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Die Waadtländer Ärztegesellschaft forderte Hausärzte zum rechtswidrigen Kassieren auf. © svm

Gute Corona-Aktion von Hausärzten – mit illegalen Honoraren

Urs P. Gasche /  Ärztinnen und Ärzte telefonierten ungefragt Tausenden Kundinnen und Kunden und stellten dann Honorarrechnungen – rechtswidrig.

Ungefragt bekam Rita Schmid* im März ein Telefon ihres Hausarztes, bei dessen Praxis in Yverdon sie das letzte Mal vor zwei Jahren war. Sie sei über 65, erklärte der Arzt, und damit für Covid-19 eine Risikoperson. Er empfehle ihr, doch zu Hause bleiben und ausserhalb der Familie zu Personen Abstand zu halten. Falls sie krank werde, solle sie sich bei der Praxis melden. Es folgte eine Honorarrechnung von 25 Franken.
Fast 800 Arztpraxen hätten ähnliche Telefonate an «mehrere Tausende ihrer Patienten» gemacht, erklärte Orthopäde Philipp Eggimann gegenüber Infosperber. Eggimann ist Präsident der Waadtländer Ärztegesellschaft AMV, welche die Telefonaktion organisierte.
Am Anfang der Coronakrise hätten viele Leute Angst gehabt, sich in Arztpraxen anzustecken. Deshalb habe die Vereinigung der Waadtländer Hausärzte auf Initiative der AMV eine mediale und eine telefonische Kampagne gestartet. Ziel sei es gewesen, «Menschen ohne Symptome zu schützen». Die Ärzte wurden mit Gesprächsvorlagen und Protokollvorschlägen für die Telefonate beliefert. Für diese Telefonanrufe könnten die Ärzte auch ihr Personal einsetzen, hiess es in den Unterlagen. Die Instruktionen informierten allerdings nicht über Behandlungsmöglichkeiten der Hausärzte. Dafür hiess es in den Unterlagen unter Punkt 3 «Rechnungsstellung» («facturation»):

    «Jeder Telefonkontakt muss als ärztliche Leistung betrachtet und fakturiert werden.»

Den Verdacht, es sei den Ärzten auch um eine Verdienstmöglichkeit in flauen Zeiten gegangen, weist AMV-Präsident Philipp Eggimann als «unangemessen» («inadéquate») weit von sich. Allerdings beantwortet er die Frage nicht, auf welcher Rechtsgrundlage Honorare geschuldet seien. Den Vorwurf, diese Honorarforderungen seien illegal und rechtswidrig, beantwortet der Präsident der Ärztegesellschaft nicht.

Etliche der Angerufenen waren überrascht, als nach dem Telefonanruf eine Honorarrechnung der Arztpraxis ins Haus flatterte, und reklamierten. Darauf bekam die Ärztegesellschaft offensichtlich kalte Füsse und räumte einen Monat später indirekt ein, dass ohne Auftrag keine Honorare geschuldet sind. Denn in einem weiteren Instruktionsschreiben, das die Ärztegesellschaft und der Verband der Hausärzte am 17. April verschickten, hiess es unter Punkt 3 unter dem neuen Titel «Facturer?»:

    «Die Telefonanrufe erfolgen zwar auf Initiative des Arztes, beruhen jedoch meistens auf einer bisher unausgesprochenen Bitte («demande jusque-là inexprimée») des Patienten. Es sollte daher kein Problem sein, vom Patienten die Zustimmung für eine Rechnungsstellung zu erhalten … Falls ein Patient die Zahlung verweigert, soll nicht fakturiert werden …»

Das ist wohl weise. Ärztinnen und Ärzte in Praxen zeigen sich zwar immer wieder stolz darauf, dass sie private Unternehmer seien und auch als solche besteuert werden. Sie vergessen dabei jedoch gerne, dass sie mit ihren Patientinnen und Patienten in einem Auftragsverhältnis stehen. Ohne Auftrag kein Honorar.

Als die eingangs erwähnte Rita Schmid die Honorarrechnung nicht zahlte, schickte ihr die Praxis des Hausarztes Yann Dumont noch im Juli eine Mahnung und forderte die 25 Franken plus eine Mahngebühr von 5 Franken. Als Schmid telefonisch darauf hinwies, sie habe dem Arzt keinen Auftrag für diesen – für sie ohnehin wenig hilfreichen – Telefonanruf gegeben, teilte ihr das Sekretariat der Arztpraxis schriftlich mit:

    «Sie werden verstehen, dass die Tatsache, dass Sie diese Rechnung nicht begleichen wollen, die Vertrauensbeziehung zerstört («fragilise la relation de confiance») und dazu führt, dass wir Ihnen keine Arzttermine mehr geben können.»

