Sperberauge
BAG zu Corona-Massnahmen: «Positivrate ist kein Richtwert mehr»
Beim letzten kleinen Öffnungsschritt, den der Bundesrat am 22. März bekanntgab, war die Positiv- oder Positivitätsrate bei den Tests noch eines unter mehreren Kriterien, die als Entscheidungsgrundlage dienten. In Zukunft will der Bundesrat die Positivrate nicht mehr berücksichtigen, wie das Bundesamt für Gesundheit Infosperber am Dienstag mitteilte. Das BAG begründete den Verzicht damit, dass die Positivrate «im Rahmen der Ausweitung der Teststrategie in den nächsten Wochen an Aussagekraft und damit Bedeutung verlieren wird». Deshalb werde im Vergleich zum letzten Öffnungsschritt «auf die Positivitätsrate als Richtwert in Zukunft verzichtet».
Vorselektion und fehlende Meldepflicht verfälschen die Positivrate
Noch am 23. März publizierte das BAG auf seiner Homepage die Positivraten der PCR-Tests und der Antigen-Schnelltests, ohne auf die beschränkte Aussagekraft hinzuweisen.
Unter dem Titel «Diese Corona-Fallzahlen schweben im luftleeren Raum» hatte Infosperber darauf hingewiesen, dass die Positivrate zu wenig Aussagekraft habe. Hinter der sinkenden Aussagekraft, welche das BAG jetzt bestätigt, verbergen sich zwei konkrete Probleme, die beide mit der Verbreitung von Schnelltests zu tun haben.
- Wer – zum Teil wiederholt – Schnelltests macht, um Betagte zu besuchen, oder im Speisesaal des Altersheims essen zu können, oder um weiter die Schule besuchen oder reisen zu dürfen, muss die negativen Resultate bei keiner Stelle melden, jedoch die positiven. Das ergibt eine zu hohe Positivrate unter den Schnelltests.
- Wenn ein Schnelltest ein positives Resultat ergibt, folgt zur Bestätigung meistens ein zuverlässigerer PCR-Test. Diese Vorselektion durch positive Schnelltest-Resultate führt dazu, dass ein hoher Anteil dieser darauf folgenden PCR-Tests ebenfalls positiv ausfällt. Das ergibt eine höhere Positivrate bei den PCR-Tests. Man müsste diese PCR-Nachtests bei der Berechnung der PCR-Positivrate weglassen, was jedoch nicht geschieht.
Damit die Positivrate ein nützlicher Indikator wäre, müsste zudem der Anteil der getesteten Personen mit und ohne Symptome stets etwa gleichbleiben. Denn unter den Personen, die Symptome zeigen, gibt es viel mehr, die das Virus tatsächlich erwischt haben, als unter den Asymptomatischen. Auch aus diesem Grund kann die Positivrate deutlich höher oder tiefer sein als ausgewiesen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine.
Die Positivrate ist wenigstens im Vergleich zur Zahl der positiv getesteten ein Verhältnis.
Die nackte Zahl der positiv getesteten ist an Aussagekraft nicht zu unterbieten.
Die Anzahl Tote die aufgrund von, nicht nur mit Corona gestorben sind, wäre eher ein vernünftiger Wert, wobei man noch sichstellen müsste, dass der PCR Test nicht auf die normal Grippe anspricht, welche ja statistisch komischerweise nicht mehr ausgewiesen wird.
Auf was wird dann geschaut?
Weiss Infosperber etwas zur Methode, Erbgutfragmente des Virus im Abwasser nachzuweisen? Die EAWAG macht offenbar entsprechende Versuche.
Wenn das ganze technisch gesehen funktioniert, scheint mir die Methode wesentlich besser geeignet, um den Lauf der Epidemie zu verfolgen, als Tests bei einzelnen Patienten. Bei Abwassertests lässt sich viel eher die nötige Konstanz über den ganzen Zeitraum erreichen.
Als Kriterium für künftige Lockerungsschritte wird die Durchimpfungsrate herangezogen.
Der «böse Verharmloser» Dr. Köhnlein hat einen sehenswerten Rückblick auf das erste Coronajahr geworfen. «Die Abrechnung: Ein Jahr Corona mit Dr. Köhnlein» der Titel.
Übung abbrechen und die Behebung der wirtschaftlichen Schäden in Angriff nehmen!
Die Hinweise von U.P. Gasche bezüglich Unzulänglichkeiten der vom BAG gemeldeten Positivitätsrate sind natürlich richtig.
Diese nun aber nicht mehr zu melden ist sicher keine Lösung. Die Zahl der neuen positiven Fälle ohne Relation zur Zahl der durchgeführten Tests ist ohne Aussagekraft.
Leider nicht der erste fragwürdige Entscheide von BAG und Bundesrat.
