Erster US-Staat legalisiert «Magic mushrooms» bedingt
Der US-Bundesstaat Oregon hat als erster US-Staat erlaubt, dass erwachsene Personen die wohl bekanntesten «Zauberpilze», die sogenannten «Psilos» (Psilocybe semilanceata) konsumieren dürfen. Dies allerdings nur, wenn der Konsum in speziellen Zentren unter der Begleitung ausgebildeter Fachpersonen erfolgt. Dies berichtete die New York Times am 3. Januar 2022.
Eine neue Gesetzgebung trat am 1. Januar 2023 in Kraft. Oregons Stimmbürger/innen hatten sich bereits 2020 für die Entkriminalisierung des Besitzes kleiner Mengen «harter» Drogen wie Heroin, Kokain und Metamphetamin* ausgesprochen. Im November 2022 befürworteten die dortigen Stimmberechtigten nun auch eine entsprechende Handhabung von Psychedelika oder Halluzinogenen wie LSD, Psilocybin und anderen.
Auf Bundesebene verbleiben sie in den USA jedoch auf der Liste verbotener Substanzen. Trotzdem wirkt sich die Gesetzgebung in Oregon auf andere US-Bundesstaaten wie New York oder Washington aus. Auch auf kommunaler Ebene hat sich die Gesetzgebung gegenüber dem Zauberpilz-Wirkstoff Psilocybin bereits bewegt, zum Beispiel in Washington D.C. oder in Seattle.
In einigen anderen Staaten wie Brasilien, Nepal oder den Bahamas ist der Konsum von Psilocybin vollständig legalisiert, doch wird der Konsum dort nicht überwacht oder wissenschaftlich begleitet. In Oregon dagegen gibt es jetzt ein System des überwachten Konsums. Damit werden in Oregon zum ersten Mal die Erfahrungen dokumentiert.
In den europäischen Staaten interessiert sich die medizinisch-klinische Forschung seit ungefähr zwanzig Jahren wieder stärker für die in den 70-er Jahren verbotenen psychedelischen Substanzen. Dies, weil Studien das therapeutische Potential für die Behandlung psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen nahelegten.
Behandlung von Alkoholsüchtigen
Dabei ist auch der Vergleich mit den herkömmlich eingesetzten Medikamenten ausschlaggebend. Die Forschungsergebnisse zeigen auf, dass die Behandlung mit Psychedelika gleich gut oder besser wirksam ist, die Wirkung länger andauert und das Nebenwirkungsprofil vorteilhafter ist. Vielversprechend scheint nach einzelnen Studien ebenfalls die Behandlung von Alkoholabhängigkeit und von «somatischen» Symptomatiken wie Cluster-Kopfschmerz. So fand eine neuere Studie über die Wirkung von Alkoholmissbrauch einen Rückgang von 83 Prozent des Problemverhaltens bei schweren Alkoholiker/innen. Nahezu die Hälfte der Proband/innen verzichtete über die Studiendauer von acht Monaten gänzlich auf Alkohol. Der Langzeiterfolg der Behandlung konnte noch nicht ermittelt werden.
Auch in den USA ist die Psychedelika-Forschung mehrheitlich auf einen medizinisch-therapeutischen Einsatz der Substanzen ausgerichtet. Bereits 2018 hatte die Food and Drug Administration (FDA) dem Wirkstoff Psilocybin den Status einer «bahnbrechenden Therapie» für schwere Depressionen verliehen, was in der Folge den Weg für klinische Studien geebnet hat. Auf Bundesebene rechnen Forscher/innen mit einer vollen FDA-Zulassung von Psilocybin zur Behandlung klinischer Depressionen innerhalb der nächsten zwei Jahre. Für den Wirkstoff MDMA könnte dies für die Therapie posttraumatischer Belastungsstörungen sogar noch rascher geschehen.
Keine psychiatrischen Diagnosen nötig
Im Gesetzgebungsprozess in Oregon wurde diskutiert, ob der Psilocybin-Konsum nur für die medizinische Anwendung legalisiert werden sollte. Dies hätte bedeutet, dass nur Personen mit spezifischen psychiatrischen Diagnosen unter enger Begleitung durch psychotherapeutisch ausgebildete Fachpersonen eine solche Therapie in Anspruch nehmen dürften.
Oregon hat sich gegen eine solche Lösung ausgesprochen und ein niederschwelliges Modell gewählt. Der Konsum ist für alle Erwachsenen (in den USA also ab 21 Jahren) zugelassen – unabhängig von einer psychiatrischen Diagnose oder Indikation. Die Behandlung einer definierten Krankheit hätte zur Folge gehabt, dass Versicherungen die Kosten übernehmen müssten. Bei der in Oregon gewählten Lösung werden die Psilocybin-Sitzungen von den Versicherungen nicht übernommen.
Die Bestimmungen für Produktion und Verkauf der «Magic mushrooms» wird der Gesetzgeber noch abschliessend bestimmen.
