen es sogar, den Zuschauern zu erklären, warum die Börse «bullish» gewesen sein soll. Dass man nämlich den Begriff «bullish» dann verwendet, wenn die Anleger mit steigenden Kursen rechnen. Stattdessen lieferten sie einen «Bullshit»-Beitrag.

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Ergänzung vom 18. Mai 2024:

Den Dow-Jones-Rekord muss man eigentlich noch stärker relativieren. Er gibt die Aktienkurse nur nominal wieder und nicht real. Er berücksichtigt nicht, dass es im Laufe der Jahre und Jahrzehnte eine erhebliche Inflation gab. Inflationsbereinigt waren die Aktienkurse merklich weniger «bullish» und die SRF-Information noch mehr «Bullshit».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 18.05.2024 um 09:55 Uhr
    Permalink

    Die Schweizer Medienlandschaft ist schon eine etwas eigenwillige. Da sind der Vitamingehalt von Orangensaft, Pseudo-Bettgeschichten und defekte Bahnen im Luna-Park für einen Aufmacher gut. Nicht weniger oberflächlich arbeitet SRF. Ich kann ja verstehen, wenn man tagtäglich 2x 24 Stunden Programm senden muss, dass einem irgendwann die Ideen ausgehen. Die Schweiz ist zu klein für so viel Sendezeit. Man darf sich nicht wundern – Entschuldigung für den Ausdruck – wenn nur noch Seich à la DingDong dabei herauskommt.
    Dabei gäbe es durchaus Gehaltvolles zu berichten: Es sagt über den Zustand der Demokratie als Regierungsform viel aus, wenn anstatt der Kriegsverbrecher neuerdings der Whistleblower (der selber Anwalt ist und der Quellenschutz beansprucht) ins Gefängniss muss, weil er öffentlich gemacht hat wie Australische Truppen in Afghanistan gewütet haben. 5 Jahre und 3 Monate soll der sitzen.
    Ich weiss ja nicht, aber setzt mich einfach nicht als SRF-Programmdirektor ein, ja?

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