Tabakkonzerne verschieben ihre Geschäfte nach Afrika
Wegen immer höherer Steuern und Werbeverboten in Europa, den USA, Australien und Neuseeland gehen die Gewinne seit Jahren zurück. Die Tabakkonzerne konzentrieren sich neu auf den afrikanischen Kontinent und Asien und gehen dabei nicht immer ethisch vor. Dort sind die Tabaksteuern tief und die Werbung für Tabakprodukte wenig oder überhaupt nicht eingeschränkt.
Zum Beispiel in Sambia: Von den damals etwa 17 Millionen Einwohnern Sambias rauchten 2015 nur rund 815’000 täglich Zigaretten, davon rund 695’000 Männer und 111’000 Frauen über 15 Jahre sowie 9000 Kinder zwischen 10 und 14. Das war ein deutlich geringerer Anteil als in der Schweiz, gibt die die Seite «Tobacco Atlas» Auskunft.
Die Tabakkonzerne haben Afrika entdeckt
Geht es nach der globalen Tabakindustrie, soll sich das bald grundlegend ändern. Diese hat die afrikanischen Länder als vielversprechenden Markt entdeckt, weil der Zigarettenkonsum in den zahlungskräftigen Industrieländern seit einiger Zeit sinkt.
Bis 2025, schätzt die WHO, wird sich die Zahl der Rauchenden in Sambia um 300’000 erhöhen. Das schreibt «Tobacconomics», eine Organisation der US-Universität Illinois, die sich aus wissenschaftlicher Sicht mit den politischen und ökonomischen Seiten des weltweiten Tabakkonsums beschäftigt.
Zigaretten sind in Sambia wie in den meisten afrikanischen Ländern aus unserer Sicht spottbillig. Eine Schachtel Marlboro kostete in der Hauptstadt Lusaka Mitte April 37 Kwacha, das sind 2,09 Franken. Offener Tabak ist noch günstiger, einen Schwarzmarkt gibt es auch.
Wegen der hohen Inflation sinken die Preise real eher, als zu steigen. Dazu wird die Bevölkerung immer wohlhabender, für Genussmittel wie Tabak ist damit mehr Geld übrig.
Konzerne schielen seit Jahrzehnten auf den afrikanischen Markt
Afrika als Markt aufzubauen, ist seit Jahrzehnten ein strategisches Ziel von Konzernen wie British American Tobacco (BAT) oder Philip Morris. Das Marketing zielt vor allem auf Frauen und Jugendliche, bisher rauchen grösstenteils Männer. So wird beispielsweise aggressiv in den sozialen Medien geworben. Die WHO sieht eine «Epidemie» kommen.
Die Steuer auf Tabakprodukte ist in den meisten Ländern Afrikas gering, es gibt wenig Regulierung. Big Tobacco tut sein Möglichstes, damit das auch so bleibt. Die verantwortlichen Regierungen sind oft schwach, der Schwarzmarkt gross, das Länderbudget klein, was Lobbyisten und Korruption geradezu einlädt.
Da kann es dann schon vorkommen, dass eine Tabaksteuer zwar eingeführt wird, der Betrag aber bei winzigen 6 Prozent bleibe, berichtete die «NZZ» im März über Lesotho.
Mit unsauberen Mitteln
In Sambia kam auf den Verkaufspreis von Tabak 2016 ein Steueranteil von 37 Prozent, weltweit waren es 56 Prozent. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt 75 Prozent, um die Nikotinsucht einzudämmen.
Es gibt Hinweise auf Bestechung durch British American Tobacco (BAT), die die Gesundheitspolitik mehrerer Länder beeinflussen sollte. Dokumente von Whistleblowern zeigen fragwürdige Zahlungen in Burundi, Kongo, Kenia, Malawi, Ruanda, Sudan, Tansania, Uganda, Sambia und auf den Komoren.
«[Das ist] nicht nur das Werk einiger Weniger», sagt Andrew Rowell, Senior Researcher der Tobacco Control Research Group an der University of Bath, England. Eine Analyse der Vorgänge weise darauf hin, dass es sich um eine häufige, ausgedehnte und systematische Aktivität von BAT handelte.
Weltweit grösster Zuwachs an Rauchenden
Die Bemühungen der Konzerne trugen bereits Früchte. In den afrikanischen Ländern ohne Südafrika ist der Absatz von Tabakprodukten von den 1990er-Jahren bis 2010 um 70 Prozent gestiegen. Bis 2025 erwartet die WHO dort den weltweit grössten Marktzuwachs.
Die Konzerne setzen Marketinginstrumente ein, die anderswo längst verboten sind oder ihrem eigenen Verhaltenskodex widersprechen. Sie verschenken Zigaretten an Kinder, verkaufen Zigaretten einzeln, schicken «Cigarette Girls» auf Werbetour oder sponsoren Veranstaltungen für Jugendliche, berichtet «Tobacco Tactics», das Medium der Forschungsgruppe in Bath, aus Uganda.
In Uganda und Sambia kommt dazu, dass diese Länder selbst Tabak produzieren. Während im Rest der Welt immer weniger Tabak angebaut wird, wächst die Produktion in Afrika. Konzerne werben für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze durch Anbau und Zigarettenproduktion und werden dafür steuerlich begünstigt. Doch für Bauern und Arbeiter ist Tabak dabei eher weniger lukrativ als andere Produkte, zeigt eine Studie von «Tobacconomics».
Aktivistin warnt vor Kinderarbeit und propagiert schärfere Gesetze
Aber die Zivilgesellschaft ist nicht machtlos. BBC Podcast stellt die sambische Aktivistin Brenda Chitindi vor. Chitindi bemüht sich seit mehr als einem Jahrzehnt, höhere Steuern, strengere Regeln zur Warnung vor Gesundheitsgefahren auf Verpackungen, Nichtraucherzonen und ähnliche Massnahmen durchzusetzen, die die WHO in der «Framework Convention on Tobacco Control» (FCTC) empfiehlt. Als Vorbild dient Kenia, das strengere Anti-Tabak-Gesetze hat.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wie steht es in Zimbabwe ? Hier gab es mal einen der grössten Tabakauktionsplätze Afrikas.
Immer noch ein Cash Crop, aber die Menschen werden nicht reich dabei. Im Gegenteil
https://www.theafricareport.com/99858/inside-zimbabwes-agonising-tobacco-farming
Besten Dank für die rasche Antwort.
In den frühen achtziger Jahren wurde mir im Handelsministerium von Burundi die Frage nach Importförderung von Tabak aus Zimbabwe gestellt. Mein damaliger Kommentar ans Ministerium war negativ. Auch lokaler Tabakanbau erschien keine vernünftige Alternative obwohl damals im Kanton Luzern und in der Broye der Tabakanbau noch offiziell gefördert wurde.
Guter Artikel, aber schade, dass Sie im Wording auf die Tabaklobby hereingefallen sind. Tabak ist kein «Genussmittel», sondern eine Droge. Suchtpotential und Gesundheitsschädlichkeit lassen keinen anderen Schluss zu. (Außerdem ist das Zeug auch getrocknet, also niederländisch: droog, drogen; so viel zur Etymologie.)
Ich war lange in der Tabakkontrolle engagiert, bin aber irgendwann zu dem Schluss gekommen, dass es einen anderen Gesellschaftsvertrag braucht, um diese Epidemie (und andere Probleme) ernsthaft angehen zu können: Ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen weltweit. Dazu habe ich 2006 ein Poster auf einer Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle vorgestellt, siehe hier:
http://www.politik-werkstatt.de/Poster-Tabakkonferenz06-09.pdf