«Zwanzig mal mehr Tote als wegen des Rauchens»
«In Europa sterben jedes Jahr 1,2 Millionen Menschen an den Folgen ihrer körperlichen Inaktivität», erklärte Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln in der Sendung «Fakt» der ARD.
An den Folgen des Rauchens würden in Europa 57’000 Menschen jährlich sterben. An den Folgen mangelnder körperlicher Bewegung würden also zwanzig Mal mehr Menschen vorzeitig sterben als an den Folgen des Rauchens.
Froböse zählt auf:
Wir sind bequem, sitzen zu viel und bewegen uns viel zu wenig. Wir sitzen auf dem Weg zum Arbeitsplatz. Wir sitzen den ganzen Tag im Büro. Wir sitzen, wenn wir wieder nach Hause fahren und abends zappen wir sitzend durch das Fernsehprogramm.
«Der Mensch lebt nicht artgerecht», folgert Professor Gerhard Huber von der Universität Heidelberg. Das menschliche
Professor Gerhard Huber
Skelett und der menschliche Körper würden nur mit Bewegung funktionieren.
«Die heutigen Sitzzeiten sind besorgniserregend», doppelt Professor Ingo Froböse nach, der an der deutschen Sporthochschule Köln die Folgen des Sitzens erforscht. Und es werde zunehmend schlimmer und nicht besser. Laut einer Studie* deutscher Krankenkassen sitzt jeder Einwohner Deutschlands an Werktagen im Durchschnitt sieben Stunden lang. Dreissig Prozent der Berufstätigen würden über neun Stunden pro Werktag sitzen.
Die Folgen: Die Muskeln würden zu wenig durchblutet, der Stoffwechsel werde zu wenig aktiv. Schliesslich komme es zu einer Unterversorgung der Zellen und das mache krank, sagt Professor Froböse. Übergewicht, Diabetes infolge erhöhter Blutzuckerwerte, Herzkreislauf-Krankheiten und Krebserkrankungen seien die Folgen.
Das wirke sich auf die Lebenserwartung aus: «Zwanzig Prozent der Männer und über dreissig Prozent der Frauen erreichen das heutige durchschnittliche Lebensalter nur deshalb nicht, weil sie zu viel sitzen.»
Jens Baas von der Techniker Krankenkasse, Co-Autor der Umfrage über die körperliche Aktivität der Deutschen, spricht von Milliardenkosten, die körperliche Inaktivität
Jens Baas
verursacht und warnt, dass diese tatsächlich zu etlichen Krebserkrankungen beitrage. Umgekehrt hätten die Untersuchungen in Heidelberg nachgewiesen, dass Frauen und Männer, die bereits an Krebs erkrankt sind, ihr Überleben mit körperlicher Aktivität verlängern können.
Bewegungsmangel fördert Krebserkrankungen
Nach einer Studie im «Lancet Oncology» ergaben Daten aus vielen Ländern, welche die Internationale Krebsforschungsagentur IARC ausgewertet hat, dass beim Entstehen von Brustkrebs, Gebärmutterkrebs, Darm- und Nierenkrebs mangelnde körperliche Bewegung verbunden mit Übergewicht eine wichtige Rolle spielen. In Nordamerika und Europa seien rund 375’000 der jährlichen Krebserkrankungen auf Bewegungsmangel und Übergewicht zurück zu führen, erklärt das Team um die IARC-Wissenschaftlerin Melina Arnold. Das seien elf Prozent aller Krebserkrankungen. «Wenn sich krankhaftes Übergewicht weiter ausbreitet, werden auch in Südamerika und Nordafrika die Krebserkrankungen zunehmen», warnt Melina Arnold.
BAG plant Sensibilisierungskampagne ab 2017
Das Bundesamt für Gesundheit BAG ist präsent mit einer auffälligen und erfolgreichen Kampagne gegen das Rauchen und einer andern, bisher wenig erfolgreichen für die Grippeimpfung. Warum die Bundesbehörde nicht einen vergleichsweise noch grösseren Aufwand betreibt, um körperliche Aktivität zu fördern, beantwortet das BAG so: Eine «Kampagne» habe das BAG nicht lanciert, es setze sich aber für «Rahmenbedingungen» ein, «die eine tägliche körperliche Bewegung erleichtern».
Das BAG habe auch Empfehlungen für die Gesundheit am Arbeitsplatz veröffentlicht.
Das Bundesamt für Gesundheit bestreitet den Befund von Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln. In der Schweiz sterben laut BAG «jedes Jahr mehr als 9’000 Menschen vorzeitig an den Folgen des Rauchens». Dagegen habe eine Studie im Auftrag des BAG für das Jahr 2011 nur «1153 Todesfälle wegen körperlichen Aktivität berechnet».
Epidemiologe: «Experten sprechen pro domo»
Professor Milo Puhan, Epidemiologe und Präventivmediziner an der Universität Zürich gibt zu bedenken, dass «Bewegungsexperten» wahrscheinlich sagen, Inaktivität sei am bedeutendsten, während «Rauchstoppexperten» das Rauchen als gefährlicher darstellen. Das sei eine «ganz natürliche self-fulfilling prophecy».
