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Dieser «gesunde» Obstsnack für Kinder besteht zu fast drei Vierteln aus Zucker. Das gehe gar nicht, sagt die Organisation Foodwatch. © Foodwatch

Foodwatch kritisiert Alete-Zuckerbomben für Kinder

Daniela Gschweng /  Der Kindersnack «Obsties» von Alete enthält 72 Prozent Zucker. Dafür gab’s den «Goldenen Windbeutel» für dreiste Werbelügen.

«Obsties» sind süss, schmackhaft, gesund und der Nachwuchs fliegt darauf. Das sagt zumindest Alete beziehungsweise seine Testerinnen auf der Homepage. Ein traumhaftes Lebensmittel für Eltern und Kinder.

«Besonders toll an den kleinen Snacks finde ich, dass sie zu 100% natürlich sind», sagt Alete-Testerin Annihny. Das sei «Naschen für die Kleinen ohne schlechtes Gewissen». Auf der bunten Packung der «Obsties Erdbeer-Banane mit Joghurt» tummeln sich zwei putzige Mäuse beim Obstgenuss.

Vermeintlich gesunder Snack ist eine Zuckerbombe

Die Konsumentenorganisation Foodwatch sieht das anders. Sie hat die Fruchtsnacks für Kinder ab drei Jahren Anfang Juli mit dem «Goldenen Windbeutel» ausgezeichnet. Und zwar, weil der Hersteller Deutsches Milchkontor «Obsties» als Teil der Serie «Alete bewusst» und mit den Attributen «bio» sowie «ohne Zuckerzusatz» bewirbt. Dabei enthält der Kindersnack 72 Prozent Zucker.

Foodwatch vergibt den Goldenen Windbeutel seit 2009 jedes Jahr für besonders dreiste Werbelügen. Dazu lässt die Organisation Konsument:innen unter mehreren Produkten abstimmen. Von mehr als 55’000 Abstimmenden gaben 57 Prozent «Obsties» ihre Stimme.

Aufkonzentrierter Fruchtzucker ist so ungesund wie Zuckerwürfel

Der in den süssen Kaubonbons enthaltene Zucker stammt aus Apfelsaftkonzentrat. Das ist Apfelsaft, dem das meiste Wasser entzogen wurde. Apfelsaftkonzentrat enthält sehr viel Fruchtzucker, ist ein Bestandteil des Produkts und gilt nicht als «zugesetzter Zucker».

Das mache es allerdings nicht besser, kritisiert Foodwatch. Fructose sei in seinen Auswirkungen nicht besser als Saccharose (Haushaltszucker). Beide begünstigten Übergewicht, Diabetes und Karies. Eine Untersuchung über die Zeit der Zuckerrationierung in Grossbritannien stellte darüber hinaus fest, dass viel Zucker im Kindesalter gesundheitliche Folgen für das ganze Leben haben kann (Infosperber berichtete).

In «Alete Obsties» ist so viel Zucker, dass sie eigentlich gar nicht «für Kinder» beworben werden dürften. Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zumindest. Konsumentenschutz- und Gesundheitsorganisationen kritisieren ausserdem seit Langem die vielen zulässigen Bezeichnungen für verschiedene Zuckerarten.

Das Deutsche Milchkontor macht geltend, dass «keine Zutat für eine süssende Wirkung» eingesetzt werde und verweist auf die empfohlenen Portionsgrössen der «Obsties». Zudem sei auf der Verpackung angegeben, dass diese von Natur aus Zucker enthielten. Ob das die Kinder von Alete-Testerin Conny, die «die Tüte total begeistert verschlungen haben», interessiert?

«Obsties» sind kein Einzelfall

Alete wurde damit bereits zum dritten Mal mit dem Negativpreis ausgezeichnet. Die beiden bisherigen «Auszeichnungen» 2014 und 2017 gingen an ein Alete-Lebensmittel für Säuglinge und eines für Kinder.

Alete ist damit aber kein Einzelfall. Zuckerbomben, deren Werbung auf Kinder zielt, gibt es bei vielen Herstellern und Marken. Apfelsaftkonzentrat ist bei vielen Lebensmittelherstellern beliebt, da es als «natürlicher» Zucker wahrgenommen wird. Mit einem frischen Apfel hat es aber nur noch wenig zu tun. Foodwatch fordert schon lange, dass die Politik endlich wirksame Werbebeschränkungen für Kinder-Lebensmittel einführt.

