Das ist angeblich keine Werbung – sondern «Fachinformation»
«Beni Weber, auf welche spezifischen Schränke sollten Bauherren in Ihrer Küche heute nicht mehr verzichten?» So beginnt das «Interview», das in den Freiburger Nachrichten in der Rubrik «Bauen und Wohnen» erschien.
Beni Weber ist der Chef einer Luzerner Metallbau-Firma, die sich auf Schubladen für Küchen spezialisiert hat. Auf einer ganzen Seite stellt er die Vorteile seiner Produkte vor. Die Schubladen sind auf drei grossen Werbebildern zu sehen.
Der Beitrag ist eine als Interview getarnte Reklame der Firma. Doch kein Hinweis legt dies den Lesern offen. Das sei auch gar nicht nötig, findet Christoph Nussbaumer, der Direktor und ehemalige Chefredaktor der Freiburger Nachrichten.
Seine Begründung: Es handle sich nicht um Werbung, «sondern um ein Interview mit einer Fachperson zum Thema Kücheneinrichtung».
Ein abgekartetes Interview
Auf die Frage, wie die Leser das Interview einordnen sollen, erklärt Nussbaumer: «Als eine Art Fachinformation zur im Seitenkopf vermerkten Thematik» – also «Bauen und Wohnen». Doch genau das ist es nicht. Sondern zweifellos eine Werbeseite mit einem fingierten Interview. Die Fragen sind nicht kritisch, sondern es sind Steilpässe für den Firmenchef, der in den Antworten seine Werbesprüche platzieren kann.
Etwa diesen: «Was aber sicher nicht mehr zeitgemäss ist, sind feste Tablarböden hinter scharnierten Schränken.»
Nicht zeitgemäss sind solche Schränke allerdings nur für Beni Weber und seine Firma. Diese ist nämlich auf aufwändige und dementsprechend teure Auszugssysteme spezialisiert.
Der Chef darf ein paar Zeilen später auch gleich noch unverhohlen Werbung für seine eigenen Produkte machen: Er persönlich empfehle «die Verwendung von zwei Pleno Maxi Plus nebeneinander», steht dort.
Eine weitere Frage lautet: «Ein ausziehbarer Hochschrank, der viel Platz bietet. Doch Vorräte und Geschirr stapeln sich unordentlich darin, sodass kaum mehr etwas gefunden werden kann. Was raten Sie?» Zuerst gibt es keine Antwort, sondern eine reichlich banale Analyse in hochtrabender Formulierung: «Diese Problematik tritt meist auf, wenn mehrere Personen die Küche nutzen – und meist ist eine Person weniger ordentlich ist als die andere.» Dann folgt kein Rat, sondern wieder Werbung für die eigenen Schränke: «Bei einem ausziehbaren Hochschrank kann der gesamte Inhalt überblickt werden, was das Suchen erleichtert.»
Für die Freiburger Nachrichten: «Kein Problem»
Für Christoph Nussbaumer ist das alles kein Problem. «Einzig die Passage, in dem der Interviewte eine Empfehlung abgibt, hat möglicherweise einen etwas werblichen Charakter», räumt er ein. Die Redaktion sei bei der Textproduktion nicht involviert.
Die Zeitung habe den Text «extern eingekauft». Für die Veröffentlichung sei sie nicht bezahlt worden. Die Metallbaufirma sei auch kein Werbekunde. Dass die Leser mit dem Interview getäuscht werden, glaubt er nicht. Es handelt sich ja um «Fachinformationen».
Auch andere täuschen Journalismus vor
Solche Informationen veröffentlicht die Zeitung regelmässig und ohne Hinweis. Mit diesem Vorgehen ist sie nicht allein. Auch die Sonntags-Zeitung täuscht Journalismus vor und bietet seitenweise Werbung, wie Infosperber kürzlich zeigte und solchen korrupten Journalismus anprangerte.
Das steht in den Richtlinien des Journalisten-Kodex
Die vom Journalisten-Kodex geforderte Trennung von redaktionellem Teil und Werbung wird regelmässig umgangen. Beliebt sind etwa redaktionell aufgemachte Reiseberichte, die von einem Unternehmen «unterstützt» wurden.
Was das tatsächlich heisst, zeigt zum Beispiel ein Bericht über eine Velotour in Sizilien, welchen mehrere Tamedia-Zeitungen kürzlich veröffentlicht haben. Auf beinahe einer ganzen Seite schildert die Autorin, wie toll die Reise war und wie sich «jeder Schweisstropfen gelohnt» habe. Bei der Beschreibung der Einzelheiten zur Tour wird klar: Sie muss bei einem Veloreisen-Anbieter gebucht werden. Und das ist natürlich genau jenes Unternehmen, welches der Journalistin die Reise bezahlt hat.
Interview nur gegen Werbung
Die Tamedia-Publikationen veröffentlichten am 24. Mai ein ganzseitiges Interview mit dem Schweizer Tennisspieler Stan Wawrinka. Doch den Interview-Termin erhielt der Journalist offenbar nur, weil es der Sponsor des Spielers «ermöglicht hat», wie es heisst. Dieses Unternehmen wird denn auch ausdrücklich erwähnt, samt einer Empfehlung Wawrinkas. Das Unternehmen – eine Handelsplattform, über welche unter anderem Kryptowährungen gehandelt werden – tue nichts Illegales und arbeite in vielen Ländern, in denen alles reguliert und kontrolliert werde, wird Wawrinka im Artikel zitiert.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.