Frontalkollision Polizei Kantonspolizei Zürich Buchs ZH

Frontalkollision auf gerader Strecke bei Buchs ZH. Oft steht die Polizei zunächst vor einem Rätsel. © Kantonspolizei Zürich

Das vergisst die Polizei (3)

Marco Diener /  Ständig berichtet die Polizei von Frontalkollisionen aus «ungeklärten Gründen». Leider liefert sie die Gründe später nicht nach.

Immer wieder berichtet die Polizei über Unfälle in dieser Art: «Gemäss ersten Erkenntnissen fuhr eine Autolenkerin von Heiteren herkommend auf der Strasse Hargarten in Richtung Belp BE. Dabei geriet das Auto der Frau aus noch zu klärenden Gründen auf die Gegenfahrbahn, wo es seitlich-frontal mit einem entgegenkommenden Auto kollidierte.»

Auf gerader Strecke

Der Unfall ereignete sich Mitte Dezember im Berner Gürbetal. Interessant daran ist zweierlei: Die erwähnte Strasse verläuft mehr oder weniger gerade. Und: Die Polizei kann sich zunächst nicht erklären, wie die Autofahrerin auf dieser Strecke auf die andere Spur geraten konnte.

Solche rätselhaften Frontalkollisionen und Selbstunfälle kommen häufig vor. Deshalb wäre es interessant, wenn die Polizei nach Abschluss der Untersuchungen darüber informieren würde, was die Suche nach den «noch zu klärenden Gründen» denn nun ergeben hat. Ob ein medizinisches Problem vorlag. Ob sich die Autofahrerin eine Zigarette anzündete. Ob sie betrunken war. Oder ob sie sich vom Smartphone, vom Bordcomputer oder einem anderen technischen Gerät ablenken liess.

Ursachen bleiben unklar

Doch das werden wir kaum je erfahren. Denn die Polizei berichtet ausführlich über Unfälle – häufig auch mit einem Bild. Doch sie unterlässt es, später von sich aus über die Untersuchungsergebnisse zu berichten. Dabei sind die Ursachen für rätselhafte Unfälle für die Öffentlichkeit durchaus interessant. Und im besten Fall sogar lehrreich.

Sieben alte Fälle

Infosperber nahm die Informationspraxis der Polizei-Medienstellen unter die Lupe und suchte deshalb nach Meldungen über Unfälle, bei denen die Fahrer aus damals ungeklärten Gründen auf die andere Spur gerieten oder einen Selbstunfall bauten. Die Fälle liegen alle mindestens ein Jahr zurück. Die Untersuchungen dürften also abgeschlossen sein. Infosperber hat bei den zuständigen Polizeien nachgefragt, ob die «noch zu klärenden Gründe» inzwischen geklärt seien.

Auskunft in nur drei Fällen

Das Resultat ist ernüchternd. Gerade mal in drei der sieben Fälle erhielt Infosperber eine Auskunft zur Unfallursache – von der Luzerner Kantonspolizei, der Schaffhauser Staatsanwaltschaft und der Thurgauer Generalstaatsanwaltschaft. In zwei Fällen waren gesundheitliche Probleme die Unfallursache. Wobei der Fahrer in einem Fall eine bedingte Geldstrafe und eine Busse kassierte, weil er um die gesundheitlichen Probleme wusste und nicht hätte fahren dürfen. In einem Fall war die Fahrerin betrunken.

Unfall Hausmauer Polizei Kantonspolizei Aargau Suhr AG
«Aus ungeklärten Gründen» prallte ein junger Mann mit seinem Auto in Suhr AG in dieses Haus.

Für die Polizei zu mühsam

In keinem der Fälle haben Polizei oder Staatsanwaltschaft von sich aus über die Unfallursachen berichtet. Die Kantonspolizei Aargau beispielsweise schreibt dazu wortreich: «Getreu unserer Devise einer offenen und aktiven Kommunikation vermelden wir Verkehrsunfälle, wann immer ein öffentliches Interesse vorliegt oder wir damit unsere verkehrspolizeilichen Botschaften kundtun können.» Oft sei die Unfallursache noch nicht bekannt. «Die Ursache zu jedem Ereignis im Nachhinein aktiv nachzureichen, ist in der Praxis kaum umsetzbar. Namentlich ist der erhebliche Aufwand anzuführen, der sich nur schon aus den zuständigkeitsbedingten Absprachen mit der Staatsanwaltschaft ergäbe.» Im Klartext: Der Polizei ist es zu mühsam.