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Wer von ähnlichen Telefonaktionen in anderen Kantonen Kenntnis hat, kann dies Infosperber melden.
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*Name geändert. Die Redaktion kennt die Identität.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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9 Meinungen

  • am 23.08.2020 um 11:42 Uhr
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    Arzte sind keine Unternehmer, egal wie Gesetze das konstruieren und Ärzte haben keine Kunden. Die Medizinethik verbietet Ärzten, Patienten ungefragt anzusprechen. Ärzte dürfen nur nach Aufforderung diagnostisch tätig werden und wenn sich keine Diagnose ergibt, ist der Auftrag erledigt. Kurative Handlungen dürfen nur bei Vorliegen einer Diagnose ausgeführt werden.

  • am 23.08.2020 um 11:48 Uhr
    Permalink

    Bei der ganzen Untergangshysterie geht es eh nur ums Geld, und wir werden belogen und betrogen, das die Balken krachen

  • am 23.08.2020 um 12:54 Uhr
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    Dann ist wohl klar was geschlagen hat:
    Zeit, die eigene Patientenakte abzuholen, und den Arzt zu wechseln.

  • am 23.08.2020 um 13:02 Uhr
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    Immer mehr Personen sind immer weniger am tatsächlichen Wohl der Mitmenschen interessiert, sondern immer öfter vorrangig an ihrem Geld, bei aller Scheinheiligkeit für mehr Geltung und Macht.
    Auch deshalb ist Allgemeinbildung, Erkenntnis- und Urteils-Vermögen nötig, statt blind Vertrauensseelig zu glauben oder zu meinen.

  • am 23.08.2020 um 13:31 Uhr
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    Hätten die Ärzte am Anfang des Telefonats gefragt, ob der/die Angerufene eine telefonische Konsultation zum Thema Corona möchte, wäre alles in Ordnung gewesen.
    Aber sowieso haben die meisten Ärzte weltweit versagt, da sie nicht mal die Daten von vor Corona zum Wohl ihrer Patienten eingesetzt haben. Sie hätten wissen und entsprechend beraten müssen, dass ein Mangel an Vitamin D die Anfälligkeit für Krankheiten des respiratorischen Trakts erhöht und dass die Krankheit schlimmer verlaufen wird, als nötig.
    Von mir bekommen das BAG und die Ärzte 5 von 5 Sterne für Unfähigkeit und unterlassene Hilfeleistung.

  • am 23.08.2020 um 14:04 Uhr
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    Es findet keine Untersuchung statt, und trotzdem werden Honorare gefordert? Ist das nun ein Freibrief für Callcenters dasselbe «im Auftrag irgendeiner Ärztegemeinschaft» zu tun?
    Das ist ja fast wie bei der Corona-App, Die mit «Patientendaten» gefüttert wird, aber wohl kaum innerhalb der kurzen Zeit so rigoros getestet wurde, wie unsere missglückte «Voting-App». 15% falsch negative/positive resultate grenzen doch schon fast eher an eine Diffamierungs- oder Diskriminierungs-App.

  • am 23.08.2020 um 20:54 Uhr
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    Wenn man das Vorgehen dieser Ärzte betrachtet, dann ist das schlicht und ergreifend eine Unverschämtheit. Das Schreiben des Yann Dumont grenzt sogar an Nötigung. Für mich wäre das umgekehrt als Patient so, dass sich ein solcher Arzt als mieser Abzocker entpuppt und ich dem Typen nicht mehr vertrauen würde, denn es ist wohl anzunehmen, dass ihm sein Geldbeutel wichtiger als meine Gesundheit ist! Ich denke aber, dass da sogar viel kriminelle Energie dahinter steckt und man vielleicht sogar ein strafrechtliches Vorgehen gegen alle an dieser «Aktion» beteiligten Ärzte wegen unlauteren Wettbewerbs in Betracht ziehen sollte.

  • am 24.08.2020 um 09:35 Uhr
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    Die heutige Gesellschaft hat keinen Anstand mehr, alle machen’s den andern nach, abzocken auf gemeinste Art, eine Schande für diese Ärztegemeinschaft, Eggimann soll den Hut nehmen, man müsste ihn auch einklagen !

  • am 25.10.2020 um 17:04 Uhr
    Permalink

    In Krisensituationen kommen die Schattenseiten und vor allem die wirtschaftliche Gewaltbereitschaft des unregulierten Kapitalismus an den Tag. Der freie Kapitalismus als Sublimierung der menschlichen Gewaltbereitschaft funktioniert genauso wenig wie das Einprügeln mit einem Tennisschläger auf Telefonbücher in einer Psychotherapie. Es macht alles nur noch schlimmer, asozialer, gewaltbereiter und gefährlicher. Die Armen, Schwachen, Behinderten, Verletzten, Kranken und die Kinder bezahlen dafür den Preis. Alles Wissen für besseres Systeme wäre vorhanden, doch zuerst müssen wohl die derzeitigen Machthaber, Entscheidungsträger und zu unrecht Profitierenden aussterben, bevor sich etwas zum Besseren ändert. Eine blutige und traurige Tatsache das die Schweiz hier keine klaren Zeichen setzt. Unsere Göttin Helvetia dreht sich womöglich jeden Tag im Grabe um.

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