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Bald «technologieneutrales» Medienhaus? SRG-Gebäude in Zürich. © cc-by-sa-3 Jürg-Peter Hug

Brisante EMEK-Vorschläge: SRG in Zukunft ohne Werbung?

Pascal Sigg /  Die Expertengruppe skizziert den medialen Service public der Zukunft: inhaltsorientierter, zugänglicher, eigenständiger.

Mehr öffentliches Interesse, mehr Journalismus. So könnte man den «Denkanstoss» der Eidgenössischen Medienkommission lesen. Die Gruppe aus Expertinnen und Experten der Medienbranche berät die Schweizer Regierung in Medienfragen. In einem Positionspapier legte sie gestern ihre Vorstellung der Zukunft der SRG ab etwa 2035 vor.

Dies ist wichtig, weil die SRG politisch stark unter Druck steht. Bundesrat Albert Rösti will ihr per Verordnungsänderung jährlich mehrere hundert Millionen Franken entziehen. Die Halbierungsinitiative hätte gar noch stärkere Kürzungen zur Folge. Als Reaktion auf diese finanziellen Forderungen wurden immer wieder Rufe nach einer grundlegenden Neuorientierung der SRG laut. Gerade in Zeiten der anhaltenden Medienkrise sei wichtiger, zuerst die Aufgaben des medialen Service public zukunftsfähig zu definieren, bevor dessen Budget verhandelt wird. Diese Position vertrat zum Beispiel der Medienwissenschaftler Manuel Puppis, selber Mitglied der EMEK (Infosperber berichtete).

Die nun vorgestellten Ideen sind grundsätzlicher Natur und durchaus brisant. Denn sie hätten eine fundamentale Umgestaltung – und journalistische Stärkung – der SRG zur Folge. Und würden diese noch deutlicher in den Dienst der Öffentlichkeit stellen. Im Interview mit dem Branchenportal persoenlich.com sagte EMEK-Präsidentin Anna Jobin gestern: «Künftig soll die Leistung im Zentrum stehen, die eine publizistische Grundversorgung bietet und damit für Kohäsion und Inklusion sorgt innerhalb der verschiedenen Sprachräume, aber auch über die Sprachräume hinweg.»

  • Medialer Service public als Infrastrukturaufgabe

Neu betrachtet die EMEK medialen Service public nämlich ausdrücklich als Infrastruktur. Im Papier heisst es: «Wie Energie, Sicherheit oder Bildung ist der Zugang zu unabhängigen und validen publizistischen Angeboten, die nach einschlägigen Qualitäts- und Berufsstandards hergestellt werden, auch dann sicherzustellen, wenn Produktion, Distribution oder Nutzung aus Sicht des Anbieters finanziell nicht lukrativ ist.»

Deshalb soll er sich auf meinungsbildende Informationen über Politik und Wirtschaft, Kultur, Bildung und Wissenschaft konzentrieren. «Er bietet und leistet Information, Einordung, Kritik und Kontrolle.»

  • Inhalt vor Form und Technologie

Die EMEK findet zudem, dass die Beschränkung auf audio-visuelle Darstellungsformen nicht zeitgemäss wäre. Dies entspräche schlicht nicht der Mediennutzung und würde einer «Musealisierung» von Radio und TV gleichkommen. Die Abgrenzung zur privatwirtschaftlich betriebenen Presse und zu deren text-orientierten Angeboten im digitalen Nutzermarkt müsse also durch eine klare inhaltliche Ausrichtung des medialen Service public sichergestellt werden. Und nicht durch technische, formale oder gestalterische Einschränkungen. Somit könnte man gegebenenfalls auch auf ein lineares Vollprogramm – also die Ausstrahlung von Sendungen von frühmorgens bis spätabends – verzichten. Entscheidend sei stattdessen die Zugänglichkeit.

  • Nur Geld aus öffentlicher Hand

Um die Eigenständigkeit der öffentlichen Medien künftig zu gewährleisten, soll die SRG ausschliesslich mit öffentlichen Geldern arbeiten. 2022 stammten etwa 11 Prozent der SRG-Einnahmen aus Werbung. Werbeeinnahmen dürften gemäss EMEK-Vorschlag aber nur noch in Ausnahmefällen generiert und zugunsten einer allgemeinen Medienförderung verwendet werden, die auch privaten Anbietern zugutekäme.

