Professor Klaus Stöhr

Klaus Stöhr arbeitete 15 Jahre bei der WHO, bevor er zu Novartis wechselte. Dort war er an der Entwicklung eines H5N1-Grippeimpfstoffs beteiligt. Seit 2018 ist er freier Berater. © zVg

«Wir sollten uns auf eine Pandemie mit H5N1 vorbereiten»

Martina Frei /  Der frühere WHO-Epidemiologe Klaus Stöhr fordert dringend eine Aufarbeitung der Pandemiefehler. Die nächste Krise sei «garantiert».

Red. – Dieses Interview erschien erstmals am 13.6.2023. Wir veröffentlichen es erneut, weil das H5N1-Grippevirus laut der WHO inzwischen bei weiteren Säugetierarten nachgewiesen wurde, zuletzt bei Ziegen und bei 29 Milchkuh-Herden in acht Bundesstaaten der USA. Dass H5N1 nicht mehr nur Vögel befalle, rechtfertige «enorme Besorgnis», sagte der WHO-Chefwissenschaftler Jeremy Farrar letzte Woche in Genf. Wenn ein Virus auch Säugetiere befallen könne, komme es «den Menschen näher». Die WHO bekräftigte letzte Woche ihre Warnung vor der H5N1-Vogelgrippe und riet, keine Rohmilch, sondern ausschliesslich pasteurisierte Milchprodukte zu konsumieren. Anfang April steckte sich in den USA ein Mann, der auf einer Rinderfarm arbeitete, mit H5N1 an. Er hatte laut der WHO nur leichte Symptome. Von 2003 bis Anfang April 2024 habe die WHO in 23 Ländern insgesamt 889 Ansteckungen bei Menschen verzeichnet, von denen 463 tödlich geendet hätten. Klaus Stöhrs Sorge ist, «dass man sich seitens der Politik weiterhin auf die Beobachterrolle konzentriert ohne die gegenwärtigen Möglichkeiten (zum Beispiel Impfstoffentwicklung) zur Pandemievorbereitung zu nutzen».

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Herr Professor Stöhr, Sie gehören zu den Erstunterzeichnern einer breit abgestützten Gruppe von Virologen, Epidemiologen, Kinder- und weiteren Fachärzten, Soziologen, Juristen und Vertreter anderer Disziplinen, die in einem offenen Brief eine «Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie» forderten, unabhängig von politischen Interessen. Was müsste Ihrer Ansicht nach aufgearbeitet werden?

Die Daten liegen auf dem Tisch: Deutschland liegt in den allermeisten der Studien zur Übersterblichkeit während der Pandemie bestenfalls im Mittelfeld, es hatte die längsten Schulschliessungen, enorme Grundrechtseinschränkungen, und viele Massnahmen wurden sogar noch bis 2023 aufrechterhalten. Von den horrenden Ausgaben, den Millionen umsonst bestellter Impfstoffdosen, der katastrophalen Kommunikationspolitik und den Grabenkämpfen in der Gesellschaft ganz zu schweigen. Wäre es nicht vernünftig zu schauen, was man beim nächsten Mal wiederholen sollte und was lieber nicht?

Welche Fehler in der Corona-Pandemie hätte man bereits im Voraus kennen und vermeiden können?

Dafür reicht der Platz hier nicht. Ich habe die Fehler schon im Frühling 2022 zusammengefasst. Das fing bereits beim Grundlagenwissen an: Atemwegserreger führen zu keiner sterilen Immunität, alle werden sich mehrmals infizieren. Die Impfung kann nicht verhindern, dass man sich und andere ansteckt, aber sie kann die Folgen der eigenen Ansteckung abmildern. Eine Infektion bewirkt in der Regel eine bessere Immunität als ein Impfstoff mit nur einem Virusprotein. Massentestungen von asymptomatischen Personen führen selbst bei geringer Fehleranfälligkeit der Tests zu Fehleinschätzungen. Begleitende Forschung ist für eine Fehlerkorrektur während der Bekämpfung essentiell, etcetera etcetera … Noch wichtiger ist die Frage: Was war relativ schnell nach dem Beginn der Pandemie als gesichert bekannt? Dazu zählte vor allem die Rolle der Kinder. Hier hätte man zum Beispiel nur auf die medizinischen Fachgesellschaften hören müssen.

Unter anderem verlangt der offene Brief, Interessenkonflikten nachzugehen. Wo bestanden zum Beispiel solche Interessenkonflikte?