Die Schweiz ist in der Erforschung dieser Substanzen weltweit an vorderster Front mit dabei. Derzeit führen Universitätskliniken und Forschungsinstitute zahlreiche Studien durch. Dies unter anderem auch zum Thema des sogenannten «microdosing», das seit einiger Zeit im Zusammenhang mit Lifestyle-Drogen und Selbstoptimierung im Gespräch ist. Dabei werden (illegal und) funktional kleinste Mengen von Halluzinogenen wie LSD, Psilocybin oder MDMA eingenommen, um die Arbeitsleistung und die Kreativität zu steigern. Die Wirkung ist in der Forschung allerdings noch umstritten. Die Internet-Tech-Branche im Silicon Valley ist als Hochburg für diesen Trend bekannt.
Die genaue Wirkungsweise von Psilocybin und anderer Psychedelika wie LSD ist nicht geklärt, wie auch die New York Times schreibt. Einige Forscher vermuten, dass die Einnahme solcher Substanzen eine Art «Neuverkabelung» im Gehirn bewirkt, das heisst die Neuroplastizität steigert. Zur Klärung der pharmakologischen Wirkungsweise sowie auch der Best Practice in der Anwendung dieser mächtigen Wirkstoffe ist noch viel Forschung erforderlich.
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* In der ersten Fassung dieses Beitrags wurde hier irrtümlicherweise auch «Ecstasy» bzw. MDMA genannt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Dieser Artikel nährt meinen Zorn über die träge Masse der deutschen Entscheider in dieser Sache. Geradezu explodieren könnte ich, wenn ich hören muss, dass führende Mediziner sich gänzlich ohne Einschränkungen gegen die bedingte Freigabe von Psychedelika entscheiden. Die haben nicht die quälenden Erkrankungen, wo nur noch Psychedelika einen wirklichen Befreiungsschlag versprechen. Da wird in Deutschland lediglich kleinen Forschergruppen erlaubt, in gänzlich unbedeutendem Umfang Studien durchzuführen. Jetzt bemühen! sich in Deutschland wohl Forscher, im Rahmen von Studien den Patienten in Abständen wiederholt Psilocybin geben zu können, um die Wirkung zu erfahren. Ich wünschte mir, dass Priol dieses Thema mal aufgreift, damit man mal lachen kann, worüber man eigentlich schon nur noch weinen kann.
Der letzte Absatz klingt wieder verdächtig nach Menschenverbesserung dank Pharmadrogen – und ein neuer Riesenmarkt könnte hier erschlossen werden. Nach dem Opiatskandal in den USA ist vor allem größtes Mißtrauen angebracht, wenn sich die Pharmaindustrie erneut als legaler Drogenhändler betätigen möchte. Ich hatte einige Leute im Bekanntenkreis, denen dieser Pilzgenuß ganz und gar nicht bekommen ist. Ein Bekannter hat auf seinem «Pilztrip» gar zwei extrem rabiate Selbstmordversuche unternommen, der letzte war leider trotz medizinischer Betreuung erfolgreich. Er war schwer depressiv. Es wäre besser, eine Anwendung erst einmal gründlich in geschlossenem Kreis zu testen, bevor man «niederschwellig» solche gefährlichen Substanzen zulässt, um Krankenkassenkosten zu sparen.
Geehrter Herr Schön, ich teile Ihre Bedenken durchaus. Allerdings wird der Konsum in Oregon ja immerhin nur einem gesicherten und professionell begleiteten Setting zugelassen. Bereits in den 50-er Jahren wies Ludwig von Bertalanffy auf die Wichtigkeit von «Set» und «Setting» beim Konsum psychoaktiver Substanzen hin.
Eher unwahrscheinlich ist auch, dass die Pharmaindustrie davon profitieren wird. Da die Produktion und der Vertrieb der Substanz an die zertifizierten Zentren noch nicht geklärt ist, kann dies noch nicht abschliessend beurteilt werden. Meiner Einschätzung nach liegt es generell nicht in deren Interesse, dass pflanzliche «Ganz-«Wirkstoffe zugelassen werden, da diese nicht patentiert werden können. Anders sähe es aus, wenn ein einzelner Wirkstoff isoliert und synthetisiert würde. Für ein Patent ist meines Wissens eine mindestens geringfügige Änderung in der molekularen Struktur eines pflanzlichen Wirkstoffs Bedingung. Damit wird aber meist auch das Wirkungs- und insbesondere das Nebenwirkungsprofil des Stoffes verändert und dies meist nicht in vorteilhafter Art und Weise.
Davon abgesehen haben Sie sicher recht mit Ihrer Vermutung, dass durch die Entwicklung auch neue Märkte entstehen werden. Im Fall des Oregon-Modells dürfte dies jedoch nicht vergleichbar sein mit dem Milliardenmarkt für Cannabis, gerade weil die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen.