SUVs und Pick-ups sind für Fussgänger das grössere Risiko
Seit 2009 ist die Zahl der getöteten Fussgänger in den USA um 80 Prozent gestiegen. Ein Trend, der parallel zur Verbreitung grösserer Fahrzeuge wie SUVs und Pick-ups verläuft. Der Zusammenhang wurde bereits mehrmals unter verschiedenen Aspekten untersucht.
Einer der Gründe ist das höhere Gewicht. Autos werden auch allgemein seit Jahren schwerer. Andere sind die Geschwindigkeit beim Aufprall und die Grösse des toten Winkels. Mit rücksichtlosem Verhalten des Lenkers hat es ausnahmsweise nur wenig zu tun, zeigte eine Untersuchung der deutschen Versicherer 2011.
«Ein SUV schlägt höher ein»
Die Gruppe der jungen Raser war in der SUV-Unfallstatistik nur spärlich vertreten. Aber: «Ein SUV schlägt höher ein», zitiert die «Süddeutsche Zeitung» 2017 den Leiter der Unfallforschung der deutschen Versicherer, Siegfried Brockmann.
Diesen Aspekt hat eine neue Studie aus den USA nun gezielt untersucht. Die im «Journal of Safety Research» veröffentlichte Studie analysierte, wie gefährlich das Fahrzeugdesign für Fussgänger ist.
Hohe und stumpfe, hohe und abgeschrägte sowie mittelhohe und stumpfe Frontpartien führen demnach häufiger zu tödlichen Verletzungen als niedrige und flache Motorhauben. Das gilt vor allem für Kinder.
Risikofaktor 1: Hohe Fahrzeugfront
Die Forschenden des Insurance Institutes for Highway Safety (IIHS) analysierten rund 17’000 Unfälle aus sieben US-Bundesstaaten seit 2017, die zwischen einem einzelnen Auto und einem einzelnen Fussgänger stattgefunden hatten. Sie erfassten Masse der Fronten von rund 3000 Fahrzeugmodellen, darunter Autos, SUVs, Minivans und Pick-ups.
Eine wichtige Rolle für die Schwere des Unfalls spielt demnach die Höhe der Fahrzeugfront, die vor allem bei Kindern Augenhöhe oder höher erreichen kann. Das sieht nicht nur gefährlich aus, sondern ist es auch.
Je höher die Motorhaube ist, desto mehr Kopfverletzungen gibt es, unabhängig von der Form der Front. Und je höher das Fahrzeug relativ zur Grösse der Unfallopfer war, umso schwerer waren laut Studie die Verletzungen.
Fussgänger, die von einem Fahrzeug mit niedriger Front angefahren werden, rollen normalerweise über die Motorhaube ab. Beim Zusammenstoss mit einer höheren Fahrzeugfront würden sie eher zu Boden gestossen oder nach vorne geschleudert und schlügen mit dem Kopf auf dem Boden auf, erläutern die Autor:innen. Auch das Risiko für Rumpf- und Beckenverletzungen steige.
Risikofaktor 2: Vertikale Fahrzeugfront
Ein anderer massgeblicher Faktor ist die Neigung der Fahrzeugfront. Fahrzeuge, deren Front fast senkrecht zur Strasse steht, verursachten mehr Brustverletzungen und schleuderten die Fussgänger beim Aufprall eher nach vorne.
Eine kurze Motorhaube, ein grosser Motorhaubenwinkel, ein grosser Windschutzscheibenwinkel und eine breite Windschutzscheibe andererseits verringerten das Risiko von tödlichen oder schweren Kopfverletzungen bei Fussgängern.
Verglichen mit einem Personenwagen, dessen Motorhaube höchstens 76 Zentimeter (30 Zoll) über dem Boden aufragt und dessen Kühlerpartie weniger als 65 Grad geneigt ist, sind Fahrzeuge mit hohen und stumpfen Profilen bei Zusammenstössen deutlich tödlicher.
In Zahlen: Fahrzeuge mit hohen und stumpfen Fronten erhöhten das Risiko tödlicher Verletzungen um 43,6 Prozent im Vergleich zu der niedrigen und geneigten Front. Bei hohen und geneigten Fronten stieg das Risiko um 45,4 Prozent. Bei mittelgrossen und stumpfen Fronten ergab sich eine Steigerung von 25,6 Prozent.
Längere Motorhauben und grössere Windschutzscheibenwinkel hätten zwar ebenfalls eine Risikozunahme gezeigt, jedoch keine signifikante.