Aus meinem Blickwinkel geht es hier vor allem um die Politik: Sie benötigt im Vorfeld von Krisen einen strukturierten Prozess, um sich das nötige Wissen für politische Entscheidungen zu verschaffen. Es kann nicht sein, dass bei einer nächsten Krise wieder einzelne Grundlagenwissenschaftler und Modellierer die Politiker in Fragen der praktischen Seuchenbekämpfung beraten. 

Vorkommnisse mit grosser Tragweite können zur Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) führen. Doch weder in der Schweiz noch in Deutschland wurde eine PUK zur Corona-Pandemie gebildet. Das deutsche Parlament hat dies sogar mit grosser Mehrheit abgelehnt. Der Gesundheitsexperte der Grünen zum Beispiel befürchtete, die Gesellschaft werde sich noch mehr spalten, wenn man jetzt die Pandemie aufarbeite. Was sagen Sie dazu?

Ich habe den Eindruck, dass die Parteien hoffen, bei der nächsten Pandemie nicht in der Regierungsverantwortung zu sein. Anders kann ich mir die Verweigerungshaltung nicht erklären. Dazu kommt die Furcht, sich mit seinen Fehleinschätzungen konfrontiert zu sehen. 

Die Fehler sind passiert. Warum wollen Sie weiter in dieser Wunde rühren?

Die nächste Krise kommt garantiert. Es geht darum, sich mit den gemachten Erfahrungen, gute wie weniger gute, besser darauf vorzubereiten. Es müssen doch nicht alle die gleichen Dummheiten nochmals machen. Besonders hanebüchen finde ich die Ausrede, dass eine solche Untersuchung teuer würde. Wer aus seinen Fehlern nicht lernt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen. Das würde viel kostspieliger werden. Bedenken Sie: Allein in Deutschland wurden rund 440’000’000’000 Euro – also etwa 5200 Euro pro Person – wegen und gegen Corona in den Bundesnachtragshaushalt aufgenommen.

Sie sagen bereits die nächste Krise voraus: Wie beurteilen Sie das aktuell unter Vögeln zirkulierende Vogelgrippe-Virus H5N1?

Das Gefahrenpotenzial von H5N1 war und bleibt hoch. Die Sorge ist, dass H5N1 nicht wie bis dato selten einzelne Menschen infiziert, sondern sich dadurch anpasst und hoch übertragbar wird.

Zur Person

Klaus Stöhr Portrait
Klaus Stöhr

Klaus Stöhr (64) hat Veterinärmedizin und Epidemiologie studiert. Er arbeitete 15 Jahre lang für die Weltgesundheitsorganisation WHO, unter anderem war er Direktor des globalen Influenza- und Pandemievorbereitungsprogramms der WHO. Sein internationales Team entdeckte 2003 das SARS-CoV-1. Klaus Stöhr koordinierte damals die globale Forschung zur Sars-Epidemie. 2007 wechselte er zur Impfstoffsparte beim Pharmakonzern Novartis und 2015 zu Novartis International. Seit 2018 ist er als freier Berater tätig. 

«Niemals zuvor in der Geschichte haben wir Ausbrüche dieser Art der pathogenen Vogelgrippe so weit verbreitet beobachtet», warnten Sie schon 2004 vor einer H5N1-Pandemie. Jetzt haben wir 2023 – und bisher blieb die H5N1-Pandemie aus.

Im Jahr 2005 befürchteten wir eine schnellere Variantenbildung von H5N1, die zur Pandemie führen würde, trotz weniger Übertragungen auf den Menschen. Das war offensichtlich nicht der Fall. Jetzt aber ist H5N1 über Kontinente grossflächig bei Wildvögeln verbreitet. Damit werden Ansteckungen von Hausgeflügel und auch von einzelnen Menschen zunehmen, auch bei uns in Europa. Damit bleibt das Risiko hoch, dass eine dieser Übertragungen auf den Menschen dazu führen wird, dass sich das Virus zu einer Variante wandelt, die leicht zwischen Menschen übertragbar wird.

Damals wurden Hühner und andere Geflügeltiere millionenfach gekeult. War diese Massnahme wirksam?

