Arzt zum zweiten Mal wegen gewerbsmässigen Betrugs verurteilt
upg. Infosperber ist von diesem Arzt direkt betroffen. Vor Gericht verlangt er 120’000 Franken Schadenersatz und 15’000 Genugtuung wegen Nennung seines vollen Namens. Wir hatten ihn genannt, um Patientinnen und Patienten zu warnen, als er keinen Zugang zu den Krankengeschichten wie Diagnosen, Laborbefunde oder Röntgenbilder gewährte und dann Patienten weiter behandelte, obwohl ihm die Bewilligung zur Führung einer Praxis entzogen war. Seit er in der Schweiz nicht mehr als selbständiger Arzt tätig ist, haben wir seinen Namen anonymisiert. Seine Klage gegen Infosperber ist noch hängig.
Der heute 46-jähriger Arzt wurde erstmals im März 2017 wegen gewerbsmässiger Bereicherung und Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt. Im Mai 2019 stand er erneut vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland, doch hatte Einzelrichter Sven Bratschi den Prozess unterbrochen, um weitere Akten einzufordern. Infosperber hatte ausführlich darüber berichtet: «Dem Betrüger-Arzt drohen Freiheitsentzug und Landesverweis».
Am letzten Donnerstag, 28. August, wurde der Prozess fortgesetzt und endete wegen gewerbsmässigen Betrugs erneut mit einer Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten und zu einer Busse von 1’000 Franken. Die geschädigten Krankenkassen können unrechtmässig abgerechnete fast 70’000 Franken über ein Schiedsgericht zurückfordern.
Gleichzeitig entschied das Gericht, der Arzt müsse eine im März 2017 nur bedingt ausgesprochene Geldstrafe in Höhe von 18’000 Franken nun tatsächlich bezahlen. Damals hatte er Leistungen verrechnet, die er nicht erbracht hatte.
Dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Landesverweis des deutschen Arztes gab der Richter im jüngsten Urteil nicht statt. Er stützte sich auf die Härtefallklausel, weil der Arzt ein gutes Verhältnis mit zwei in der Schweiz lebenden Kindern habe.
Dieses Urteil vom 28. August 2019 ist noch nicht rechtskräftig.
Hoch verschuldet
Die Bussen und die Rückzahlungen in Gesamthöhe von über 100’000 Franken an die Krankenkassen (35’000 Franken aufgrund der ersten Verurteilung und fast 70’000 Franken aufgrund der zweiten Verurteilung) wird der verurteilte und jetzt im österreichischen Vorarlberg tätige Arzt nicht so schnell bezahlen können. Leer werden wahrscheinlich auch Patientinnen und Patienten ausgehen, die zu viele Franchiseanteile und Selbstbehalte zahlten. Denn gemäss Auskunft des Betreibungsamts Bern-Mittelland war der Arzt Anfang 2019 mit unbezahlten Forderungen von insgesamt fast 240’000 Franken verschuldet. Für 30’500 Franken sind Verlustscheine ausgefüllt. Unter den Gläubigern befinden sich die Steuerverwaltung, die Gemeindeverwaltung, eine Grossapotheke und verschiedene Krankenkassen.
Wegen seiner Schulden hat das Gericht dem Arzt unentgeltliche Rechtspflege gewährt – auch für den Schadenersatzprozess gegen Infosperber.
«Von Entzug der Praxisbewilligung nichts gewusst»
Zu seiner Verteidigung erklärte der Arzt mehrmals, er habe keine Ahnung davon gehabt, dass ihm die Aufsichtsbehörde verboten habe, seine Praxis weiter zu führen. Vor Gericht konnte er jedoch nicht abstreiten, dass er den eingeschriebenen Brief persönlich am Postschalter abgeholt hatte. Doch habe er den Brief in seine Mappe gesteckt, dann vergessen und nie geöffnet. Der Richter hielt ihm entgegen, dass er jedenfalls genau wusste, was der Inhalt des Briefs sein konnte. Denn ein Entzug der Praxis sei in einem Mailverkehr im Raum gestanden, den er mit der Aufsichtsbehörde kurz vorher hatte. «Wenn sich jeder mit dem Verlegen eines wichtigen Briefs herausreden könnte, würde unser System nicht mehr funktionieren», erklärte Richter Sven Bratschi.*
Der einmal rechtskräftig und diesmal noch nicht rechtskräftig wegen gewerbsmässigen Betrugs verurteilte Hausarzt war im Kanton Bern auch als Schularzt und Vertrauensarzt des Strassenverkehrsamts tätig.
Die Ärztegesellschaft des Kantons Bern ging mit dem Arzt schonend um. «Bei der Standeskommission ist kein Dossier hängig, das in Zusammenhang mit dem im Artikel der Berner Zeitung geschilderten Verhalten in Verbindung steht», erklärte Mediensprecher Marco Tackenberg am 21. Juli gegenüber Infosperber. Das war zwei Monate, nachdem die «Berner Zeitung» über die rechtskräftige Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs informiert hatte. Die Ärztegesellschaft wisse nicht, behauptete Tackenberg, ob der Arzt ein Mitglied sei. Der Arzt bestätigte im August, dass er Mitglied sei, doch habe ihn «die Ärztegesellschaft nicht kontaktiert».
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*Die Zitate aus dem Gerichtssaal sind von der Gerichtsberichterstattung der Zeitungen Bund und Berner Zeitung übernommen.
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Frühere Artikel über diesen Hausarzt auf Infosperber:
21. August 2017«Dieser Arzt ist ein uneinsichtiger Betrüger»
28. Januar 2018«Betrüger-Arzt lässt seine Patientinnen und Patienten im Stich»
12. Februar 2018«Dieser Arzt lässt seine Patientinnen und Patienten weiter im Stich»
17. Mai 2019: «Dem Betrüger-Arzt drohen Freiheitsentzug und Landesverweis»
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Siehe oben.