Die Staatsanwaltschaft klemmt

Will man Auskünfte über die Unfallursachen, verweisen die meisten Polizeien an die Staatsanwaltschaften. Doch auch dieser Weg ist nicht immer hilfreich. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beispielsweise schreibt: «Nach gängiger Praxis können Erledigungsentscheide innerhalb von 30 Tagen nach Erlangen der Rechtskraft bei der zuständigen Amtsstelle eingesehen werden.» Wer etwas zu einem Unfall erfahren möchte, muss also genau in diesen 30 Tagen nachfragen. Danach braucht’s ein «Einsichtsbegehren nach dem kantonalen Gesetz über die Information und den Datenschutz» — und zwar «ein schriftliches, begründetes und unterschriebenes».

Fazit: Die Polizei arbeitet eigentlich wie ein Boulevardmedium. Über Unfälle informiert sie ausführlich und häufig mit spektakulären Bildern. Und wenn es dann um die Hintergründe ginge, lässt sie nichts mehr von sich hören.

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6 Meinungen

  • am 13.01.2023 um 13:18 Uhr
    Permalink

    Da versteht man die Polizei: Monate nach einem einzelnen Unfall noch die genaue Ursache zu publizieren, bringt niemandem etwas. Hingegen ist dies ein Fall für die Statistik: Aggregierte Daten zu Unfallursachen über ein Jahr sind aussagekräftig. Meldungen zu einzelnen Unfällen sind es nicht.

  • am 13.01.2023 um 15:26 Uhr
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    Kann es nicht auch sein dass die Unfallverursacher nicht unbedingt daran interessiert sind die Ursache zu ergründen?
    Wenn es gebüsst wird weil man wissentlich fahruntauglich wegen gesundheitlichen Einschränkungen ein Fahrzeug führt, und die Polizei schon vermeldet «ungeklärt» weil es sich am Unfallgeschehen und kurzfristig danach nicht klären liess was die Ursache war, dürfte es doch kaum im Interesse des Unfallverursachers sein das auf zu klären?
    Ob dann Kosten-Nutzen, auch angesichts des Personalmangels, eine nicht unerhebliche Rolle spielen das ganze nicht weiter zu verfolgen, steht dann nur zu vermuten.

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 13.01.2023 um 17:16 Uhr
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      Natürlich wird die Unfallursache untersucht. Allein schon wegen der Haftungsfragen. Und auch wegen allfälliger Bussen oder weitergehender Strafen wie Führerausweis- oder Freiheitsentzug. Kosten-Nutzen-Überlegungen spielen da keine Rolle. Personalmangel führt höchstens zu Verzögerungen.
      Das Problem ist, dass nach der Klärung der Unfallursachen niemand darüber berichtet. Dabei könnte das durchaus präventiv wirken.

    • am 13.01.2023 um 17:46 Uhr
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      Na klar hat der Verursacher kein Interesse an der Publikation der Ursache. (Auch wenn dabei keine Namen genannt würden.)
      Aber hier geht es um die Kommunikationsgepflogenheiten von Polizei und Justiz!

  • am 14.01.2023 um 00:27 Uhr
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    Wer die Ursachen weiss, könnte Schäden in Zukunft eher verhindern. In welchem Gesellschaftsbereich gilt dieses Prinzip nicht? Aber wen interessiert es? Die, die daran verdienen (Beispiel: Krankenwesen)? Oder die (auch potenziellen) Opfer? Obwohl es Letztere interessieren müsste, erlebe ich im Alltag oft das Gegenteil, verblüffende Ignoranz. Fazit: Tendenziell kümmert es niemanden, und, so ähnlich scheint mir auch die Welt auszuschauen.
    Beispiel KRankenwesen:
    Obwohl Infosperber über Missstände in Grossbritannien berichtet, der Blick dasselbe punkto Schweiz:
    https://www.infosperber.ch/gesundheit/uk-ich-habe-angst-jemals-wieder-ins-spital-gehen-zu-muessen/
    und heute der Blick über Kanada:
    https://www.blick.ch/ausland/sie-schrie-vor-schmerzen-frau-37-muss-7-stunden-auf-notfallstation-warten-tot-id18224836.html
    wäre ich überrascht, wenn die Ursachen der Missstände geheilt würden.

  • am 16.01.2023 um 08:25 Uhr
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    Ich kann als Vielfahrer und guter Beobachter bestätigen, daß selbst auf der Überholspur auf der Autobahn die Fahrer oftmals Handys in der Hand halten. In der Stadt ist mir das auch sehr oft aufgefallen. Und wenn ich dann Hupe,
    verstecken diejenigen das Handy ganz schnell .

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