LegaliseCannabis

Bus in Neuseeland wirbt für die Legalisierung von Cannabis © Sids1/flickr/cc

Ruth Dreifuss plädiert für Drogen-Legalisierung

upg /  Die frühere Bundesrätin wiederholt ihre Forderung und präsidiert jetzt in Genf eine Drogenkommission des Kantons.

«Die repressive Drogenpolitik richtet weltweit mehr Schaden an als die Drogen selber», erklärt Ruth Dreifuss in einem Interview in «Le Temps». In Südamerika habe der Drogenkrieg schon Tausende von Opfern gefordert und in einigen Ländern herrsche eine Art Bürgerkrieg: «Der 40-jährige Drogenkrieg der USA hat katastrophale Folgen». Es sei höchste Zeit für eine neue Politik.
Wie beim Alkohol und beim Tabak brauche es Verbote und Regulierungen. Doch anders als bei diesen gesellschaftlich akzeptierten Drogen, sei bei Cannabis nicht der Konsum am gefährlichsten, sondern dessen Beschaffung und unkontrollierter Konsum.

«Am gefährlichsten sind Beschaffung und unkontrollierter Konsum»
Als Gesundheitsministerin hatte Ruth Dreifuss in den 1990er-Jahren in der Schweiz die richtungsweisende «Vier-Säulen-Politik» durchgesetzt. Die noch heute gültige, oft vom Ausland kopierte staatliche Drogenpolitik basiert auf Prävention, Therapie, Risikoverminderung sowie Repression.
Nach ihrem Rücktritt aus dem Bundesrat wurde Dreifuss Mitglied der «Weltkommission für Drogenpolitik» (Global Commission on Drug Policy), in der sich weitere Persönlichkeiten gegen den Drogenkrieg und für eine staatliche Drogen-Regulierung einsetzten: Fernando Henrique Cardoso, Ernesto Zedillo und César Gaviria, die drei ehemaligen Präsidenten Brasiliens, Mexikos und Kolumbiens; der frühere Uno-Generalsekretär Kofi Annan; ex-UNO-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour; alt US-Aussenminister George Shultz; Javier Solana, der ex-Aussenbauftragte der Europäischen Union (EU) sowie Virgin-Gründer Sir Richard Branson.
Vor drei Jahren hat die Kommission einen radikalen Richtungswechsel der Drogenpolitik gefordert (Siehe «Ruth Dreifuss für Legalisierung von Drogen» vom 21.3.2012). Denn der Krieg gegen Drogen habe Milliarden von Dollar verschlungen, sei aber auf der ganzen Linie verloren.

Noch nie zuvor seien so viele Drogen konsumiert worden wie heute. Der Internationale Währungsfonds (IWF) beziffert den Drogenhandel, der von Mafia-Gruppen und terroristischen Organisationen kontrolliert wird, auf 400 Milliarden Franken – jährlich.

Die systematischen Menschenrechtsverletzungen an Drogenabhängigen seien die «unvermeidliche Folge» einer repressiven Politik, die sich zum unrealistischen Ziel gesetzt habe, das Angebot und die Nachfrage nach Drogen aus der Welt zu schaffen.
Im Afrika südlich der Sahara, wo der Anteil der HIV-infizierten Menschen am höchsten ist, gehe ein Drittel der Ansteckungen immer noch auf gebrauchte Spritzen zurück (siehe Bericht der Weltkommission für Drogenpolitik 2012)
Im Namen der repressiven Drogenpolitik würden weltweit «Hunderttausende in Untersuchungshaftanstalten eingesperrt, Millionen ins Gefängnis gesteckt, Hunderte erhängt, geköpft sowie Zehntausende von staatlichen und parastaatlichen Kräften getötet».
Zum ersten Mal hat sich jetzt im März 2014 der Präsident des Internationalen Suchtstoff-Kontrollrats der Uno (INCB) offiziell gegen die Todesstrafe für alle Taten ausgesprochen, die von den Betäubungsgesetzen verboten sind.

Drogen rechtfertigen keine Verletzungen von Menschenrechten
Dreifuss und Cardoso hatten den INCB schon lange kritisiert, weil dieser sich stets geweigert hatte, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen, die im Namen der Drogenpolitik verübt werden, zu verurteilen (siehe «Ruth Dreifuss attackiert UN-Gremien» vom 12.3.2013).

Illegaler Handel eindämmen
Heute gehe es in erster Linie darum, den illegalen Handel mit Drogen einzudämmen, erklärt Ruth Dreifuss in «Le Temps». In Genf, wo sie neustens eine kantonale «Kommission über die Abhängigkeit von Drogen» präsidiert und die Regierung berät, will Dreifuss versuchen, zuerst den illegalen Cannabis-Handel mit einer Cannabis-Regulierung auszutrocknen. Falls sich ein Erfolg einstellt, sollen andere, härtere illegale Drogen ebenfalls einer neuen Regulierung unterzogen werden.
Ruth Dreifuss räumt ein, dass eine Regulierung der Märkte, von der Produktion bis zum Verkauf, noch viel Zeit in Anspruch nehmen werde: «Wir brauchen solide Ergebnisse von Pilotprojekten, und wir müssen für verschiedene Substanzen den besten Mix der vier Säulen (Prävention, Therapie, Risikoverminderung sowie Repression) finden.»
Was aber sofort notwendig sei, «ist die Dekriminalisierung des Konsums und des Besitzes für den Eigenbedarf, und zwar für alle Drogen».
Die in der Schweiz eingeführten Bussen für Cannabis-Konsumenten hält Dreifuss für eine hinkende Reform, weil sie nur Cannabis betreffe und für Minderjährige härtere Strafen und Folgen vorsehe als für Erwachsene.
Schweizer Vorgehen «pragmatisch und vernünftig»
Im Jahr 2008 hat das stimmende Volk eine Initiative zur Legalisierung von Cannabis abgelehnt. Deshalb seien jetzt wissenschaftlich begleitete Experimente gefragt, denen dann eine Gesetzgebung folgen könne, sagt Dreifuss und meint optimistisch: «Die Schweiz hat bewiesen, dass sie Probleme pragmatisch und vernünftig lösen kann.»
Repression langsam aufgeweicht
Dreifuss verweist auf die USA, welche die Uno 1961 gedrängt hatten, die Konvention gegen narkotische Drogen zu verabschieden. Darin wurde ein weltweites Verbot stipuliert, das erstmals auch für Cannabis galt, und das die USA seither weltweit durchzusetzen versuchten.

Doch jetzt habe das Volk in den US-Bundesstaaten Colorado und Washington per Volksabstimmung Cannabis legalisiert. Uruguay habe als erster südamerikanischer Staat dem Druck der USA widerstanden und Cannabis ebenfalls legalisiert. In Spanien und Holland seien Clubs zum Konsumieren von Cannabis erlaubt. «Langsam aber sicher wird die harte Drogenrepression aufgeweicht», freut sich die frühere Bundesrätin.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Drogen

Drogen verbieten oder legalisieren?

Der Drogenkrieg ist ein Fiasko, sagen die einen, keine weiteren Drogen neben Alkohol und Tabak die andern.

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