Primär erfolgte die Keulung der Tiere gemäss den Tierseuchenbestimmungen in den jeweiligen Ländern. Die Angst vor einer Pandemie war hier nur sekundär. Wenn bekannt wird, dass sich Hausgeflügel mit hochpathogenen Influenzaviren wie H5 und H7 infiziert hat, müssen die Bestände geräumt werden. Die Todesfallrate bei infizierten Tieren liegt häufig bei 100 Prozent, zudem verbreitet sich das Virus rasch auf andere Bestände. Ein Land würde seine Exportmöglichkeiten für Geflügel verlieren, wenn es anders mit solchen Ausbrüchen umgeht und die betroffenen Bestände nicht keult. Interessant war, dass das H5N1-Virus offensichtlich schon länger in China zirkulierte, noch bevor wir damals warnten. Das erfuhren wir aber erst später. Denn die chinesischen Behörden hatten das nicht nach Paris an die Weltorganisation für Tiergesundheit OIE gemeldet, wie es vorgeschrieben gewesen wäre.

Warum meldeten die chinesischen Behörden das nicht? 

Das ist spekulativ. Unter Umständen wäre ein kompletter Ausfuhrstopp für chinesisches Geflügel verhängt worden. In China werden derzeit pro Jahr circa fünf Milliarden Hühner produziert, dazu kommt noch anderes Schlachtgeflügel.

«Wir sitzen bei H5N1 auf einem Pulverfass, an dessen Lunte schon viel gezündelt wurde.»

Klaus Stöhr

Das H5N1-Virus ist nun mehrmals auf verschiedene Säugetierarten übergesprungen: Im US-Bundesstaat Nebraska beispielsweise sind im April zwei Katzen schwer am Vogelgrippe-Virus H5N1 erkrankt. Angesteckt haben sie sich vermutlich bei ihrer Beute: infizierten Wildvögeln. Im kanadischen Ontario verendete ein Hund an der Vogelgrippe, nachdem er an einer toten Gans herumgekaut hatte. 

Ja, genau das sind die Beispiele, dass H5N1 häufiger zu Infektionen bei Säugetieren führen wird. Die Gefahr besteht, dass sich das Virus an den Menschen anpasst und eine Pandemie auslösen kann. Wir sitzen bei H5N1 auf einem Pulverfass, an dessen Lunte schon viel gezündelt wurde.

Auf diesem Pulverfass sitzen wir seit mehr als zwei Jahrzehnten. Millionen von Geflügel wurde seither positiv auf H5N1 getestet. Trotzdem ist bisher nichts passiert.

Ja. Das Paradoxe ist, dass H5N1 seit über 20 Jahren in Asien präsent ist – trotzdem verursachte es bisher keine Pandemie. Dieses Virus scheint relativ stabil zu sein. Es braucht also viel mehr Übertragungen auf den Menschen als angenommen, damit es sich an den Menschen anpasst. Mit der nun fast globalen Verbreitung gibt es dazu jetzt viel mehr Gelegenheiten. Die «Zündelungen» an dem Pulverfass nehmen mit der Ausbreitung von H5N1 und der damit verbundenen stärkeren Exposition von Menschen und anderen Säugern stetig zu. Falls es diesem Virus gelingt, sich an den Menschen anzupassen, hat es ein sehr hohes Potenzial, eine Pandemie auszulösen. 

Kam es in der Vergangenheit schon vor, dass ein Vogelgrippe-Virus eine Pandemie verursacht hat?

Die bis dato schlimmste Pandemie der neueren Geschichte, die spanische Grippe von 1918, wurde durch ein Geflügelvirus ausgelöst, das direkt auf den Menschen übersprang.

Sollen wir uns nun auf eine H5N1-Pandemie vorbereiten?

Es wäre falsch, im Wissen um die Pandemie von 1918 einfach die Hände in den Schoss zu legen. Das H5N1-Virus hat sich in Asien über Jahrzehnte breit gemacht und zirkuliert schon sehr lange. Sporadisch springen Infektionen vom Wild- auf Hausgeflügel, die Sterblichkeit ist dort sehr hoch. Ich meine, wir können und sollten uns auf eine Pandemie mit H5N1 vorbereiten.

Ist H5N1 das gefährlichste Influenzavirus für eine neue Pandemie?

