Kommentar
Das neue Mediengesetz vergisst die am schlechtesten Bezahlten
Am Sonntag, 13. Februar, kann das Schweizer Stimmvolk auch zum «Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien» ja oder nein sagen. Es geht um eine Aufstockung der öffentlichen Unterstützung jener Medien, die mitunter für seriöse Information der Bevölkerung in der direkten Demokratie eine wichtige Rolle spielen, von derzeit 136 auf 287 Millionen Franken jährlich (Bundesbüchlein Seite 50).
Statt anständigen Mindestlohn nur vage «Verhandlungen» für VerträgerInnen
Auch grössere private Medienhäuser, wie TX-Group (Tages-Anzeiger), Ringier (Blick) und NZZ, die Jahr für Jahr mehrstellige Millionenbeträge Gewinne verbuchen, kommen zu Vergünstigungen: 40 Millionen Franken jährlich sind für «Frühzustellermässigungen» von abonnierten Zeitungen vorgesehen.
Können sich dank dem neuen Gesetz nun wenigstens auch Verträger und Verträgerinnen freuen, die jahrein jahraus bei jedem Wetter morgens in aller Herrgottsfrühe die Zeitung in den Briefkasten legen? Werden sie künftig auf ihren Kartengruss zu Weihnachten verzichten können, der eigentlich einem Bettelbrief gleichkommt, weil ihre Bezahlung miserabel war und ist? Der Lohn für die frühmorgendlichen Verträgerinnen und Verträger liegt oft nur bei knapp über 20 Franken pro Stunde.
Diese Verträgerinnen und Verträger freuen sich zu früh. Die «Frühzustellungsorganisationen», an welche die meisten Zeitungs-Verlage dieses Geschäft «ausgelagert» haben, sind zwar in der Gesetzesvorlage (Art. 19a, auf Seite 57 im Bundesbüchlein) erwähnt. Doch einen Mindestlohn für das Personal (beispielsweise 35 Franken pro Stunde indexiert) sucht man vergebens im Gesetz. Nur vage von «Einhaltung der branchenüblichen Arbeitsbedingungen» ist die Rede. Nicht einmal einen obligatorischen Gesamtarbeitsvertrag hat das Parlament ins Gesetz geschrieben, lediglich «Verhandlungen» darüber.
Die Verträgerorganisationen müssen sich «bei der vom Bundesrat bezeichneten Bundesbehörde registrieren» und dabei «Anforderungen» erfüllen. Diese Anforderungen sind jedoch sehr schwammig gehalten. So müssen diese Organisationen ihren Sitz nicht in der Schweiz haben – es genügt auch eine «Niederlassung», also à la limite ein Briefkasten oder irgendein Büro, das ein chinesischer oder US-amerikanischer Grosskonzern in Zürich betreibt.
Das Gesetz vergisst jene Leute, welche die Unterstützung am nötigsten hätten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Trotzdem müssen wir das Medienpaket verteidigen gegen den Angriff von ganz rechts. Dies nicht dazu zu sagen, erweckt unangenehme Zweifel über den politischen Standpunkt des Autors. Will er Somm und Gut unterstützen? Es scheint so.
Ich finde, Herr Schneider, dieses Argument grundsätzlich falsch. Es gibt mehr oder weniger gute sachliche Gründe für oder gegen ein Gesetz, auch hier. Dass ein Gesetz aber von «ganz rechts» oder «ganz links» unterstützt wird, ist kein sachlicher Grund. Da klingt ein «wir dürfen nicht dem Feind in die Hände spielen», oder ein «wer nicht für mich ist, ist gegen mich» mit.
Wenn das stimmt, was Sie sagen, dann ist jede Abstimmung «grundsätzlich falsch». Da müssen Sie nämlich entweder JA oder NEIN sagen. Im Abstimmungskampf, zumal in dessen letzten Tagen, kann man sich nicht drücken. Nichts gegen Einwände, aber gleichzeitig gilt: Hier, zum Mediengesetz, muss man ja sagen.