Die Kommission hält es für notwendig, dass sich auch Politik und Gesellschaft grundsätzlich mit der künftigen Ausrichtung und Ausgestaltung des medialen Service public im digitalen Zeitalter auseinandersetzen.

Ablehnung der Werbewirtschaft – gespaltene Medien

Die EMEK-Ideen stossen jedoch nicht überall auf Anklang. «Der Vorschlag ist ideologisch und fernab ökonomischer Medienrealität», lässt Jürg Bachmann, Präsident des Werbebranchenverbands KS/CS Kommunikation Schweiz, der auch ein EMEK-Mitglied stellt, auf Infosperber-Anfrage verlauten. Ohne Werbung im Service public könnten die Auftraggeber nicht mehr alle Zielgruppen erreichen. Bachmann befürchtet auch, dass «das bei der SRG freiwerdende Werbegeld mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht in andere Schweizer Medien fliessen würde».

Und auch die grossen Verlage dürften nichts von einem stärkeren, «technologieneutralen» Service public-Medienhaus halten. Sie fordern derzeit im Rahmen der Vernehmlassung zur Teilrevision der Radio- und TV-Verordnung (RTVV): «Die Online-Aktivitäten der SRG sollen auf allen Ebenen eingeschränkt werden. Nur so wird die verfassungsrechtliche Rücksichtnahme auf die privaten Medien eingehalten.»

Anders dürfte es allerdings der Verband Medien mit Zukunft, dem auch Infosperber angehört, sehen. In seiner Vernehmlassungsantwort heisst es: «Die SRG spielt im medialen Ökosystem eine wichtige Rolle, die sich positiv auf die privaten Anbieter auswirkt. Es ist falsch, anzunehmen, dass aus einer Beschneidung des medialen Service public mehr Marktraum für die privaten Medienhäuser entsteht: Forschungsergebnisse zeigen, dass ein gut finanzierter und rege genutzter medialer Service public das Vertrauen der Gesellschaft in die Medien stärkt und die Zahlungsbereitschaft für die privaten Angebote zunimmt.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

4 Meinungen

  • cropped-CHRISTOPH_MG_9177-bearb.png
    am 7.02.2024 um 22:27 Uhr
    Permalink

    Die Vorschläge der EMEK sind genau richtig: Sie orientieren sich nicht an den aktuellen Marktverhältnissen, sondern primär an den Bedürfnissen einer Demokratie, für die qualitativ hochstehender Journalismus unverzichtbar ist. Das Ganze technologieneutral, werbefrei und von der öffentlichen Hand finanziert. Fast zu schön, um wahr zu sein. Es braucht nun all jene Politikerinnen und Politiker, die in den letzten Jahren nicht müde wurden, die unerlässliche Rolle von Qualitätsmedien zu betonen, um diesem ambitiösen Projekt Flügel zu verleihen.

    • am 10.02.2024 um 18:32 Uhr
      Permalink

      «Ohne Werbung im Service public könnten die Auftraggeber nicht mehr alle Zielgruppen erreichen.» Was für ein irres Statement. Eine werbefreie SRG im Bereich des Fernsehens würde ein unabhängiges SRF garantieren. Aber weil die meisten der National- und Ständeräte in diversen Verwaltungsräten hocken und dadurch nicht wirtschaftsunabhängig sind, wird es nix mit werbefreiem Schweizer Fernsehen.

  • am 7.02.2024 um 23:23 Uhr
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    Wer Gelder vom Staat bezieht, soll ganz auf Werbung verzichten (auch die Privaten)… Dann kann jeder frei wählen ob er lieber Kommerziell agiert oder bloss ein Pressesprecher des Bundes ist. Siehe Frankreich (France 2-5 komplett Werbefrei) und eine separates Gbühreninkasso haben die auch nicht. Auch bei uns könnte man im selben Rutsch auch gleich die Serafe einstellen und wie die Kirchensteuer (ist ja mittlerweile auch nur noch eine Glaubensinstitution) direkt abziehen.

  • am 8.02.2024 um 09:20 Uhr
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    Wäre es nicht besser, die SRG würde für private Schweizer Klein- und Mittelunternehmen sehr günstige Werbefenster anbieten und ganz auf Werbung von Multinationalen und Konzernen verzichten – die sollen sich bei privaten Sendern einkaufen. So würde man dem Zuschauer auch die sich andauernd wiederholenden, immer gleichen Werbespots ersparen.
    Da alle, die bereits SERAFE Gebühren bezahlen, würde das sicherlich auf grosse Akzeptanz stossen.

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