Ägypten: Arzt-Prozess wegen Genitalverstümmelung
Der Arzt nahm die «Beschneidung» in einem Privatspital in Mansoura vor, einer Stadt im Nildelta. Normalerweise wird die Klitoris weg geschnitten. Häufig ist die Verstümmelung noch extremer. Sie soll Frauen «vor sexueller Versuchung schützen». Die Praxis ist in Ägypten unter Muslims und der christlichen Minderheit weit verbreitet, erklärt Nehad Abolkomsan, die dem «Egyptian Center for Women’s Rights» vorsteht.
Das Verfassungsgericht hatte Anfang 2013 eine Klage von zwei islamistischen Anwälten abgelehnt. Ein Gesetz aus dem Jahr 2007 hatte die genitale Verstümmelung von Mädchen und Frauen verboten, doch die Uno schätzt, dass in Ägypten über 90 Prozent der verheirateten Frauen verstümmelt sind.
Die Kläger hatten argumentiert, das Verbot verstosse gegen die Verfassung und gegen die Scharia. Laut Mohamed Adel vom «Egyptian Centre for Economic and Social Rights» hielt das Höchstgericht in seinem Urteil fest, dass die genitale Verstümmelung von Frauen nichts mit der Lehre des Islams zu tun hat.
Das Gesetz sieht für Verstümmelungen eine Höchststrafe von zwei Jahren Haft vor. Trotzdem verstümmeln muslimische und christliche Familien weiter Mädchen und junge Frauen, da die Behörden das Verbot nicht durchsetzen.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hatte dem früheren Präsidenten Mohamed Mursi vorgeworfen, dass dieser in einem TV-Interview gesagt hatte, über eine «Beschneidung» sollten die Familien entscheiden. Damit habe er de facto Straffreiheit garantiert. Die Muslimbrüder und die mit ihnen verbündeten ultra-fundamentalistischen Salafisten würden es nun sogar wagen, mit mobilen Arztgruppen kostenlose Verstümmelungen vor Ort anzubieten.
«Der geläufige Begriff ‘Beschneidung’ ist irreführend und verharmlosend», sagt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM. «Es handelt sich dabei um ein Verbrechen. Mit dem offenen oder stillschweigenden Segen religiöser Autoritäten würden noch heute Millionen von Mädchen traumatisiert.» Schwerwiegende Folgen wie Schmerzen, Zysten, Probleme beim Sex und bei der Geburt von Kindern seien in der ägyptischen Gesellschaft tabuisiert. Ägypten sei mit über 80 Millionen Einwohnern ein vergleichsweise grosses Land und deshalb komme ihm im Kampf gegen die Genitalverstümmelung eine Schlüsselrolle zu, sagt die IGFM.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Die Autorin ist Redaktorin der Plattform «FrauenSicht» – das führende Portal für Gleichberechtigung von Frau und Mann.
Es handelt sich dabei um ein Verbrechen. Mit dem offenen oder stillschweigenden Segen religiöser Autoritäten würden noch heute Millionen von Mädchen traumatisiert. Auch Christen! Problem: religiöse Autorität. Skandal!
Ob es religiöse Autoritäten braucht, ist nicht die primäre Frage. Es wird Autoritäten jeglicher Systeme geben, solange es Gefolgschaft gibt.
Der erforgversprechende Schritt ist, die Autoritäten an ihren eigenen Wert-Prinzipien zu messen. Dies ist offenbar durch das «Egyptian Centre for Economic and Social Rights» getan worden. Diese Feststellung des Widerspruchs zur Scharia innerhalb religiöser Auslegung ist für gläubige Muslime gewiss wichtiger, als allgemeine von Kritik von «Ungläubigen» an religiösen (Unterdrückungs-) Systemen.
Auch in unsrem Lande wäre die Kritik von verantwortungsbewussten Imamen an menschenverachtenden und verstümmelnden Traditionen wirksamer als eine externe Kritik. Dies spricht für die Schaffung von muslimischen Fakultäten.
Falls es tatsächlich in christlichen Kreisen Genitalverstümmelungen geben sollte – was mir schwer fällt zu glauben – dann möchte ich gerne wissen wo dies geschieht und auch welche Grundlage zur Rechtfertigung dieser menschenverachtenden Praxis dienen sollte. Auch hier würde gelten, diese Vertreter christlicher Glaubens-Systeme auf die Ethik der «Frohbotschaft» zu verpflichten.
Wie beispielsweise der Witschafstliberalismus ein widersprüchlicher Auswuchs zur liberalen Grundhaltung ist, so ähnlich ist es mit (fast) allen religiösen und unethischen Auswüchsen zu ihrem eigenen Fundament. Fundamentalismus ist der «Ismus» am eigenen Fundament.