Herr Schneider, natürlich darf man sich «drücken». «Ja» und «Nein» sind nicht die einzigen beiden Möglichkeiten, es gibt die weiteren Möglichkeiten, leer einzulegen oder sich ganz zu enthalten. Ich finde es sogar ehrlicher, sich der Stimme zu enthalten, wenn man zum Beispiel eine Vorlage schlicht nicht versteht oder sich überfordert fühlt. Man kann in diesem Fall dann auch zur Methode greifen, sich einfach einem Lager anzuschliessen, nämlich demjenigen, das einem im Allgemeinen politisch näher ist. Oder wie Sie, wenn ich Sie richtig verstanden habe, im vorliegenden Fall vorschlagen, gegen «ganz rechts» stimmen. Das bleibt aber ein Notnagel. Wenn man sich aufgrund der Argumente von verschiedenen Seiten eine eigene Meinung gebildet hat, sollte man sich nicht davon beirren lassen, dass man dem politischen Gegner «in die Hände spielt». Allenfalls ist es sinnvoll, die Argumente nochmal sorgfältig zu prüfen. Der Unterschied ist am Ende der, ob man sachlich oder ideologisch entscheidet.
Herzlichen Dank für diesen Beitrag. Vergessen gehen auch diejenigen, die weder die Zeit noch das Geld haben sich ordentlich zu Informieren. Statt immer wieder einzelne mit Staatsgeldern zu füttern, wäre es ehrlicher eine Ressourcen-Lenkungsabgabe zu schaffen und damit ein Grundeinkommen sicher zu stellen. Mit einem Grundeinkommen wären auch Journalisten viel freier in der Berichterstattung.
Mit nachhaltigen Grüssen
Urs Anton Löpfe
Ein höchst verdankenswerter Beitrag von Niklaus Ramseyer ! Einmal mehr gehen die schäbig Entlöhnten leer aus ! Einmal mehr fällt das Prekariat der Nichtbeachtung anheim ! «Ihr da oben – Wir da unten» ! So wie es schon immer war, so ist es noch heute. Und auch künftig wird es so bleiben !
Da hätte man den Gegnern ein weiteres Argument zugespielt. Natürlich sind die Verträgerlöhne lausig, gleich wie bei Paketverträgern, Food-Boten, z.T. Reinigungspersonal und Hilfskräften in div. Branchen. Ein Mindestlohn gehört daher nicht ins ein Mediengesetz sondern ist eigentlich ein Grundrecht für alle die ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Wer 100% arbeitet muss vom Lohn leben können. Aber da höre ich schon Zetter und Mordio vom Arbeitgeber-, Gewerbe-, Hotelier-, Wirte- etc. Verband!
Immer wieder fällt mir auf, wie um etwas gerungen wird und absichtlich oder nicht ein Teil unserer Gesellschaft einfach «vergessen» wird. Wir brauchen ja jeweils nicht zu lügen sondern nur einen oder mehrere Aspekte einer Sache weglassen. Offensichtlich sind wir unfähig, irgendwas zu Ende zu denken, oder ist dies ein bewusster Akt?
Ganz herzlich Dank, für die interessanten Zuschriften. Es geht dabei vorab um das Thema «unheilige Allianzen». Parteiobere nutzen den Begriff gern als Druckmittel, um ParteisoldatInnen auf Linie zu trimmen, wenn diese nach genauer Lektüre von Vorlagen zu «abweichenden» Meinungen kommen. Krass zeigte sich dies bei der «Burka-Initiative»: Da verteidigten zuvor «engagierte» SP-Feministinnen plötzlich ein übles Instrument der Frauen-Unterdrückung. Aber schon damals lautete die Abstimmungsfrage eben nicht: «SVP und Wobmann: Ja oder Nein?» Sondern: Soll ein Instrument der kommunikativen Frauen-Verstümmelung in der Schweiz legalisiert werden? Zum Glück hat das Schweizer Volk «Nein» gesagt – soll nicht. Beim Medien-Gesetz lautet die Frage nun auch nicht: «Somm und Gut: Ja oder Nein?» Das Gesetz kommt ohnehin von den Räten in Bern. Und der «politische Standpunkt des Autors» steht erst recht nicht zur Debatte. Dieser orientiert sich stets sachlich an der Gerechtigkeit. Er stellt fest, dass die Vorlage mit 40 Millionen für die Frühzustellung einigen wenigen Medien-Millionären wie Coninx, Ringier oder Wanner weitere Millionen zuschanzen würde – und gleichzeitig viele krass unterbezahlte VerträgerInnen schäbig im Regen(wörtlich) stehen liesse. Und so stellt sich halt die Frage, ob die Lifestyl-Linke im Land in ihrem Kampf für dieses Gesetz vorab an ihre verbilligte NZZ zum «Zmorgecafé» denkt – und jene Werktätigen nonchalant vergisst, die ihnen das Intelligenz-Blatt gebracht haben. N.R.