Nach Chemie im Regen nun auch PFAS in der Luft
Sie sind wasser- und fettabweisend und haben noch eine ganze Reihe weiterer interessanter Eigenschaften. Deshalb werden sie in unzähligen Produkten verwendet: Von den per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) gibt es Tausende. Einige sind giftig. Wie viele es sind, weiss man nicht genau, weil nicht alle überprüft wurden.
Eine besondere Eigenschaft von PFAS: Sie sind fast unzerstörbar. Ausser durch Verbrennen bei hohen Temperaturen wird man sie nicht mehr los. Deshalb finden sie sich mittlerweile fast überall, von der Tiefsee bis zu den Polen.
Nach «PFAS im Regen» nun auch in der Atemluft
Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass die ewig haltbaren Chemikalien sich sogar im Regenwasser finden (Infosperber berichtete). Die Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. stufte diese Nachricht unter den Top 5 der «vergessenen Nachrichten 2022» ein.
Und das ist noch nicht alles. In einem Beitrag des «Deutschlandfunks» warnt der Chemiker Frank Karg vor PFAS in der Luft. Dabei geht es ihm vor allem um sogenannte Fluortelomeralkohole, kurz: FTOH.
FTOH sind die einzigen leichtflüchtigen PFAS. Sie sind leberschädigend und zeigen hormonelle Wirkung. Aus FTOH können ausserdem giftige, krebserregende und bereits verbotene Perfluorcarbonsäuren wie PFOA (Perfluoroktansäure) entstehen.
Kleines Umweltchemie-Lexikon: Fluortelomeralkohole (FTOH)
FTOH gehören zur chemischen Stoffklasse der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS). Die gebräuchlichsten FTOH sind 6:2 FTOH und 8:2 FTOH. FTOH werden als schmutz-, wasser- und fettabweisender Bestandteil in Outdoor- und Regenkleidung oder Teppichen verwendet und bei der Herstellung anderer PFAS gebraucht. Behandeltes Papier von wasser- und fettabweisenden Lebensmittelverpackungen wie Pizzaboxen und Burgerkartons enthält ebenfalls FTOH. FTOH sind giftig, leichtflüchtig und können in die Luft übergehen. Im Körper oder auch ohne menschliches Zutun können sich FTOH in giftigere PFAS verwandeln.
Dass sich PFAS in der Luft befinden und Menschen diese einatmen können, weiss man schon länger. Bisher habe man angenommen, FTOH in der Raumluft stammten vor allem aus imprägnierten Teppichböden und Outdoorkleidung. An Altlasten in Wasser und Boden dachte man kaum, führt Karg aus.
Karg ist Geo- und Umweltchemiker und geschäftsführender Vorstand von HPC International, einer Ingenieurgesellschaft, die sich intensiv mit PFAS beschäftigt. «Wir sind mehr oder weniger die ersten, die angefangen haben, PFAS aus Altlasten in der Luft zu untersuchen», sagt Karg zum «Deutschlandfunk». Die Chemikalien gelangen so auch in Gebäude. Man habe bereits Aufträge, städtische Schulen und Kindergärten zu untersuchen, sagt Karg.
Hohe Mengen FTOH bei Messungen
Die PFAS-Mengen, die der HPC bisher gefunden habe, seien mit 20 bis 260 Mikrogramm Substanz pro Kubikmeter «ordentlich», wenn man davon ausgehe, dass schon 10 bis 20 Nanogramm pro Kubikmeter – also ein Tausendstel dieser Menge – problematisch seien. Wo genau die Messungen gemacht wurden, will der Chemiker nicht sagen. Nur, dass sie auf Grundstücken mit Altlasten stattgefunden haben.
In Tierversuchen erwiesen sich FTOH als leberschädigend. Im Körper wird ein Teil davon in PFOA umgesetzt, das nachgewiesen giftig ist. Es sei Zeit, dass in Sachen FTOH «endlich etwas getan werde», sagt Karg. In Deutschland würden FTOH-Konzentrationen bei Altlastenuntersuchungen beispielsweise gar nicht erhoben. Im Gegensatz zu Frankreich, wo bereits systematisch untersucht werde, beispielsweise in Lyon.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Mehr als 350.000 chemische Stoffe befinden sich weltweit im Umlauf. Hierzu zählen Kunststoffe, Pestizide, Industriechemikalien, Chemikalien in Produkten, Antibiotika und andere pharmazeutische Erzeugnisse. Eine ausreichende Bewertung und Regulierung dieser Stoffe ist aufgrund fehlender Daten häufig nur schwer möglich.»
(bund.net)