Ja, falls es wie das H1N1-Virus von 1918 direkt auf den Menschen überspringt. Allerdings darf man das H2-Virus nicht vergessen. Die letzte H2-Pandemie war im Jahr 1957. Dieses Virus wurde 1968 vom H3-Pandemievirus verdrängt. Die allermeisten Menschen haben also keine Antikörper mehr gegen das H2-Virus. Damit wird es ebenfalls zum wahrscheinlichen Kandidaten für eine Pandemie. Auch deswegen, weil noch sehr viele H2-Virus-Isolate von damals in den Gefriertruhen vieler wissenschaftlicher Einrichtungen in der ganzen Welt ruhen. Auch ein Unfall könnte zu einer neuen globalen Krise führen. 

«Bei den Verträgen sollte man schlauer sein, als es die EU und der deutsche Gesundheitsminister bei der Bestellung der Corona-Impfstoffe waren.»

Klaus Stöhr

Was empfehlen Sie heute?

Neben der Überwachung und dem internationalen Informationsaustausch bleibt die wichtigste Massnahme, rasch Prototypen hochpotenter Impfstoffe zu entwickeln, mit denen man im Bedarfsfall schnell die Produktion hochfahren könnte. Darüber hinaus braucht es eine vorbereitete Infrastruktur für klinische Versuche und validierte Biomarker zur Bestimmung des Immunschutzes. Eigentlich müsste die WHO die Initiative dafür ergreifen und Gelder dafür einwerben. Aber das wird meines Wissens nicht ausreichend gemacht. Noch besser wäre es, eine solche Initiative nicht nur im Hinblick auf die Influenza zu machen, sondern auszuweiten auch gegen Ebola, Chikungunya, Mers, Lassa, Nipah … Die Liste der möglichen Erreger, die zu schweren Epidemien führen können, ist nicht gerade kurz.

Falls dieses H5N1-Virus gefährlich wird, werden die Impfstoff-Hersteller doch ein Riesengeschäft machen. Weshalb sollte die WHO die Initiative ergreifen und nicht die Pharmafirmen?

Es ist blauäugig zu glauben, dass Firmen proaktiv einen H5N1-Impfstoff ohne erkennbaren Markt entwickeln. Wir reden hier von sehr vielen Millionen Euro, die ohne erkennbaren Rückfluss ausgegeben werden müssten. Selbst die klinischen Versuche genehmigt zu bekommen – bei einem noch nicht vorhandenen Erreger – wird schon nicht leicht. Wenn ich CEO einer Pharmafirma wäre, würde ich die Finger davon lassen. Die Risiken müssen breiter abgefangen werden: Neben der Pharmaindustrie ist hier sicherlich auch der Staat gefragt. Aber bei den Verträgen sollte man schlauer sein, als es die EU und der deutsche Gesundheitsminister bei der Bestellung der Corona-Impfstoffe waren.

Im Notfall könnten Firmen, die einen solchen Impfstoff vorrätig hätten, den Preis bestimmen. Die Gewinne wären gigantisch. Warum würden Sie das als CEO nicht anpacken?

Wenn ein CEO so grosse Summen in die Vorproduktion und Lagerung eines Impfstoffs steckt, hat er erstmal nur Ausgaben. Das macht sich in der Bilanz des Unternehmens nicht gut. Und bis der Impfstoff Gewinne einbringt, ist der CEO vielleicht schon durch einen anderen ersetzt worden. Dazu kommt, dass die Impfstoffe auch gerecht in der Welt verteilt werden sollen. Auch dafür braucht es eine Beteiligung der öffentlichen Hand.

Um einen solchen Impfstoff herzustellen, müsste man im Voraus wissen, wie das Pandemievirus aussehen wird. 

Es ist unwahrscheinlich, dass man jemals einen Impfstoff gegen ein unbekanntes Virus ausreichend bevorratet. Man kann aber Protoypen entwickeln, testen, im Ernstfall dann schauen, welcher am besten passt und diesen Impfstoff dann sofort – weil schon klinisch getestet – produzieren. Dadurch spart man viele Monate und es ist auch weniger kostenintensiv.

Die klassische Grippeimpfstoff-Produktion basiert darauf, dass die «Impfviren» in Hühnereiern gezüchtet werden. Würde das bei einem Vogelgrippe-Virus funktionieren?