Professor Puhan geht davon aus, dass «körperliche Inaktivität und Rauchen zu ähnlich vielen Krankheits- und Todesfällen führen». Eine Beweisführung sei wissenschaftlich schwierig. Er selber beschäftige sich intensiv mit der Förderung körperlicher Aktivität, für die hauptsächlich die Kantone zuständig seien. «Ob insgesamt mehr Geld für Anti-Raucher-Kampagnen und Grippe-Impfkampagnen ausgegeben wird als für die Förderung der Bewegung, kann ich nicht sagen.»
BAG: An der Hälfte der nicht-übertragbaren Krankheiten ist ein ungesunder Lebensstil mitschuldig
Mehr als ein Viertel der erwachsenen Wohnbevölkerung der Schweiz bewegt sich unzureichend, wie eine Erhebung des Bundesamts für Gesundheit BAG zeigt. Das BAG erarbeite «bis Ende 2016 eine ‹Nationale Strategie zur Prävention von nicht übertragbaren Krankheiten›». Die «Sensibilisierung der Bevölkerung zum Thema Bewegung wird in diesem Rahmen sicher eine grosse Rolle spielen», erklärte das BAG gegenüber Infosperber.
Zu den nicht übertragbaren Krankheiten gehören Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Leiden der Atemwege oder muskuloskettale Krankheiten. «Rund die Hälfte dieser Erkrankungen könnten mit einem gesunden Lebensstil vermieden oder zumindest verzögert werden», sagt das BAG. Zum ungesunden Lebensstil würden «unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch und Rauchen» gehören.
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NACHTRAG
Professor Thomas Cerny, Präsident der Krebsforschung Schweiz, weist darauf hin, dass die Europäische Kommission die Zahl der Menschen, die in der EU wegen Rauchens vorzeitig sterben, auf rund 700’000 jährlich schätzt. Die Warnung vor den Folgen der fatalen Bewegungsarmut sei jedoch grundsätzlich korrekt.
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AUS DER UMFRAGE DER TECHNIKER KRANKENKASSE IN DEUTSCHLAND:
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
‹Bewegungsmuffel, die vor allem herumsitzen, haben ein viel grössere Sterberisiko als Kettenraucher.›
Das Sterberisiko aller Menschen beträgt 1.0. Auch wenn ich weiss, was mit dieser ungenauen Äusserung gemeint ist. Sollte es nicht mal möglich sein, dass wenigstens Wissenschaftler sich präzise ausdrücken?
Genau genommen haben Sie recht. Aber nicht nur Sie, sondern wohl alle LeserInnen wissen, was gemeint ist. Nämlich ein erhöhtes Risiko, vorzeitig an den Folgen von zu wenig Bewegung zu sterben. Es geht um das Risiko, früher zu sterben.
Die Interferenzmenge Kettenraucher – Bewegungsmuffel wird so gross sein, dass eine Feindifferenzierung nicht möglich ist. Wenn überhaupt eine exakte Bestimmung der Todesursache eines Menschen durchgeführt wird, durch Obduktion, wird da niemals Rauchen, Trinken oder Bewegungsarmut posthum diagnostiziert, sondern eine ICD- kodierte Krankheit wie Bronchialkarzinom.
Der Schritt zurück zum Risiko ist nur noch korrelativ, also spekulativ. Aussagen wie, Verhalten A führt häufiger zum Tod als Verhalten B kann man nur schätzen, indem man alles ausser A und B vernachlässigt.
Praktisch ist es so, dass wir bei allen nicht obduzierten Personen nicht wissen, woran sie gestorben sind. Aussagen wie, x% sterben wegen y sind rein willkürlich. Nur werden bestimmte Aussagen politisch bevorzugt, andere schon im vornherein vernachlässigt.
Die Grundaussage diese Beitrages ist seriös weder beleg-, noch widerlegbar.
Dieser wissenschaftliche Artikel plus diese angebliche wissenschaftliche Tabellen dazu, sind für mich einfach nur oberflächlich und und sagen nichts wirkliches aus. Es fehlt an den tiefgründigen Ursachen, wo ich sehr schade finde.
Ich persönlich bin zu 100% davon überzeugt, dass kein Mensch aus Bewegungsmagel jemals gestorben ist. Wenn, dann wegen viel zu viel essen, an den folgen von Herzverfettung.
Aus Bewegungsmangel, unmöglich aus meinem Verstand und Logik weil: Nehmen wir mal einen ganz Körper gelähmten, so jemand lebt tagtäglich in Bewegungsarmut, ist deswegen nicht automatisch Fettleibig und träge und stirbt auch nicht wegen keinen Sport und auch nicht an Bewegungsmangel und diese Perspektive allein zeigt schon wie viel Ahnung diese Professoren doch von Menschen und ihre Beweglichkeit, oder keine und von Todesursachen doch haben = Null wie man lesen kann.
Finde es auch nicht gut, dass man so eine plumpe, oberflächliche wissenschaftliche Beitrag mit nicht wissenschaftlich erwiesenen Tabellen dazu auf Infosperber nimmt – das passt irgendwie nicht.