Sogar 29 Prozent freie Betten auf Intensivstationen
Nach einer vorübergehenden Belastung der Intensivstationen nach den Sommerferien – vor allem wegen Rückkehrenden aus dem Südbalkan – liegen heute nur noch halb so viele Covid-19-Patientinnen und -Patienten auf Schweizer Intensivstationen. Unser Update erfolgt diesen Monat mit wenigen Tagen Verspätung.
Auf Sars-Cov-2 positiv Getestete auf Intensivstationen:
Trotz des vorübergehend starken Anstiegs von Covid-Patienten waren die Intensivstationen vor einem Monat schweizweit nur zu 76 Prozent ausgelastet. Das entsprach den seit Jahren üblichen freien Kapazitäten. Am 11. Oktober waren die Intensivstationen nur noch zu 71 Prozent ausgelastet, wobei die bereitgestellten Betten von 864 auf 848 abgebaut wurden. Seit dem Höchststand der Intensivbetten von 1535 (aufgestockt wegen der Krise) Mitte April 2021 haben die Spitäler die Zahl der Intensivbetten um 45 Prozent auf 848 Betten abgebaut. Das den Spitälern insgesamt zur Verfügung stehende Pflegepersonal nahm um weniger als fünf Prozent ab (in Vollzeitstellen berechnet).
Im «Corona Update» vom September schrieb Infosperber: «Es kommen immer weniger Patienten wegen oder mit Covid-19 ins Spital. Das dürfte auch die Intensivstationen bald entlasten.» Das ist unterdessen eingetroffen. Der positive Trend setzt sich fort. Seit einem Monat haben sich die Spitaleintritte von positiv Getesteten halbiert. Ob und ob überhaupt die unterdessen eingeführte Zertifikatspflicht etwas dazu beigetragen hat, wird wissenschaftlich nicht abgeklärt.
Die Spitaleintritte von positiv Getesteten (schon vor Eintritt oder unmittelbar nach Eintritt getestet) ging seit einem Monat um die Hälfte zurück:
Durchimpfung und Immunität nach Ansteckung verhindern die meisten schweren Erkrankungen
Sollte sich die Zahl der Corona-Patientinnen und -Patienten in den Spitälern stabilisieren oder sogar weiter abnehmen, wird die Zertifikatspflicht bald unter Druck kommen. Abzuwarten bleibt, ob die Rückkehrenden aus den Herbstferien erneut zu einem Schub von schweren Erkrankungen führen.
Auch wird sich das Ansteckungsrisiko wieder erhöhen, wenn sich die Menschen in der kälteren Jahreszeit wieder viel häufiger in geschlossenen Räumen aufhalten. Doch Geimpfte und alle diejenigen, die bisher schon einmal angesteckt wurden, sind bei einer (erneuten) Ansteckung vor schweren Erkrankungen weitgehend geschützt. Es wird zwar auch unter den Geimpften und Immunisierten weiterhin zu schweren Erkrankungen kommen. Aber deren geringe Zahl wird die Spitäler kaum überlasten.
In der Schweiz sind gegenwärtig etwa 75 Prozent der impffähigen Einwohnerinnen und Einwohner geimpft (ab Alter 12). Von den restlichen 25 Prozent hat ein unbekannter Teil das Virus schon einmal erwischt und deshalb ein geringes Risiko einer schweren Erkrankung. Kinder bis zu 12 Jahren benötigen nach einer Ansteckung höchst selten eine Spitalbehandlung.
Die grosse Mehrheit der Experten wird dem Präsidenten der Eidgenössischen Impfkommission EKIF, Christoph Berger, beipflichten: «Unverhandelbar ist und bleibt das Kriterium, dass die Intensivstationen nicht an ihre Kapazitätsgrenzen kommen dürfen.»
Die kommenden zwei oder drei Monate werden zeigen, ob die Wahrscheinlichkeit einer Überlastung gross genug ist, um Massnahmen wie eine Zertifikatspflicht noch zu rechtfertigen. NZZ-Redaktor Erich Aschwanden meinte am 8. Oktober aufgrund der heutigen Situation: «Sollte es trotz tieferen Temperaturen, niedriger Impfquote und zahlreichen Reiserückkehrern nicht zu einem Anstieg der Neuinfektionen und der Hospitalisierungen kommen, gerät der Bundesrat in einen Argumentationsnotstand. Warum soll im Innern von Restaurants, von Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie an Veranstaltungen in Innenräumen eine Zertifikatspflicht gelten, wenn die Lage an der Corona-Front ruhig bleibt?»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
NZZ-Redaktor Erich Aschwanden: «Sollte es trotz tieferen Temperaturen, niedriger Impfquote und zahlreichen Reiserückkehrern nicht zu einem Anstieg der Neuinfektionen und der Hospitalisierungen kommen, gerät der Bundesrat in einen Argumentationsnotstand. Warum soll im Innern von Restaurants, von Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie an Veranstaltungen in Innenräumen eine Zertifikatspflicht gelten, wenn die Lage an der Corona-Front ruhig bleibt?»
Eine mögliche Antwort wäre dann, dass es eben gar nicht um Corona geht.