Einen klassischen Hühnereierimpfstoff im Falle einer H5N1-Pandemie kann man aus vielen Gründen vergessen. Erstens käme der Impfstoff viel zu spät. Die Produktionskapazität würde bei weitem nicht ausreichen. Zweitens wäre der Produktionsaufwand erheblich. Die Arbeiter dort beispielsweise müssten zu ihrer Sicherheit den ganzen Tag in Ganzkörperanzügen arbeiten. Dazu kommt die eventuell notwendige Anpassung des H5N1-Stammes an die Hühnereier etcetera etcetera. Mit mRNA-Impfstoffen lassen sich all diese Probleme umgehen. Man könnte sogar einen mRNA-Impfstoff herstellen, der gleichzeitig gegen H5-, H7- und H9-Grippeviren schützt. 

«Eine H5N1-Pandemie mit ähnlicher Altersverteilung wäre ein Monster im Vergleich zur COVID-19- Pandemie.»

Klaus Stöhr

Sie selbst sind bereits gegen H5N1 geimpft. Wie kam das?

Novartis hat einen H5N1-Grippeimpfstoff namens «Aflunov» entwickelt, aber nicht vermarktet. Ich war an der Entwicklung beteiligt und habe damals an der Studie teilgenommen.

Wären Sie im Fall einer kommenden Vogelgrippe-Pandemie geschützt?

Ich habe eine Grundimmunisierung gegen ein H5N1-Virus erhalten. In meinem Knochenmark befinden sich deshalb noch B-Gedächtniszellen, die sich rasch in Antikörper produzierende Plasmazellen verwandeln könnten, wenn ich mit dem Virus in Kontakt käme. Das würde die Ausgangslage bei der Erstinfektion sicherlich erheblich verbessern. Aber ob das ausreicht gegen einen schweren Verlauf, kann man im Einzelfall nicht exakt vorhersagen. 

Seit Monaten sind in der Schweiz und anderen Ländern wichtige Antibiotika knapp. Würde ein Mangel an Antibiotika die Folgen einer Grippepandemie beeinflussen?

Ja, natürlich. Grippeviren brauchen nur Stunden, um sich in einer infizierten Körperzelle zu vermehren. Die Zelle stirbt dabei ab. Nach nur einem Tag mit Grippe sind im Körper Millionen von Zellen kaputt gegangen. Um die Infektion in den Griff zu bekommen, produziert der Körper unter Umständen auch noch übermässig Entzündungsbotenstoffe, sogenannte Zytokine. Auch sie können Zellen zerstören. Der Körper muss bei einer Grippeinfektion also Millionen von abgestorbenen Zellen beseitigen. Weil Bakterien in diesem Milieu gut gedeihen, folgt häufig noch eine bakterielle Zweitinfektion. Gegen solche bakterielle Zweitinfektionen können Antibiotika helfen. 

Würde eine H5N1-Epidemie bestimmte Altersgruppen besonders stark treffen?

Im Jahr 1918 waren von Todesfällen zwei Altersgruppen besonders stark betroffen: Menschen im Alter von etwa 25 Jahren und diejenigen ab 55 Jahren. Es gibt viele Spekulationen, warum damals so viele junge Menschen gestorben sind. Was auch immer die Ursache war: Eine H5N1-Pandemie mit ähnlicher Altersverteilung wäre ein Monster im Vergleich zur COVID-19- Pandemie. Im Unterschied zu Coronaviren sind Influenzaviren viel schwächer miteinander verwandt. Auch die älteren Generationen wären wieder betroffen. Denn wenn man schon vorerkrankt ist, wird es gefährlicher. Das würde bei H5N1 vermutlich ähnlich verlaufen.

Vielen Dank für das Gespräch.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Klaus Stöhr gibt an, dass er keine Interessenkonflikte hat.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Covid-19 fordert Behörden und Medien heraus. Infosperber filtert Wichtiges heraus.

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Grippe und Influenza: Richtig niesen

Gegen Erkältungen nützt Impfen nichts. Zum Vermeiden einer Influenza ist die Wirkung umstritten.

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8 Meinungen

  • am 13.06.2023 um 10:53 Uhr
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    Die Aussagen von Herrn Stöhr zur Aufarbeitung der Coronakrise überzeugen. Ich glaube, die «Furcht, sich mit seinen Fehleinschätzungen konfrontiert zu sehen», ist der mit Abstand wichtigste Grund, warum die meisten Politiker und Experten lieber einfach Gras über die ganze Geschicht wachsen lassen möchten.
    Wenn es um die Vogelgrippe geht, schlägt dann aber doch der ehemalige WHO- und Novartis-Mitarbeiter durch. Natürlich ist es niemals ausgeschlossen, dass die nächste, noch gefährlichere Pandemie kommt. Aber ich glaube nicht, dass uns Alarmismus irgend einen Vorteil bringt.
    Wichtig ist allerdings der Hinweis von Herrn Stöhr, dass private Firmen aus systemimmanenten Gründen einige wichtige Bereiche der Gesundheitsversorgung (z.B. Suche nach neuen Antibiotika) vernachlässigen, und dass deshalb staatliche Institutionen übernehmen müssten.

