USA beschliessen strenge PFAS-Höchstwerte für Trinkwasser
Die USA haben im April erstmals landesweit gültige PFAS-Grenzwerte für Trinkwasser festgelegt. Ein lang erwarteter Durchbruch, der von vielen Fachleuten und Umweltorganisationen als historisch angesehen wird.
Die neuen Trinkwassergrenzwerte sollen Millionen vor den giftigen Fluorchemikalien schützen.
In etwa der Hälfte des US-Trinkwassers finden sich derzeit PFAS, die «ewigen Chemikalien» sind im Blut fast aller Einwohner:innen. Die neue Regulierung gilt für fünf PFAS-Chemikalien. Sie ist strenger als die Gesetze in der EU und der Schweiz, die derzeit gelten oder demnächst in Kraft treten.
Kleines Umweltchemie-Lexikon: PFAS
PFAS (per- und polyfluorierte Kohlenstoffe) – auch als PFC (Poly- und Perfluorcarbone) bezeichnet – machen Oberflächen wasser- und fettabweisend. Sie finden sich unter anderem in Beschichtungen von Lebensmittelverpackungen, Outdoorkleidung und in Feuerlöschschäumen. Einige werden bei der Fertigung anderer Chemikalien verwendet. PFAS sind chemisch und thermisch sehr stabil und kommen nicht natürlich vor. Sie zerfallen in der Natur quasi nicht und werden deshalb auch als «ewige Chemikalien» bezeichnet.
Für einzelne Substanzen aus der etwa 5000 bis 10’000 Chemikalien umfassenden Stoffklasse ist belegt, dass sie Krebs fördern, die Fruchtbarkeit stören, das Immunsystem beeinflussen sowie Leber- und Nierenschäden verursachen. Die Nutzung einzelner PFAS ist bereits verboten. In der EU gibt es Bestrebungen, die gesamte Stoffklasse von der Nutzung auszunehmen.
Nach 23 Jahren geht damit in den USA ein langer Kampf um die Regulierung von PFAS zu Ende. Der US-Anwalt Rob Bilott hatte die Giftigkeit von PFAS 1999 eher zufällig entdeckt, als ihn ein Freund der Familie wegen einer unerklärlichen Rinderkrankheit um Hilfe bat. Dass daraus ein Lebenswerk werden würde, ahnte er nicht.
Zwei Jahre später, am 6. März 2001 schrieb Bilott einen mittlerweile berühmten Brief an den Chemiekonzern DuPont, in dem er erstmals auf die Gefährlichkeit der Chemikalie PFOA hinwies, die das Unternehmen in Virginia verwendete. «Wir haben bestätigt, dass Chemikalien und Schadstoffe, die von DuPont … in die Umwelt abgegeben wurden, eine unmittelbare und substanzielle Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellen», schrieb er.
Jahrzehntelanges Tauziehen um wirksame Regulierung
Es folgte ein jahrzehntelanges Tauziehen um die Kompensation der Geschädigten und um eine wirksame gesetzliche Beschränkung. (Infosperber: «Der Mann, der DuPont das Fürchten lehrte»). Bilott wurde mehrfach ausgezeichnet, sein juristischer Marathon wurde unter dem Titel «Gefährliche Wasser» (Dark Waters) verfilmt. Er schrieb seine Memoiren und noch immer gab es keine Regulierung.
Die Einführung von Trinkwasser-Grenzwerten sei «ein gewaltiger Sieg für die öffentliche Gesundheit», zitierte ihn seine Kanzlei Taft Law am 10. April. Umweltverbände begrüssten den Vorgang als «historisch».
Festlegung auf den geringsten machbaren Wert
Die neue US-Trinkwasser-Regulierung gilt für die fünf PFAS namens PFOA (Perfluoroctansäure), PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), PFNA (Perfluornonansäure), PFHxS (Perfluorhexansulfonsäure) und HFPO-DA (bekannt als GenX).
Für PFOA und PFOS sieht sie einen Höchstwert von 4 ppt (Parts per Trillion) im Trinkwasser vor. Das entspricht 0,004 Mikrogramm pro Liter. Mit dem Ziel, die Trinkwasserbelastung auf null zu senken.
Dieser Grenzwert sei die niedrigste umsetzbare Konzentration, zitiert CNN die US-Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency). Die Grenzwerte folgen den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen, die davon ausgehen, dass zumindest bestimmte PFAS in jeder Konzentration schädlich sind.
Maximal fünf Jahre Zeit zur Umsetzung
Für die Chemikalien PFNA, PFHxS und GenX sieht die US-Regulierung einen Grenzwert von 10 ppt oder 0,01 Mikrogramm pro Liter vor. Die US-Versorger bekommen bis 2027 drei Jahre Zeit, um die begleitende Analytik durchzuführen und zwei weitere Jahre bis 2029, um Systeme zur Wasserreinigung zu installieren. Die US-Regierung stellt dafür eine Milliarde Dollar bereit und legt ein Programm auf, um kleinen Gemeinden bei der Durchführung zu helfen.
Strengere Grenzwerte als die EU
Die USA führen damit strengere Grenzwerte ein als europäische Länder haben oder demnächst einführen werden. In der EU gilt ab 2026 ein Grenzwert von 0,5 Mikrogramm pro Liter für alle vorhandenen PFAS im Trinkwasser und ein Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für die Summe von 20 PFAS-Einzelsubstanzen.
Ab 2028 kommt noch ein Grenzwert von 0,02 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser für die Summe der vier bedenklichsten PFAS dazu. Fachleute kritisierten diese Regelung gegenüber der deutschen «Tagesschau» bereits als zu niedrig und das Datum des Inkrafttretens als zu spät. Die EU erwägt jedoch ein umfassendes Verbot aller PFAS, ausser in unbedingt nötigen Anwendungen.
In der Schweiz gilt seit 2017 ein Trinkwasser-Grenzwert von 0,3 Mikrogramm pro Liter für PFOS (Perfluoroctansulfonsäure) und PFHxS (Perfluorhexansulfonsäure) sowie 0,5 Mikrogramm pro Liter für PFOA (Perfluoroctansäure). In Einklang mit der EU gelten ab 2026 voraussichtlich Grenzwerte von 0,1 Mikrogramm pro Liter für die Summe von 20 ausgewählten PFAS.
Das US-Trinkwasser dürfte insgesamt sauberer werden
Laut David Andrews, dem leitenden Wissenschaftler der Umweltorganisation Environmental Working Group, ist noch nicht klar, wie stark das EPA-Gesetz die Gesamtexposition der Menschen gegenüber PFAS verringern wird.
Die Fluorchemikalien reichern sich in der Nahrungskette an und gelangen vor allem über Lebensmittel in den Körper. Trinkwasser trage zur Gesamtbelastung etwa ein Fünftel bei. Abhängig von lokalen Gegebenheiten könne es auch mehr sein. Laut CNN erwartet der Wissenschaftler aber, dass das Trinkwasser in den USA durch die Behandlung insgesamt sauberer wird, da neue Reinigungsmethoden auch andere Verschmutzungen entfernen dürften.
Das Magazin «Mother Jones» weist darauf hin, dass Verschmutzungen durch PFAS in anderen Bereichen noch kaum reguliert sind. In einem Artikel über Landwirte in Maine beschreibt es die Verschmutzung von Boden und Grundwasser durch PFAS in Klärschlamm. Landwirte haben deshalb ihre Existenz verloren, mussten alle Tiere schlachten oder können nur noch einen Teil ihres Landes bewirtschaften.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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