Parkinson: Sieben Strategien, um besser vorwärtszukommen
Nicht-medikamentöse Methoden werden insgesamt weniger gut erforscht als medikamentöse. Das gilt auch bei der Parkinson-Erkrankung. Die Betroffenen haben oft Mühe, flüssig vorwärtszugehen. Ihr Gang ist kleinschrittig und wirkt wie blockiert. Es gibt aber verschiedene Kniffe, um den Gang zu verbessern – nur wissen selbst gut informierte Betroffene oft nicht darum. Das zeigt eine Online-Umfrage, an der sich über 4’300 Personen beteiligten, die laut eigenen Angaben an Parkinson leiden und entweder an einer Studie teilnahmen oder in einer Parkinsongruppe aktiv waren.
Etwa eine von fünf Personen kannte keine dieser Methoden. Und von den anderen kannten die meisten im Durchschnitt drei Techniken, aber nicht alle sieben. Nur einer von drei Betroffenen war durch Fachpersonen auf diese nicht-medikamentöse Ergänzung aufmerksam gemacht worden.
Die niederländischen Mediziner, die diese Umfrageergebnisse im Fachblatt «Neurology» veröffentlichten, bauen auf dem auf, was ihnen Patienten zutrugen. Immer wieder hatten ihnen Patienten von selbst entdeckten Tricks erzählt, dank derer sie besser vorwärtskamen. Daraufhin baten die Mediziner sie, Videos zu schicken.
Eindrückliche Verbesserungen
In der Fachzeitschrift «Jama Neurology» beschrieben die Mediziner die verschiedenen Kniffe. Zum Beispiel berichteten Betroffene, dass sie problemlos Velo fahren können, aber kaum gehen. Oder dass sie besser laufen würden, wenn sie extra schwere Schuhe tragen. Oder mit beiden Händen an ihren Gürtel fassen. Oder eine «Treppe» oder Markierungen auf den Boden malen, die Knie beim Gehen hochziehen oder während des Gehens rhythmisch immer wieder einen Tennisball zu Boden werfen und auffangen. Dass solche Methoden das Vorwärtskommen erleichtern, liegt vermutlich daran, dass dabei andere Hirnregionen aktiv beteiligt sind als diejenige, die bei der Parkinson-Erkrankung geschädigt ist.
Das begleitende Video zeigt eindrücklich, wie schwer sich manche Betroffene mit dem Gehen tun und wie viel besser es klappt, wenn sie ihre Methode einsetzen.
Quelle: «Jama Neurology» / www.youtube.com
Die niederländischen Ärzte sichteten Hunderte von Videos. Dabei kristallisierten sich 95 Techniken heraus, die sie sieben Strategien zuordneten:
- Äussere (meist rhythmische) Taktgeber benützen: Zum Beispiel kann das Gehen zum Takt eines Metronoms oder zum Rhythmus von Musik den Gang flüssiger machen.
- «Innere» Taktgeber: Zählen oder Berührungsreize wie die Zeigefinger gegen die Schläfen zu pressen helfen manchen Betroffenen, insbesondere wenn sie losgehen möchten.
- Körpergewicht verlagern um das Schwungbein zu entlasten: Manche der Personen, die diese Methode nutzten, benützten auch ein Laufrad.
- Andere beim Gehen imitieren oder den Bewegungsablauf vor dem geistigen Auge visualisieren.
- Sich motivieren oder in einen Zustand gesteigerter geistiger Aufmerksamkeit bringen.
- Anstatt vorwärtszulaufen, eine andere Art zu gehen wählen, zum Beispiel seitwärts laufen, ähnlich einem Schlittschuhläufer oder sogar rückwärts.
- Die Kombination mehrerer solcher Strategien.
Bis zu drei Viertel profitierten davon
Mit der Umfrage wollten die Mediziner herausfinden, welche Methode in welcher Situation am hilfreichsten ist und ob es auch zu negativen Wirkungen gekommen war. 62 bis 76 Prozent der Anwender gaben an, dass ihnen die verschiedenen nicht-medikamentösen Methoden nützen würden. Über negative Wirkungen berichteten zwei bis sechs Prozent (es kam in diesen Fällen zum Beispiel vor, dass die Methode in einer stressigen Situation das Gehen verschlechterte, anstatt es zu verbessern).
Das Körpergewicht zu verlagern führte am häufigsten zum Erfolg, äussere Taktgeber dagegen am wenigsten. Die einzelnen Methoden verloren im Lauf der Zeit nicht an Wirkung. Aber nicht alle funktionierten bei allen gleich gut, jede und jeder musste die Methode finden, die ihr oder ihm am besten half. Auch je nach Situation eignete sich die eine oder andere besser. Etwa jeder zehnte Befragte musste seine Methode im Lauf der Zeit jedoch ändern, weil die Erkrankung fortschritt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
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Dieser Artikel erschien erstmals im Oktober 2021.
‹Etwa jeder zehnte Befragte musste seine Methode im Lauf der Zeit jedoch ändern, weil die Erkrankung fortschritt.›
Die Erkrankung ist das Ereignis des Krankwerdens, nicht Synonym für Krankheit. Im Deutschen bezeichnen Worte, die auf -ung enden immer Entitäten, welche durch einen Zeitpunkt, nicht durch eine Zeitdauer gekennzeichnet sind.
Medizinstatistisch summieren die Zahlen der Erkrankungen zur Inzidenz, die der Kranken zur Prävalenz. Die beiden Summen unterscheiden sich je mehr, je länger man eine Krankheit epidemiologisch beobachtet und beschreibt, die aktuelle Pandemie ist ein gutes Beispiel dafür.