PFAS-Verschmutzung könnte Hersteller hunderte Milliarden kosten
Auf die Hersteller von per- und polyfluorierten Chemikalien, kurz PFAS, kommt eine gewaltige Klagewelle zu. Die schwer abbaubaren, sogenannten «ewigen» Chemikalien haben sich seit ihrer Markteinführung vielfach als giftig und umweltbelastend herausgestellt.
Der Anwalt Brian Gross warnte auf einer Branchenkonferenz der Plastikhersteller im Februar vor «astronomischen Kosten» die auf sie zukommen könnten. Die PFAS-Klagewelle, deren erste Fälle bereits verhandelt wurden, könne nach seinen Worten die Asbest-Klageserie in den Schatten stellen. Die Auseinandersetzung um Asbest ist die bisher teuerste und langwierigste Klageserie um Opferentschädigungen in der US-Geschichte. Sie belief sich auf rund 200 Milliarden Dollar. Die Hälfte der beklagten Grossunternehmen meldete in Folge Konkurs an.
Anwalt rät PFAS-Herstellern dringend, sich auf Klagen vorzubereiten
«Tun Sie, was Sie können, solange Sie es noch können», riet der Anwalt der Versammlung, deren Aufzeichnung die «New York Times» ausgewertet hat. «Überprüfen Sie alle Marketingmaterialien oder andere Kommunikation, die Sie mit Ihren Kunden oder Lieferanten hatten, und sehen Sie nach, ob es in diesen Dokumenten etwas gibt, das für Ihre Verteidigung problematisch ist», sagte er. «Suchen Sie sich die richtigen Zeugen, die Ihr Unternehmen vertreten können». Gross‘ Arbeitgeber, die Anwaltskanzlei MG+M, gab dazu keinen Kommentar ab.
PFAS-Hersteller wie 3M und DuPont und Chemours verwendeten die Chemikalien jahrzehntelang in zahlreichen Alltagsprodukten, obwohl sie von ihrer Gefährlichkeit wussten. Vertreter der Chemikalienklasse, die tausende von Einzelsubstanzen umfasst, wurden bereits in Regenwasser gefunden, in der Plazenta und sogar am Nordpol. So gut wie jeder US-Einwohner hat PFAS im Blut.
Es wird teuer. Erste Klagen sind bereits entschieden
Erste Klagen gegen PFAS-Hersteller wurden Anfang der Nullerjahre eröffnet. Bisher abgeschlossene grössere Rechtsfälle umfassen
- eine Klage gegen DuPont/Chemours, das 2017 rund 670 Millionen Dollar an 3500 Einwohner West Virginias bezahlte, deren Wasser mit PFAS verschmutzt war
- eine Klage gegen 3M in Minnesota, in der sich das Unternehmen 2018 mit der Staatsanwaltschaft auf eine Strafe von 850 Millionen Dollar wegen PFAS-Verschmutzungen einigte.
- eine 2023 beigelegte Klage gegen 3M, welches etlichen US-Gemeinden über 13 Jahre rund 10 Milliarden Dollar für die Trinkwasserreinigung zur Verfügung stellten muss.
Die Serie, sagen Fachleute, beginne aber gerade erst. Tausende Klagen sind offen. Immer mehr Unternehmen, die PFAS in ihren Produkten verwenden, werden unter die Lupe genommen. Im Mai reichten Kläger eine Sammelklage gegen Bic ein. Sie werfen dem Hersteller von Rasierern vor, nicht offengelegt zu haben, dass einige seiner Rasierer PFAS enthalten.
Im April beschloss die US-Regierung erstmals strenge, landesweit gültige Trinkwasser-Grenzwerte für fünf PFAS-Chemikalien, die bis 2029 umgesetzt werden müssen (Infosperber berichtete).
Ebenfalls im April stufte US-Umweltschutzbehörde EPA die Chemikalien PFOA und PFOS als gefährliche Stoffe ein. Durch das sogenannte «Superfund-Gesetz» liegt die Verantwortung für Monitoring, Meldung, Sanierung sowie die Überwachung von mit PFAS verschmutzten und sogar von bereits sanierten Gebieten nun bei den Verursachern.
