Hocke

Einfach gestrickt: Wer es in «Champion der Champions» am längsten in der Hocke aushält, gewinnt. Von links: Daniel Albrecht, Patty Schnyder und Stefan Angehrn. © SRF

«Champion der Champions»: Jetzt auch noch auf SRF

Marco Diener /  Fernsehen SRF kürt den besten ehemaligen Spitzensportler. Andernorts lief die Sendung schon vor 16 Jahren. Es ist Dutzendware.

Die Fernsehsendung geht so: Sieben ehemalige Spitzensportler und -sportlerinnen treffen sich in Spanien. Der Skifahrer Daniel Albrecht, der Boxer Stefan Angehrn, der Bobfahrer Beat Hefti, die Biathletin Selina Gasparin, der Kunstturner Donghua Li, der Velofahrer Franco Marvulli und die Tennisspielerin Patty Schnyder. Nur ältere Zuschauer dürften sich noch an alle von ihnen erinnern.

Alte Lastwagen-Pneus

Die sieben treffen sich also im andalusischen Dorf Agua Amarga. Warum ausgerechnet in Andalusien, erschliesst sich dem Zuschauer nicht. Aber egal.

Die ehemaligen Sportler messen sich in wenig geistreichen Wettkämpfen. Sie rollen einen alten Lastwagen-Pneu einen Hügel hinauf. Sie absolvieren – an Händen und Füssen zusammengebunden – einen Hindernisparcours. Sie pumpen ein Gummiboot auf und paddeln damit um einen Fels. Sie laufen einen Berg hoch und zählen Steine am Wegesrand. Sie versuchen – an ein Holzbrett gelehnt – möglichst lange in der Hocke auszuharren.

Pneus
Der Pneu muss auf den Hügel: Stefan Angehrn vor Franco Marvulli.
Fesselung
An Füssen und Händen zusammengebunden: Selina Gasparin und Daniel Albrecht quälen sich durch den Hindernisparcours.
Umarmung
Konstante in der Sendung «Champion der Champions»: Die Teilnehmer fallen sich ständig in die Arme.

Langweiliges Spiel

In der Folge von heute Abend müssen die Sportler möglichst lange in der Hocke ausharren. Eigentlich ein langweiliger Wettkampf. Doch in der Ankündigung redet SRF eine gewaltige Dramatik herbei: «Es ist eine der härtesten Disziplinen im Wettkampf der ehemaligen Sportstars: ‹The Wall›. Hier kann nur gewinnen, wer trainierte Muskeln, eine gute Körperbeherrschung und vor allem eine hohe Leidensfähigkeit hat. Angelehnt an eine Wand, Beine im rechten Winkel, bis die Muskeln zittern.»

Verlierer reisen ab

Zwischen den Wettkämpfen erzählen die Sportler einander im andalusischen Wohnzimmer aus ihrem Leben. Und in jeder Sendung werfen zwei Sportler einander über eine Mauer hinweg eine Glaskugel zu. Wer sie fallen lässt, reist nach Hause.

Das Format erinnert ein bisschen an «Bauer, ledig, sucht…» und an den «Bachelor». Umso mehr als Lukas Studer mit seiner Moderation krampfhaft Spannung zu erzeugen versucht, weil die Sendung doch ziemlich zäh ist.

Kombo
Kleidung, Bart, Frisur: Lukas Studer von «Champion der Champions» (rechts) in der gleichen Aufmachung wie Marco Fritsche von «Bauer, ledig, sucht…». Und er moderiert auch gleich.

Wo «Champion der Champions» läuft? Nicht auf «3+» oder einem anderen Privatsender, wo solche Sachen normalerweise zu sehen sind. Nein, «Champion der Champions» läuft zur besten Sendezeit auf SRF 1. Auch heute Abend um 21 Uhr wieder.

Von Primitives-TV

SRF hat die Sendung nicht selber erfunden, sondern gekauft. Und zwar von der belgischen Firma Primitives-TV. Primitves-TV vermittelt zwischen Rechteinhabern und Fernsehanstalten. Die Firma hat unzählige Sendekonzepte im Sortiment, welche Fernsehsender gegen eine Lizenzgebühr übernehmen dürfen.

Darunter sind Spielshows in Parkhäusern, Promi-Expeditionen in Grönland und Namibia oder Paartherapien. Prominente verkleiden sich für vier Wochen als alte Leute. Menschen, die mit ihrem Körper unzufrieden sind, werden in einer Nackt-Show therapiert. Junge Leute verkuppeln ihre Freunde.

Seit 16 Jahren – und in acht Ländern

Die SRF-Sendung «Champion der Champions» gibt es unter dem Namen «Eternal Glory» seit 16 Jahren. Ausgestrahlt wurde sie schon in acht Ländern: in Schweden, Norwegen, Deutschland, Finnland, Polen, Grossbritannien, Holland und Dänemark. SRF kommt damit also ziemlich spät.

Anreise
Die Bilder gleichen sich: Anreise auf Schweizer Art mit (von links) Stefan Angehrn, Patty Schnyder, Daniel Albrecht, Donghua Li und Selina Gasparin.
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Anreise im Werbevideo von Primitives-TV.

