Abegg-Einsamkeit

Viele Menschen, die unter Elektrosmog leiden, müssen sich isolieren: die Betroffene Lea Kollbrunner im Garten. © copyright Xenja Abegg

«Mich berührte, wie einsam die Menschen sind»

Pascal Sigg /  Eine Aargauer Maturandin zeigt in einem Film Menschen, die unter Elektrosmog leiden. Mit Infosperber sprach sie über die Recherche.

Im Rahmen ihrer Maturaarbeit traf die Aargauer Gymnasiastin Xenja Abegg um die 20 Menschen aus der Schweiz, die unter Elektrosmog leiden. Abegg dokumentierte ihre Erfahrungen und Aussagen in einem Film.

Ein ehemaliger Gerichtsschreiber erzählt darin, wie er wegen zunehmender Konzentrationsstörungen und Müdigkeit wegen der Strahlung am Arbeitsplatz seine Stelle verlor.

Eine Tourismusfachfrau und Kinesiologin berichtet von Empfindungsstörungen im Gesicht, Depressionen und Wutanfällen. Und dass sie sich deswegen bis zu fünfmal wöchentlich mehrere Stunden in ein Funkloch im Wald begebe, um sich zu erholen.

Kommt hinzu: Menschen, die stark unter Elektrosmog leiden, tun dies meist im Verborgenen. Sie entziehen sich der nichtionisierenden Strahlung, die etwa von Mobilfunksendern, WLAN-Routern oder einzelnen Smartphones ausgeht. Dafür müssen sie sich nicht selten auch sozial isolieren. Freundschaften gehen auseinander, Kontakte brechen ab, Familienbande werden schwächer.

Angesichts des fortschreitenden Ausbaus drahtloser Technologien und Anwendungen sind diese Erfahrungen relevant. Doch Medienberichte über Betroffene sind rar – auch weil die Menschen für die Wissenschaft nach wie vor ein Mysterium darstellen. Bis heute ist nämlich kein Mechanismus identifiziert, der die im Film genannten, teils schweren Symptome erklären könnte.

Infosperber sprach mit Xenja Abegg über ihre Arbeit und den Film.

Die Filmerin

Xenja Abegg ist 19-jährig und wohnt im Freiamt im Kanton Aargau. Nach der Matura an der Kantonsschule Wohlen möchte sie sich in Zug zur Primarlehrerin ausbilden lassen.

Wie sind Sie auf das Thema aufmerksam geworden?
Eine Person in meinem familiären Umfeld leidet stark unter Elektrosmog. Da habe ich direkt erfahren, was das für sie bedeutet. So konnte sie zum Beispiel nicht mehr an Familienanlässen teilnehmen, weil in der Nähe eine Mobilfunkantenne stand. Ich habe gesehen, dass sich die Person nach fünfminütigem Aufenthalt in einem WLAN-Netz hinlegen musste. Ich habe also direkt erfahren, wie sehr sie leidet und wie eingeschränkt sie ist.

Und weshalb entschieden Sie sich für einen Film?
Ich wollte eine Maturarbeit über Elektrohypersensitivität machen. Doch von einer schriftlichen Arbeit riet man mir ab, weil das Thema so umstritten ist. Stattdessen riet man mir, einen Film zu machen. Da würde nicht zuerst der Inhalt, sondern die kreative Leistung beurteilt.

Hat der Film einen journalistischen Anspruch und wurden Sie entsprechend betreut?
Nein, ich wollte in erster Linie Betroffenen eine Stimme geben. Ich wollte zeigen, dass es sie gibt und wie sie leiden.

Wie haben Sie weitere Betroffene gefunden?
Ich stiess auf die Website von Daniel Obi, der auch im Film vorkommt, und erhielt so viele Kontakte vermittelt. Für den Film sprach ich mit etwa 20 Personen aus der Deutschschweiz.

Die haben Sie alle persönlich getroffen?
Die allermeisten. Ich begann mit der Arbeit im März 2024 und recherchierte im Frühling die Kontakte. Während der Sommerferien traf ich die Betroffenen.

Gab es keine Probleme?
Ich hatte Probleme mit dem Ton, weil viele Mikrofone mit Bluetooth funktionieren und ich diese nicht benutzen konnte. Ich fotografiere sehr gern und kenne mich mit Kameras etwas aus. Ich hatte keine Erfahrung mit Filmen und Schneiden. Ich ging nach Gefühl vor und schaute viele Lehrvideos. Den Film schnitt ich während der Herbstferien.

Was hat Sie bei den Treffen am meisten überrascht?
Ganz viele Menschen sind wegen ihrem Leiden sozial isoliert. Sie leben alleine, sind unter Umständen nicht einmal mehr in ein familiäres Umfeld eingebunden. Mich hat berührt, wie einsam diese Menschen sind.

Welche Reaktionen erhielten sie auf den Film?
Die Menschen, welche mitmachten, reagierten sehr positiv auf den Film. Einige von ihnen hatten auch schon schlechte Erfahrungen mit Medien gemacht, weil sie nicht ernstgenommen wurden. Einige Leute, die mein Projekt skeptisch betrachteten, entschuldigten sich nach dem Film für ihr Vorurteil. Ihnen sei erst durch den Film bewusst worden, dass es diese Menschen wirklich gebe.

Sind Sie zufrieden mit dem Resultat?
Ja, ich wurde sehr wohlwollend beurteilt. Persönlich gab mir die Arbeit am Film auch eine innere Ruhe, weil ich spüre, dass ich etwas Wichtiges geleistet habe und mein Verständnis des Themas nun besser abgestützt ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Portrait Pascal.Sigg.X

Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

Eine Meinung zu

  • am 22.03.2025 um 18:34 Uhr
    Permalink

    Danke für den guten Artikel und Glückwunsch an die Maturandin! Als Elektroingenieur erlebte ich während meines Studiums die 2G-Spezifizierung. Schon damals äusserten Biologen Bedenken zu athermischen Effekten der vorgesehenen Modulationsverfahren auf biologische Systeme. Statt einen Zwischenhalt einzulegen und interdisziplinär eine bioverträgliche Funkkommunikation zu entwickeln, wurde diese Chance verpasst.

    Ein weiteres unterschätztes Thema sind die Auswirkungen moderner Fahrzeugsensorik (Radar, Ultraschall, Lidar) auf biologische Systeme. Forschungsansätze dazu habe ich auf meiner Website waltersachs.ch skizziert, unter dem Titel «Die Sensorik autonomer Fahrzeuge und deren potentieller Einfluss auf die Flora und Fauna». Vielleicht hat jemand Interesse, hier weiterzuarbeiten – Ziel sollte keine Technologiefeindlichkeit sein, sondern eine Sensorik ohne biologische Nebeneffekte.

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