Der Bundesrat befindet sich schon seit langem, in einem Erklärungsnotstand.Ich hoffe, dass die Vernunft bald obsiegt!
Im Moment keine Probleme bei den Betten. Aber beim Personal, und das ist entscheidend. Was nützt es wenn ein Bett frei ist und die PflegerInnen/ÄrztInnen fehlen oder ausgebrannt sind oder gerne Ferien und Überzeitausgleich beziehen möchten?
Freie Betten sind also nur die halbe Wahrheit!
Spitäler dürfen zertifizierte Intensivbetten nur dann ausweisen, wenn alle technischen Installationen vorhanden sind UND wenn das nötige qualifizierte Personal vorhanden ist.
Kapazitätsengpässe werden oft mit Personalmangel begründet. Das trifft aber nicht zu: «Mitte April 2021 haben die Spitäler die Zahl der Intensivbetten um 45 Prozent auf 848 Betten abgebaut. Das den Spitälern insgesamt zur Verfügung stehende Pflegepersonal nahm um weniger als fünf Prozent ab (in Vollzeitstellen berechnet).» siehe oben.
Die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass das Personal durch den «Impfzwang» vergrault wird. Wurden eigentlich die Patienten je gefragt ob sie von Geimpften oder Ungeimpften gepflegt werden wollen?
In Spitälern werden seit eh und je strenge Hygienevorschriften befolgt, so dass es nur zu ganz selten zu Ansteckungen von Patientinnen und Patienten kommt – ob das Pflegepersonal nun geimpft ist oder nicht.
«Unverhandelbar ist und bleibt das Kriterium, dass die Intensivstationen nicht an ihre Kapazitätsgrenzen kommen dürfen.» – Wieso nicht? Kapazitäten sind dazu da um bei Bedarf auch in Anspruch genommen zu werden. – Man sollte diese IPS Engpass-Argumentation auch unter betriebswirtschaftlicher Sicht betrachten: Unbelegte Kapazitäten sind auch nicht finanzierte Kapazitäten. Je tiefer die Belegung, je höher die finanzielle Belastung der Spitäler. Je höher und je länger die Unterbelegung, desto wahrscheinlicher wird die Reduktion dieser Überkapazitäten. Pandemie hin oder her.
‹Sogar 29 Prozent freie Betten auf Intensivstationen›
Was heisst sogar, das ist ein grenzwertiger Zustand, welcher nicht mit der relativ geringen auf Covid-19 fussenden Morbiditätsbelastung korrespondiert. Die Pandemie pausiert, auf den Intensivstationen sind dennoch zu viele Betten belegt. Was passiert, wenn die vierte Welle im Januar Fahrt aufnimmt?
@ Ralf-Raigo Schrader «auf den Intensivstationen sind dennoch zu viele Betten belegt»
Sie kommentieren viel und oft auch interessant. Zu einer Diskussion gehört aber auch zuhören. Ich habe schon einmal auf eine ähnliche Behauptung von Ihnen entgegnet. Sie haben das vielleicht nicht gesehen und versuche es deshalb nochmals:
Wie viele Intensiv-Betten sind in Zeiten ohne Pandemie besetzt? Dazu schreibt die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin: «Die Bettenbelegung einer Intensivstation beträgt im Jahresdurchschnitt typischerweise ca. 75%.»
Quelle AZ bzw. https://www.sgi-ssmi.ch/de/news-detail/items/521.html
Ich schätze Infosperber für die sachlichen Information sehr. Der Vergleich, dass die Intensivbetten um 45% abgebaut wurden und das Personal «nur» um 5% finde ich aber nicht sachlich.
Der Aufbau der Betten im Frühling waren keine zertifizierten Betten und wohl zum Teil auch durch die Armee bereit gestellt. Ob es für die nicht zertifizierten Betten überhaupt Personal gegeben hätte, ist umstritten. Aus meiner Sicht passt der Abbau der zertifizierten Betten recht gut mit dem «Abbau» des Personals zusammen.
Ein Spital darf nur zusätzliche, nicht-zertifizierte Intensivbetten ausweisen, wenn sowohl die technische Infrastruktur als auch das Fachpersonal dafür vorhanden sind. Die Armee hat keine Intensivbetten bereitgestellt. Welche sollen dies gewesen sein?
Ich war der Meinung, dass die Armee im Frühling Beatmungsgeräte beschafft hat und die Spitäler mit Personal unterstützt hat. Ob die zusätzlichen Betten auch ohne dieses Personal zu betreiben wäre, weiss ich nicht.
Auf den gängigen Informationskanälen findet man Angaben zum Impfstatus der ins Spital eingelieferten, aber nicht der Patienten der Intensivstationen und der Verstorbenen. Für letzteres sind anekdotische Einzelmeldungen zu finden. Publiziert das BAG dazu auch regelmässig Daten?
Falls Herbstferien-Rückreisende (u.a. aus dem Südbalkan): da wird wegen dem Ostblock etwas suggeriert, was nicht bewiesen ist. Ende Sommer haben die Massenmedien diese Gruppe als Sündenbock hingestellt.
Es dürfte wohl sein, dass die Menschen vom Balkan weniger Impf-freudig sind – das hat aber seine volle Berechtigung in der aktuellen Situation.