SRF hat die Sendung also nicht selbst erfunden – SRF produziert sie auch nicht selber. Das überlässt sie der Produktionsfirma Mediafisch. SRF hatte denn auch kaum Personal vor Ort. Moderator Lukas Studer war acht Tage dort, eine weitere Person von SRF drei Tage. Den Rest erledigte Mediafisch.

Newsletter Balken gelb

Mediafisch produziert regelmässig Sendungen für SRF – unter anderem auch die Sendung «Kuppelkids», welche die SRG-Ombudstelle als gesetzwidrig und jugendgefährdend taxierte. SRF lässt von Mediafisch viele Sendungen produzieren, die sich auch mit viel Wohlwollen nicht als Service public bezeichnen lassen.

Mediafisch produziert aber nicht nur. Für die SRF-Sendungen «Kuppelkids», «Mini Chuchi, dini Chuchi» und «Wer wohnt wo?» sucht die Firma auch gleich Kandidaten. Und wer in den Sendungen mit Publikum dabei sein möchte, kann sich gleich auf der Website von Mediafisch anmelden.

Bereits um die 400 Folgen

Doch zurück zu den «Champions der Champions». Die Serien werden schon fast im industriellen Massstab verfilmt. Bisher sind in den verschiedenen Ländern insgesamt um die 400 Folgen abgedreht worden. Und das sieht man. Die Dramaturgie ist ähnlich, die Spiele unterscheiden sich auch nicht gross, sogar die Sache mit der Glaskugel wiederholt sich.

Dass es sich bei «Champion der Champions» um Dutzendware handelt, sieht man auch als Zuschauer: Patty Schnyder und Donghua Li mussten in der dritten Folge mit einem arg lädierten Gummiboot vorliebnehmen.

Boot
Lädiertes Boot: Donghua Li und Patty Schnyder

Zweite Staffel im nächsten Jahr

Die ersten drei Folgen von «Champion der Champions» sahen zwischen 349’000 und 377’000 Menschen. Das entspricht einem Marktanteil von 27 bis 30 Prozent. Zum Vergleich: Die Hauptausgabe der «Tagesschau» erzielte 2023 im Schnitt einen Marktanteil von 52 Prozent.

Rolf Elsener, Formatentwickler und Produzent, bei SRF schreibt dennoch: «Wir sind sehr zufrieden mit dem bisherigen Publikumszuspruch. Besonders erfreulich ist, dass ‹Champion der Champions› auch bei den jüngeren Zuschauer:innen gut ankommt.» Deshalb ist für 2025 eine zweite Staffel geplant.


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4 Meinungen

  • am 13.12.2024 um 11:31 Uhr
    Permalink

    Definitiv die Sicht eines notorischen SRF-Kritikers und nicht diejenige des Durchschnitts-Zuschauers.
    – Was interessiert es mich, dass es CdC schon vor 16 Jahren in Polen gab?
    – Dass nicht Marco Odermatt oder Noé Ponti teilnehmen, sondern ehemalige Sportgrössen, ist logisch. War vor 16 Jahren in Polen und in den anderen Ländern sicher auch nicht anders.
    – Und Sportwettkämpfe müssen nicht «geistreich» sein, sondern die körperliche Fitness der ehemaligen Sportlerinnen und Sportler herausfordern.
    – Hätte SRF mehr Personal als Lukas Studer und eine weitere Person hingeschickt, wäre das sicher als Geldverschwendung kritisiert worden.
    – Der Marktanteil-Vergleich zwischen CdC und der Tagesschau ist nichts anderes als populistisch.

    Übrigens: Diese Sendekritik kommt 3 Wochen nach der Ausstrahlung der ersten CdC-Folge. Marco Diener «kommt damit also ziemlich spät» (um ihn selbst zu zitieren).

    • am 14.12.2024 um 10:05 Uhr
      Permalink

      Die Frage sei erlaubt, ob solch oberflächlicher Quatsch mit Zwangsgebühren finanziert werden soll. Der Service Public-Auftrag sollte endlich mal genauer definiert werden.

      • am 15.12.2024 um 00:05 Uhr
        Permalink

        Man fragt sich tatsächlich, was diese Uralt-Formate im öffentlich-rechtlichen, gebührenpflichtigen Fernsehen sollen. Tatsache ist, dass unser «Staatssender» mit seinem Programm an Seichtheit nicht zu überbieten ist. Zweitklassige Sendungen, von drittklassigen «Journalisten» präsentiert. Quo vadis Qualitäts-
        Fernsehen?

    • am 14.12.2024 um 17:08 Uhr
      Permalink

      Für einmal muss ich Marco Diener beipflichten. SRF ist mit all seinen sicherlich aufwendigen Sendungen wie ‹SRF bi de Lüt› und dergleichen so was von langweilig, dass man froh sein um all die anderen Sender.
      Warum man übrigens solche Sendungen, wie die von Herrn Diener kritisierten, in Spanien produzieren muss, darf man als Gebührenzahler schon hinterfragen?.

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