«Nichts Neues», sagt auch das Konsumentenmagazin «Öko-Test» und verweist auf einen umfassenden Artikel zu Zucker in Kinderprodukten. Die Hersteller tricksten gerade bei Kinder-Lebensmitteln immer wieder und versuchten, den Geschmack der Jüngsten schon früh auf Süsses zu eichen. Ist das einmal geschehen, ist diese Vorliebe nur sehr schwer wegzubekommen. Das fange bei der Beikost an und höre beim Joghurt auf.

Foodwatch: «Der Schmähpreis wirkt»

Der Goldene Windbeutel habe schon einiges geleistet, führt Foodwatch an. Hersteller wie Rewe änderten ihre Werbung für «klimaneutrale» Pouletbrust, stellten gleich ganze Produktlinien ein oder nahmen Produkte vom Markt, so Hipp einen übersüssen Kindertee.

Foodwatch könne aber nicht jede Werbelüge zur Abstimmung stellen. Es brauche mindestens bessere Kennzeichnungsregeln. Konsument:innen würden abgezockt, weil in Berlin der politische Wille fehle, gegen Werbelügen vorzugehen, sagt Foodwatch-Wahlleiterin Rebekka Siegmann.

Und sonst? Zuckrige Diätriegel und Pilzsuppe fast ohne Pilze

Dass es noch einiges zu tun gibt, zeigen die anderen vier 2024 nominierten Produkte. Darunter eine Gemüsesuppe fast ohne Gemüse, eine profitgeschrumfte Glace-Packung und eine vegane Wurst aus Öl.

Zucker gab’s dieses Jahr auch für Erwachsene. Nominiert war unter anderen der Riegel «Pretty Little Meal Bar». Laut Hersteller Famous Brands GmbH ist dieser ein Ersatz für eine Hauptmahlzeit, für Diäten geeignet und enthält alle wichtigen Nährstoffe. 25 Prozent Zucker sind dabei offensichtlich mitgezählt. Foodwatch zitiert Diana Rubin, Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin und Diabetologie des Vivantes Humboldt Klinikums, deren Urteil eindeutig ausfällt: «Ein Riegel, der ungesunde Ernährungsweisen aufgrund von Zucker, Fett, künstlichen Aromen und hoher Energiedichte fördert, ist nicht zum Abnehmen geeignet.»

Weiter ging’s mit «Heisse Tasse Champignon Creme», die nur 1,5 Prozent Champignons und Champignonextrakt enthält, dazu 0,5 Prozent anderes Gemüse. Der Grossteil des Rests ist modifizierte Kartoffelstärke, Palmöl und Glukosesirup. Dazu kommt Hefeextrakt, der den Geschmack des kümmerlichen Pilzanteils verstärkt, sowie Aromen. Den Hinweis «ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe» darf der Hersteller GB Foods trotzdem anbringen, weil beides als Zutat gilt und nicht als Zusatzstoff. Ob das den Konsument:innen auch klar ist?

«Langnese Cremissimo Bourbon Vanille» von Unilever hat es mit Shrinkflation auf die Nominierungsliste geschafft. In einer Packung sind seit Anfang Jahr nur noch 900 Milliliter Glace statt vorher 1300 Milliliter. Der Preis blieb gleich. Laut Unilever «eine Antwort auf die steigende Nachfrage nach kleineren Produktvarianten in unserem Sortiment».

Mit dabei war auch «Schinken Spicker», die vegane Mortadella der Rügenwalder Mühle. «Schinken Spicker» basiere «auf Sonnenblumenkernen», gibt der Hersteller an – die zu zwei Prozent enthalten sind. Eigentlich sollte es heissen «auf Basis von Rapsöl», sagt die deutsche Verbraucherzentrale. Wurst bestehe nun einmal grösstenteils aus Fett. Rügenwalder Mühle will laut Foodwatch den Aufdruck «auf Basis von Sonnenblumenkernen» in «mit Sonnenblumenprotein» ändern.

Die bisherigen Windbeutel-Gewinner und -Nominierten sind hier aufgeführt: (Wikipedia-Link).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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