Bei den PCR-Tests müssen die Zahl der Tests und der positiven Resultate weiterhin gemeldet werden. Bei etlichen Schnelltests auch. Im Artikel steht nur, dass der Bundesrat die Positivraten nicht mehr als eines der Kriterien für Massnahmen verwenden wird, weil die Aussagekraft ständig sinkt.
@ Daniel Heierli
Eine Erklärung, wie das ganze funktioniert, finden sie hier:
https://www.deutschlandfunk.de/sars-cov-2-viren-im-abwasser-forscherin-werkzeugkasten-zur.676.de.html?dram:article_id=483063
Ob eine Hochrechnung dann zu der tatsächlichen Anzahl Infizierter kommen kann, wage ich zu bezweifeln, denn man bekommt nor einen Durchschnittswert; im übrigen kann die Virenlast von einer zur anderen Person extrem auseinanderliegen, was auch wieder zu Ergebnissen führt, die nicht annähernd genau sind.
Wie in einem Artikel der Wissenschaftszeitschrift >Nature< geschrieben wurde, hilft uns kein Impfstoff um die Bevölkerung zu immunisieren, weil uns die Mutanten einen bösen Streich spielen könnten, weil sie sich durch die bisherigen Impfstoffe nicht beeindrucken lassen.
Richtig wäre daher, einen Impfstoff zu entwickeln, der die Viren nicht nur unschädlich macht, sondern grundsätzlich die Weitergabe an andere unmöglich macht. Wir sollten uns wohl darüber im klaren sein, das wir diesen Virus nicht ausrotten können, sondern lediglich die Verbreitung weitestgehend verhindern können. Mit andere Viren leben wir jetzt auch schon viele Jahrzehnte, mit machen schon Jahrhunderte; doch ausrotten können wir sie nicht, weil alleine schon Labore aus dem zivilen wie auch militärischen Bereichen Interesse daran haben. Die einen wollen Mittel gegen den Virus entwickeln, die anderen eher das gegenteil.
Es fehlt meines Erachtens ein Drittens:
Die Positivitätsrate ist zu hoch, weil PCR-Tests auch auf nichtinfektiöse Virenfragmente reagieren.
Ich finde den Artikel von Urs Gasche, der zur Ausserdienststellung der Positivitätsrate geführt hat, sehr gut und wichtig.
Doch die Positivitätsratenzahlen sind auch sonst sehr seltsam. Die Bündner realisieren mit ihren Massentests (20’000 Tests insgesamt in Woche 10) eine Positivitätsrate von 4.9% beim hauptsächlich verwendeten Antigentest. Damit müssten sie gegen 1000 Fälle pro Woche verzeichnen. In Realität waren es 191. Aehnlich sieht es in Zug und AI aus.
Fazit: Das Problem der Positivitätsrate ist nicht nur die fehlende Repräsentativität der Stichprobe. Auch die Mathematik stimmt nicht. Ob das nur bei der Positivitätsrate so ist?
Peter Gander: Wegen dem Wegbrechen der Grippezahlen hatte ich einmal nachgegoogelt. Denn ich wollte wissen, ob wir an der Nase herumgeführt werden. Gemäss den Quellen könne ein Grippevirus jedoch sehr gut von einem Coronavirus unterschieden werden. Demzufolge wurden nicht einfach alle Grippefälle auf Corona gebucht (ich hatte ja empört schon die Schreibfeder gewetzt…). Die Grippezahlen sind auf 1/184 zusammengebrochen (ca 5,5 Promille). Das ist weniger als Bleistiftstrichdicke im entsprechenden Diagramm.
Was mir daran zu denken gibt: Das Coronavirus hat ja nicht einfach die Grippeviren aufgefressen – somit muss der Einbruch bei den Grippezahlen vor allem auf die eingeführten Hygiene- und Kontaktmassnahmen zurückzuführen sein. Das wiederum lässt vermuten, dass ohne diese Massnahmen Corona vielleicht 184 mal schlimmer ausgefallen wäre.
Ich gehöre eindeutig zu den freiheitsliebenden Menschen und springe an die Decke, wenn ich Autoritarismus wittere und meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt sehe (als Bewohner eines Grenzdorfes ohnehin). Aber ich muss zugeben, unsere Regierung hat wohl nicht alles falsch gemacht.
Irgendwie scheint es mir, dass wir alle ein bisschen unhygienisch unterwegs waren in den vergangenen Jahrzehnten. Ich erinnere mich an ein Turnerchränzli im Chläggi: Die Halle war dermassen voll, dass die Tür auch nicht mit Gewalt zugemacht werden konnte. Völler als voll. Dass da die Lungenviren Freudentänze aufführen, erscheint im nachhinein naheliegend.
Momentan ist die Positivitätsrate der Tests genügend gut (um 5%). Es ist vernünftig nicht mehr so genau darauf zu schauem.
Aber als im Herbst mehr als 20% Tests positiv waren, war das ein deutliches Zeichen, dass noch viel mehr Leute positiv wären wenn man mehr testen würde.