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Die Norwegerin Ragnhild Mowinckel (hier 2017 in Garmisch-Partenkirchen) erwischte es schon im Oktober. Sie wurde wegen verbotener Fluorwachse disqualifiziert. © cc-by-sa-3 Stefan Brending, Wikimedia Commons

PFAS in Skiwachs: Schnelle Chemie, die überall klebt

Daniela Gschweng /  In mehreren Skiwettkämpfen ist «Fluorwachs» seit dieser Saison verboten. Dabei zeigt sich, wie schwierig es ist, PFAS loszuwerden.

«Geht doch», möchte man sagen. Und gleichzeitig «Endlich!». Was im Skizirkus in dieser Saison mit am meisten zu reden gab, war eine neue Regulierung. «Fluorwachs», also Skiwachs mit Fluoranteil, ist jetzt verboten.

Zumindest im Profi- und Wettkampfbereich sind damit per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) im Skiwachs nicht mehr erlaubt. Das Verbot der giftigen, fortpflanzungsschädigenden und teils krebserregenden Substanzen war bereits um ein Jahr verschoben worden. Die Schweiz hat bisher nur einen Teil der neuen Regeln übernommen. Für Breiten- und Hobbysport gilt das Verbot nicht.

PFAS-Fluorkohlenstoffe sind weltweit verbreitet. Sie belasten Boden, Wasser und Luft. Da PFAS in der Natur nicht zerfallen, reichern sie sich immer mehr an. Die grösste PFAS-Anreicherung geschieht in der Nahrungskette. Das zeigen zum Beispiel Messungen an Fischen in Bündner Seen. Besonders hoch sind die PFAS-Werte bei Fischen aus dem Silsersee. Vermutliche Ursache: Skiwachs.

Ein Gewinn für die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler

Das Verbot schützt die Gesundheit von Sportlerinnen und Sportlern. Die nahezu unzerstörbaren PFAS-Chemikalien werden besonders beim Auftragen von Skiwachs frei; bei Heisswachs oder Spray entstehen Dämpfe und Aerosole, die die Fluorchemikalien enthalten.

Im Blut von Dienstleistern wurden in der Vergangenheit hohe PFAS-Werte gefunden – kein akutes Gesundheitsrisiko, aber ein schleichendes. Biathleten, Skilangläuferinnen und vor allem auch ihr Servicepersonal werden in Zukunft davor geschützt, sich mit PFAS zu vergiften.

Die ersten «Fluor-Doper» liessen nicht lange auf sich warten

Ganz reibungslos verlief die Einführung der neuen Regeln nicht. Schon im Vorfeld gab es Zweifel an der Genauigkeit der Messmethode. Die Fluorkonzentration wird per Massenspektrometrie an drei Stellen auf dem Ski gemessen – je nach Disziplin vor dem Start (Langlauf), nach dem Rennen (Ski alpin) oder vor und nach dem Wettkampf (Biathlon). Da es um kleinste Mengen geht, ist die Ungenauigkeit fast so gross wie der Grenzwert. Ist der Test an allen drei Stellen positiv, wird der Sportler disqualifiziert.

Die ersten «Material-Doping-Fälle» liessen nicht lange auf sich warten. Gleich im Oktober 2023 beim Riesenslalom in Sölden wurde die Norwegerin Ragnhild Mowinckel wegen Fluorwachs disqualifiziert. Ursache war ein verschmutztes Arbeitsgerät, stellte sich später heraus. Die deutschen Biathleten David Zobel und Simon Kaiser konnten eine Sperre beim IBU-Cup in Martell, Südtirol, gerade noch abwenden, indem sie ein zweites Paar nicht verschmutzte Ski präsentierten. Beide erhielten jedoch Zeitstrafen, weil sie es deshalb nicht rechtzeitig zum Start schafften.

Akzeptanz trotz holpriger Einführung

Die Akzeptanz des Verbots hängt mit davon ab, wie man dazu steht, dass ein technischer Vorteil ein Skirennen entscheiden kann. In der Skisport-Szene stösst die Neuregelung aber grundsätzlich auf Zustimmung.

Dennoch – Verdächtigungen über verbotenes Wachs bei schnellen Teams machten die Runde, Sportlerinnen wie Lara Gut-Behrami befürchteten Sabotage, Serviceteams machten Überstunden. Kritiker befürchteten einen «Fluorwachs-Schwarzmarkt» oder «Zustände wie im Radsport der 1990er-Jahre».

«Irrwitziger» Aufwand

Die bisher ausgesprochenen Sperren zeigen dabei vor allem eines: PFAS sind unglaublich schwer loszuwerden. Alle Gerätschaften, die in Berührung mit den Skiern kommen, müssen von Fluor gereinigt werden. Auch an vielen anderen Dingen wie Handschuhen können Fluorverbindungen kleben.

«Die Techniker haben das Innenleben des kompletten Wachs-Trucks in seine kleinsten Einzelteile zerlegt, gereinigt und wieder zusammengesetzt. Sie haben irrwitzig viele Stunden investiert», berichtete der deutsche Langlauftrainer Peter Schlickenrieder in «Neues Deutschland». Teammitglieder dürften die Ski neu auch nicht mehr mit den Handschuhen anfassen.

PFAS sind überall, wo Ski gefahren wird

Der Zusatzaufwand schaffe mehr Ungleichheit, kritisierte nicht nur «Neues Deutschland». Finanziell stärkere und grössere Teams könnten sich den höheren Aufwand eher leisten. Auch, indem sie Wachs-Innovationen testen und finanzieren. Die kleineren Teams hätten einen weiteren Nachteil.

Und dann wäre da noch die Umwelt. Da Fluorwachse seit den 1990er-Jahren genutzt werden und im Breitensport weiter erlaubt sind, finden sich PFAS auch auf Loipen, Pisten und Schanzen. Von dort können die Fluorverbindungen auf die Ausrüstung gelangen. Forscherinnen und Forscher aus Graz fanden bei einer Untersuchung beispielsweise 14 verschiedene PFAS in Skigebieten in der Steiermark. Eine Verschmutzung, die auf lange Zeit nicht mehr weggeht.

Bei nassem Schnee schneller

Nicht alle Skiwachse enthalten Fluor. Warum dann überhaupt PFAS, also Chemikalien, die eine unrühmliche Karriere als giftige, fortpflanzungsschädigende und teils krebserregende Substanzen hinter sich haben?

Das liegt an den speziellen Eigenschaften der Fluorkohlenstoffe, die sehr schmutz- und wasserabweisend sind. Skier gleiten beim Fahren auf einem dünnen Wasserfilm. Vor allem bei nassem und schmutzigem Schnee stossen Fluorwachse den Fahrer oder die Fahrerin sozusagen vom Schnee ab. Bei anderen Bedingungen spielt Fluorwachs keine grosse Rolle.

Vollständiges Verbot absehbar

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) rät, auf Fluorwachse zu verzichten. Ein Fluorverbot auch im Breitensport ist nach Aussage von Experten ohnehin absehbar. Auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen, die gesamte Chemikalienklasse der PFAS, die mehrere tausend Einzelsubstanzen umfasst, in möglichst vielen Lebensbereichen zu verbieten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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