  • am 13.06.2023 um 14:41 Uhr
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    Angst regiert die Welt. Die Pharma will schon produzieren, aber das Risiko nicht tragen, Dafür soll der Staat und die Bevölkerung herhalten. Die Gewinne gehen natürlich nur an die Pharma. Die letzte Pandemie hat es wieder gezeigt.

  • am 13.06.2023 um 15:13 Uhr
    Permalink

    >>Weshalb sollte die WHO die Initiative ergreifen und nicht die Pharmafirmen?

    Die Hauptsponsoren der WHO sind NGU’s: Gates und Pharmaindustrie.
    Es ist Blauäugig zu glauben, dass diese das Wohl der Gesundheit der Menschen vor der Profitgier priorisieren.
    Mit den neuen Verträgen der WHO welche mit den meisten Ländern der Erde abgeschlossen werden sollen, würden NGUs indirekt über fast die ganze Erde Lockdowns usw. bestimmen können aufgrund positiver PCR-Tests!
    Welche, bei Anwendung ohne Symptome und erhöhten Cycles beliebig viele «falsch positive» ergeben.
    Die Erde in der Hand von NGUs!!!

  • am 13.06.2023 um 18:40 Uhr
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    Ein sehr gutes, sachliches und informatives Interview von Martina Frei mit einem seriösen Fachmann, der auch während Corona positiv aufgefallen ist.

    Zwei Punkte: Herr Stöhrs Prototyp-Impfung gegen H5N1 könnte im Ernstfall auch nach hinten los gehen, wenn sich nämlich das tatsächliche H5N1-Virus von seinem Impfvirus so unterscheidet, dass eine ungeeignete Gedächtnis-Immunantwort ausgelöst wird.

    Das ist übrigens genau der Grund, warum bei der Spanischen Grippe die junge Altersgruppe 20-35 besonders stark betroffen war. Sie hatte ein ungünstiges immunologisches Priming Ende des 19. Jhdts. erlebt. Die Gruppe über 55 war übrigens *nicht* besonders stark betroffen, sondern so wie damals jedes Jahr bei Grippe.

    • am 14.06.2023 um 15:19 Uhr
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      Ich denke, bei der Spanischen Grippe war auch zentral, dass sie in der Endphase des ersten Weltkrieges ausgebrochen ist. Viele Menschen waren völlig erschöpft. Aber wenn sie noch beide Hände und Füsse hatten, galten sie trotzdem als «gesund». Es gibt Berichte, dass grippekranke Soldaten lange Märsche absolvieren mussten. Kein Wunder, dass es da Tote gibt.
      Wahrscheinlich ist es mit der heutigen Datenlage kaum mehr ermittelbar, wieviele Todesopfer das gleiche Virus fünf Jahre früher gefordert hätte.

      • am 15.06.2023 um 13:59 Uhr
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        Der Weltkrieg könnte den Ausbruch begünstigt haben, aber die Todesrate war in Ländern wie den USA und der Schweiz, die vom Krieg nicht direkt betroffen waren, genauso hoch.

  • am 16.06.2023 um 07:31 Uhr
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    Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich einen Artikel über H5N1 oder eine Werbebroschüre für mRNA – Impfstoffe gelesen habe. Solange die Folgen der Covid-Pandemie einschliesslich der Wirkung und Nebenwirkungen dieser «Impfstoffe» nicht geklärt sind, lehnen sich all jene sehr weit aus dem Fenster, die mRNA als Lösung für alle zukünftigen Pandemien herbeireden wollen.

    Die Pandemien von 1958 und 1968 hatten im Übrigen genauso wie die Schweinegrippepandemie von 2009 recht geringen Einfluss auf die weltweite Sterblichkeit. Der grosse Unterschied zu 1918 war wohl, dass es Antibiotika gab. In diesem einen Punkt, dass wir wieder mehr für die Versorgungssicherheit bzgl. wichtiger Medikamente einschl. Antibiotika tun müssen, hat Herr Stöhr also absolut recht.

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