Anwalt rät zum Angriff auf wissenschaftliche Positionen
Ein anderer MG+M-Partner, der an der Konferenz teilnahm, legte auch eine etwaige Strategie für Unternehmer vor. «Es gibt eine ganze Menge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse», sagte Max Swetmann. Das sei «nicht das Beste für die Branche». Einige dieser Erkenntnisse könnten aber durchaus kritisiert werden. Wörtlich: «Epidemiologen, wenn man den richtigen erwischt, sind immer die besten Experten im Prozess». Auch dazu gab MG+M keinen Kommentar ab.
Zu beweisen, dass eine bestimmte Chemikalie schädlich oder – biologisch gesehen – wirksam ist, ist bei Umweltchemikalien notorisch schwierig. Zum einen dauert es oft Jahrzehnte, bis eine gesundheitliche Schädigung eintritt. Zum anderen kann ein genauer Wirkungsmechanismus nur selten aufgeklärt werden.
Nachweise beschränken sich meist auf Vergleiche oder statistische Auswertungen, zum Beispiel zwischen Menschen, die mit einer Substanz hoch belastet sind im Vergleich zu anderen, die ihr weniger ausgesetzt waren. Oder es werden Tierversuche herangezogen, die nicht immer voll übertragbar sind. Ein Kläger muss vor Gericht aber beweisen, dass eine spezielle Substanz eines bestimmten Herstellers ihn krank gemacht hat.
In Europa gibt es bisher noch keine grösseren Rechtsstreitigkeiten wegen PFAS-Verschmutzung. Aber auch diesseits des Atlantiks wird die Lage aufmerksam beobachtet, da PFAS in der Umwelt weit verbreitet sind und die Regulierung zunehmend strenger wird.
Kleines Umweltchemie-Lexikon: PFAS
PFAS (per- und polyfluorierte Kohlenstoffe) – manchmal auch als PFC (Poly- und Perfluorcarbone) bezeichnet – machen Oberflächen wasser- und fettabweisend. Sie kommen nicht natürlich vor. Unter anderem finden sie sich in Beschichtungen von Lebensmittelverpackungen, Outdoorkleidung und Feuerlöschschäumen. PFAS sind chemisch und thermisch sehr stabil. Sie zerfallen in der Natur quasi nicht und werden deshalb auch als «ewige Chemikalien» bezeichnet. Für einzelne Substanzen aus der etwa 5000 – 15’000 Chemikalien umfassenden Stoffklasse ist belegt, dass sie Krebs fördern, die Fruchtbarkeit stören, das Immunsystem beeinflussen sowie Leber- und Nierenschäden verursachen. Bekannt wurden PFAS erstmals durch den Anwalt Robert Bilot, der aufdeckte, dass DuPont die Bevölkerung in West Virginia jahrelang wissentlich mit PFAS vergiftet hatte. Bilots Kampf gegen die Fluorkohlenstoffe wurde in dem Film «Dark Waters» verfilmt. Die Nutzung einzelner PFAS ist bereits verboten. In der EU gibt es Bestrebungen, die gesamte Stoffklasse von der Nutzung auszunehmen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Danke….. Sie machen eine gute Arbeit. Andere kuschen vor der Mörderindustrie, welche Schmutz auf die gewissenhaft arbeitenden Industriezweige wirft. Man erinnere sich an die «Radiumfrauen» und an das «Bleibenzin» bis hin zum Asbest. Dasselbe erleben wir im Pharmabereich welche eine ebenso unlautere Sektion » Make Money for Money » in sich trägt. Solange Aktionaere welche mit ihrem Geld den Tod von Mensch und Natur erst möglich machen, nicht ebenso zur Verantwortung gezogen werden wie lügende Lobbyisten, wird der Tod durch Korruption, Vetternwirtschaft und Gier weiter gehen. Es braucht einen weltweiten Weltethos welcher übernational Handlungsfähig ist und die besten Werte vertritt und schützt. Danke Infosperber.