Fast drei von vier Schweizern haben zu viel BPA im Körper
Die meisten Europäer haben zu viel Bisphenol A im Körper. Bei neun von zehn Personen in elf untersuchten Ländern überschreitet die hormonähnliche Chemikalie den sicheren Grenzwert. Am niedrigsten ist die Belastung in der Schweiz. Hier ist der Grenzwert bei 71 von 100 Personen überschritten.
In Frankreich, Portugal und Luxemburg hätten wahrscheinlich alle Erwachsenen zu viel Bisphenol A – oder kurz BPA – im Körper, legt die Europäische Umweltagentur (EEA) in einer Studie dar. Die hohe Belastung stelle ein potenzielles Gesundheitsrisiko für Millionen Menschen dar.
Die EEA hat Daten von 2756 Menschen ausgewertet, die am europäischen Biomonitoring-Projekt HBM4EU teilgenommen hatten. HBM4EU verfolgt seit 2017 die Chemikalienbelastung in insgesamt 25 Ländern (Infosperber berichtete: «Chemikalienbelastung von Menschen in Europa ist bedenklich hoch»).
Bisphenol A trotz Giftigkeit weit verbreitet
Bisphenol A, das sich im Urin von 92 Prozent der untersuchten Europäer:innen findet, ist in der Schweiz und der EU seit Jahren für viele Anwendungen verboten. Die Chemikalie wird aber nach wie vor in zahlreichen Produkten wie Plastikgeschirr, Beschichtungen von Konservendosen, Thermopapier, Farben oder Elektronik verwendet.
Kleines Umweltchemie-Lexikon: Bisphenol A (BPA), Bisphenol S, Bisphenol F
Bisphenol A (BPA) ist ein endokriner Disruptor. Das heisst, die Chemikalie kann im Körper agieren wie ein natürliches Hormon. Erfunden wurde BPA in den 1930er-Jahren als Ersatz für natürliches Östrogen. Heute wird es in Kunststoffen verwendet. In höheren Dosen kann BPA die Fortpflanzung und die fötale Entwicklung stören, die Spermienqualität reduzieren und Krebs verursachen. BPA ist als reproduktionstoxisch (fortpflanzungsgiftig) eingestuft und steht im Verdacht, Brustkrebs, Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu befördern.
Bisphenol A steckt in vielen Kunststoffen, Flammschutzmitteln, Baustoffen und Epoxidharzen. In der EU wurde BPA in Babyflaschen schon 2011 verboten. In der Schweiz gab es mehrere freiwillige Beschränkungen. Seit 2017 ist Bisphenol A in Babyflaschen und seit 2020 auch in Thermopapier wie Kassenzetteln und Parktickets nicht mehr erlaubt. In anderen Bereichen ist die Nutzung eingeschränkt.
Ersetzt wurde Bisphenol A teilweise durch Bisphenol S oder Bisphenol F, von denen sich mittlerweile herausgestellt hat, dass sie ebenfalls schädlich sind.
BPA kann durch Wärme aus Kunststoffen freigesetzt werden und durch die Haut in den Körper gelangen. Besonders vorsichtig mit Bisphenol A sollten Kinder, Schwangere und Übergewichtige sein.
Die meisten Menschen nehmen Bisphenol A über die Nahrung auf. BPA baut sich in der Umwelt unter normalen Bedingungen relativ schnell ab und wird vom Köper grösstenteils ausgeschieden. Ob die fettlösliche Chemikalie sich an bestimmten Stellen im Körper anreichern kann, beispielsweise im Fettgewebe oder in der Plazenta, ist nicht abschliessend geklärt.
Auch BPA-Ersatzstoffe sind bedenklich
Bisphenol A und vermutlich auch seine «Geschwister» Bisphenol S und Bisphenol F und einige andere Chemikalien, mit denen die Industrie BPA ersetzt, können im Körper wie natürliche Hormone wirken. Sie stören die Fortpflanzung und werden mit Krankheiten wie Brustkrebs, Übergewicht und verfrühter Pubertät in Verbindung gebracht.
Vor Kurzem stellte sich heraus, dass Bisphenol A auch das Immunsystem schädigt. Im April 2023 senkte die Europäische Chemikalienagentur EFSA den sicheren Grenzwert deshalb deutlich ab.
Tipps, wie Sie BPA im Alltag vermeiden können, finden Sie in diesem Artikel: «‹Öko-Test› findet Hormongift BPA in Tomatenkonserven».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Ich schätze eure Beiträge, danke dafür. Nur eine bitte: Könnt ihr das Gendern lassen?