Die höhere Front mache SUVs auch gefährlicher für Velofahrende, weil sie diese tendenziell weiter oben treffe, stellte das IIHS im vergangenen Jahr ebenfalls fest.
Bedeutung für die Fahrzeughersteller
Die Ergebnisse der Studie liefern Hinweise darauf, wie Automobilhersteller ihre Fahrzeuge für Fussgänger sicherer gestalten können. Die Forschenden empfehlen niedrigere und stärker geneigte Fahrzeugfronten, um das Risiko tödlicher Verletzungen bei Zusammenstössen mit Fussgängern zu senken.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Aus dem Titel des Artikels ist zu schliessen, dass hier eine allgemein gültige Erkenntnis vorliegt, wonach die Zunahme von SUVs eine Zunahme schwerer Unfälle mit Fussgängern zur Folge hat.
Hätte sich die Autorin um einen Bezug der Statistiken aus den USA zur Schweiz bemüht, wo es ja auch immer mehr SUVs gibt, so wäre erkannt worden, dass entweder die Schlussfolgerungen der «Studien» falsch sind oder dass diese keine Allgemeingültigkeit haben können.
Gemäss Zahlen des BFS (www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/unfaelle-umweltauswirkungen/verkehrsunfaelle/strassenverkehr.assetdetail.31726006.html)
sind in der Schweiz von 2009 bis 2023 die Todesfälle bei Fussgängern von 60 auf 42 (-30%) gesunken und die Zahl der Schwerverletzten ist von 704 auf 476 gesunken (-32%), bei einer Zunahme der Bevölkerung um 15%.
Aus den statistischen Zahlen der Schweiz kann jedenfalls nicht der Schluss gezogen werden, dass mehr SUVs mehr schwere Unfälle bei Fussgängern zur Folge hatten.
Aus dem Titel ist etwas anderes zu schliessen: dass SUVs und Pick-Ups das grössere Risiko sind als Limousinen.
Die Statistiken aus der Schweiz zeigen – wie Sie schreiben – tatsächlich eine rückläufige Zahl bei Getöteten und bei Schwerverletzten. Aber wahrscheinlich nicht wegen der SUVs, sondern trotz der SUVs.
Die Zahl der Getöteten und der Schwerverletzten ist ja in der Schweiz seit den 70-er Jahren rückläufig. Geschwindigkeitsbeschränkungen (damals galt Tempo 60 innerorts, heute 50, 30 oder 20) könnten ein Grund sein, strengere Alkohlvorschriften, beleuchtete Fussgängerstreifen, klarere Vortrittsregeln für Fussgänger, bessere Ausbildung der Autofahrer, schnellere medizinische Versorgung, bessere medizinische Versorgung, neuerdings auch Assistenzsysteme könnten Gründe dafür sein.
Nicht ganz. Dass die höhere und steilere Front eines SUVs tendenziell schwerere Verletzungen verursacht, ist allgemeingültig. Dazu kommt das höhere Gewicht. Das zeigt ja auch die Untersuchung der deutschen Versicherungen. In Deutschland dürften die Verhältnisse recht ähnlich sein wie in der Schweiz. Ein SUV wird in der Schweiz ja nicht weicher. Die Anatomie von Fussgängern ändert sich auch nicht.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass wir wohl kaum weniger schwere Fussgängerunfälle wegen zunehmender SUVs haben, sondern vielmehr trotz. Ich teile auch Ihre Einschätzung, dass die Rückläufigkeit schwerer Unfälle wohl vor allem auf striktere Verkehrsvorschriften, tiefere Maximalgeschwindigkeiten etc. zurückzuführen sind – wir sollten uns weiter in diese Richtung bewegen, um den Verkehrsraum noch sicherer und lebenswerter zu machen.
Zu vermuten, wir hätten noch weniger schwere Unfälle ohne die SUVs, wäre aber reine Spekulation, die jedenfalls aus den erwähnten Statistiken nicht abgeleitet werden kann.
Was mich am Artikel am meisten gestört hat, war diese unreflektierte Weise, Schlüsse aus einer Verkehrsstudie in den USA auf die Schweiz zu übertragen. Es ist davon auszugehen, dass in den USA die Verkehrsbedingungen völlig anders sind als bei uns – vielleicht weniger Fussgängerzonen? Andere SUVs (weniger Sicherheits-Features, schwerer)? Anderes Verhalten im Verkehr? etc.